Weich wie Butter scheint das Holz zu werden, wenn Reinhart Beck sein Werkzeug ansetzt. Die Maschine surrt, das Holz ächzt und die Späne fliegen. Er drechselt in seiner Werkstatt in Pfronten unter anderem hölzerne Christbaumkugeln. Der Duft des Holzes drängt an die Nase und erfüllt den gesamten Raum. Zirbenholz möge er besonders gerne, sagt der 75-Jährige. "Die Zirbe ist sehr harzhaltig und das riecht man auch."
Reinhart Beck trägt eine olivgrüne Jacke, eine graue Hose und Turnschuhe. Seinen aus Holz gedrechselten Hut hat er heute nicht auf. Durch die Gläser seiner Brille beobachtet er genau das Stück Holz, das sich in der Maschine dreht. Mit ruhiger Hand formt er aus dem Rohling eine Kugel. "Das geht alles nach Augenmaß", sagt er. Die Späne fliegen ihm entgegen, bedecken seine Hände und bleiben teils auf seiner Jacke hängen. Doch das stört ihn nicht. Er konzentriert sich voll und ganz auf seine Arbeit.
So kam Reinhart Beck zum Handwerk des Drechselns
Das Material Holz habe ihn schon immer interessiert, sagt Beck. Zuerst habe er allerdings einen anderen Beruf erlernt - den des Kachelofenbauers. In der Holzbranche habe es damals keine Ausbildungsplätze gegeben. Dennoch ließ ihn die Faszination für Holz nicht los. Im Alter von circa 30 Jahren ging Beck auf die Schnitzschule nach Berchtesgaden, lernte zuerst Holzbildhauer und dann auch Schreiner und Drechsler.
Reinhart Beck ist Freiberufler durch und durch. "Du bist immer auf dich selbst gestellt. Das war reizvoll für mich", sagt er. Neben seinem Handwerk arbeitete Beck viele Jahre als Ski- und Bergführer, ebenfalls freiberuflich. Die Winter- und Sommermonate habe er in den Bergen verbracht. Zwischen den Jahreszeiten habe er in seiner Werkstatt gearbeitet. Kreativität und die Liebe zur Natur verbinden seine beiden Berufsfelder. An seinem Handwerk hält er nun schon seit 45 Jahren fest und konnte auch seine Frau dafür begeistern. In der Werkstatt ihres Mannes griff sie viele Jahre lang zum Schnitzmesser. Die zwei Söhne des Ehepaars hätten allerdings als Bäcker und Maschinenbauer andere Berufe ergriffen. "Das ist auch gut so", sagt Beck. Sie verdienten damit mehr als er. (Lesen Sie auch: Diese Corona-Regeln gelten aktuell im Ostallgäu an Weihnachten und Silvester)
Die Liebe zum Beruf - Reinhart Beck aus Pfronten drechselt aus Leidenschaft
"Du musst die absolute Liebe dafür haben, sonst brauchst es nicht machen", sagt Beck. Er selbst wolle dem Beruf nachgehen, so lange er kann. Er greift nach einer seiner gedrechselten Kugeln, blickt sie an und dreht sie etwas in den Händen. "Allein wenn du das anfasst", sagt der 75-Jährige und lässt den Satz unvollständig. Etwas scheint sich in dem sonst so ruhig wirkenden Mann zu regen. "Das lebt", sagt er schließlich. "Holz lebt." Dann legt er die Kugel wieder weg und kehrt zurück an die Werkbank.
Beck greift nach einem Einschlageisen, ein Werkzeug mit einem v-förmigen Kopf. Damit klopft er das Muster in die Kugel. Sein rhythmisches Schlagen erfüllt die Werkstatt. Wie viele Einschläge passen auf eine Kugel? "Das ist Augenmaß und Gefühl", sagt Beck. Ausmessen tut er nichts. Von perfekten Abständen hält er nichts. "Alles was ich mit Technik und Lineal mache - das ist tot", sagt Beck. Besonders gefällt es ihm, wenn ein Stück Holz ein Astloch habe.

Drechsel-Werkstatt im Saliterhof in Pfronten
Die Werkstatt des Filigrandrechslers befindet sich in einem Teil des "Saliterhofs" in Pfronten, eine ehemalige Salpetermühle. Das Salpeter oder Saliter wurde für die Schwarzpulverproduktion verwendet. Das Gebäude stamme wohl aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, sagt Beck. Genau wisse er es nicht. Später betrieben die Besitzer eine Landwirtschaft. Heute werde das Gebäude hauptsächlich als Maschinenhalle genutzt. Im hinteren Teil hat Beck seit 40 Jahren einen Raum für seine Werkstatt gemietet. Dort stellt er nicht nur Christbaumkugeln, sondern auch Kerzenständer, Adventskränze, Lampen, Holzfiguren und mehr her.
In einem Anbau aus Holz ist auch Platz für eine Ausstellung seiner Produkte. Der erste Blick fällt auf einen Weihnachtsbaum, der ausschließlich mit den von Beck gedrechselten Christbaumkugeln geschmückt ist. "Ich mache keine Masse. Das sind alles Einzelanfertigungen", sagt der Kunsthandwerker. Auch sogenannte Motivkugeln stellt er her. Diese sind zu einer Seite offen, so dass geschnitzte Holzfiguren hinein gesetzt werden können wie zum Beispiel eine Krippenszenerie. (Lesen Sie auch: Allgäuer Steinmetzgeselle Roman Peter ist Bester seiner Zunft)
So stellt Reinhart Beck Christbaumkugeln her
Doch zurück in die Werkstatt: Dort geht es nun ans Aushöhlen der Kugel. Ein besonders heikler Schritt. "Wenn man da nicht aufpasst, dann fliegt einem das Teil um die Ohren", sagt der Handwerker. Je weniger Holz am Ende stehen bleiben soll, desto schwieriger ist es. "Deswegen machen die meisten Drechsler Schüsseln", sagt Beck schmunzelnd. Die Einschläge waren vier Millimeter tief. Jetzt höhlt er die Kugel auf eine Wanddicke von drei Millimetern aus, so dass die eingeschlagenen Holzteilchen herausfallen. Wieder surrt die Maschine, wieder ächzt, seufzt und röhrt das Holz unter der Bearbeitung.
Beck verziert die Christbaumkugeln zusätzlich mit Schnitzereien, poliert sie und dann sind sie fertig. Zwischen eineinhalb und dreieinhalb Stunden brauche er für eine Kugel. Preislich liegen die Kugeln zwischen 35 und 75 Euro, je nach Arbeitsaufwand. "Die meisten Kunden sind Einheimische aus dem Umkreis von 100 Kilometern", sagt Beck. Die wüssten das Handwerk zu schätzen und seien bereit, die Preise zu bezahlen. Bei Touristen sei das nicht immer der Fall.
Mancher Kunde kommt aber auch von weit her. Erst am vergangenen Sonntag sei ein Mann aus Mainz zu ihm gekommen. "Der hat bei mir in der Schnitzschule Elbigenalp einen Kurs besucht", sagt Beck. Der Mann habe eine Kugel gekauft, sich mit ihm über das Drechseln unterhalten und sei am selben Tag wieder zurück gefahren.
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