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CSU-Generalsekretär Martin Huber im Interview - Flüchtlinge im Allgäu: „Der Bund macht viel zu wenig“

Flüchtlinge und Wahlrechtsreform

„Der Bund macht viel zu wenig“: CSU-Generalsekretär Martin Huber kritisiert die Ampel scharf

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    Martin Huber (CSU) war mit Redaktionsleiter der Allgäuer Zeitung Uli Hagemeier im Gespräch.
    Martin Huber (CSU) war mit Redaktionsleiter der Allgäuer Zeitung Uli Hagemeier im Gespräch. Foto: Ralf Lienert

    Wie viele Abgeordnete sollte es im nächsten Bundestag geben?

    Martin Huber: Wir wollten immer eine Verkleinerung des Bundestages. Dazu haben wir auch ganz konkrete Vorschläge gemacht. Die Große Koalition hat in der vergangenen Legislatur unter Beteiligung der SPD eine Wahlrechtsreform beschlossen mit einer Veränderung der Wahlkreise von 299 auf 280. Das war geltendes Recht und hätte zu einer starken Verkleinerung des Bundestags geführt. Davon will die SPD jetzt nichts mehr wissen und zimmert sich in der aktuellen Regierung ein Wahlrecht zusammen, das vor allem der Ampel nützt. Das ist ein Angriff auf Grundsätze der Demokratie. Lesen Sie auch: Söder zur Wahlrechtsreform: "Anschlag auf die Demokratie"

    Ausgleichs- und Überhangmandate gäbe es auch mit der Reduzierung auf 280 Wahlkreise noch.

    Huber: Wir haben eine Regelung beschlossen, die genau das deckelt und hätten damit eine Verkleinerung des Bundestags erreicht. Gerade direkt gewählte Abgeordnete genießen durch ihre regionale Nähe ein hohes Vertrauen bei den Menschen, sie sind deshalb wichtig für das Grundvertrauen in die Demokratie.

    Der Bundestag hat nun 736 Abgeordnete. Wie viele sollten es sein?

    Huber: Circa 630. Aber entscheidend ist, dass jemand, der in seinem Wahlkreis direkt gewählt wird, auch in den Bundestag einzieht.

    Die mit den Stimmen der CSU beschlossene Verringerung der Wahlkreise von 298 auf 280 bedeutet, dass es in Bayern genau zwei Wahlkreise weniger gibt als heute, nämlich 44. Damit erreichen Sie keine große Veränderung bei der Zahl der Abgeordneten.

    Huber: Wir haben sogar eine Verringerung auf 270 angeboten, außerdem wollten wir die Listenmandate auf 318 festsetzen und eine Deckelung beim Ausgleich der Überhangmandate vornehmen. Damit wäre eine deutliche Verkleinerung des Bundestags erreicht.

    Sie sagen, die Wahlrechtsreform sei ein Angriff auf die Demokratie. Im Bund gilt aber künftig nichts anderes, als in Bayern bei Landtagswahlen jetzt schon gilt – zum Beispiel eine Fünf-Prozent-Klausel ohne Ausnahmen für regionale Gruppierungen.

    Huber: Das ist nicht korrekt. Zum einen ist die von Ihnen angesprochene Regel in Bayern nie zum Tragen gekommen. Wir haben in Bayern außerdem ein anderes Wahlsystem, bei dem Erst- und Zweitstimme zusammengerechnet werden und damit insgesamt eine andere Systematik. Die Regel der Ampel ist ein Frontalangriff auf den Süden und die CSU

    Aber es geht doch auch um eine Sonderregel für die CSU, denn das ist die einzige bedeutende Partei, die nur in einem Bundesland antritt.

    Huber: Was die Berliner Blase uns Bayern jetzt empfiehlt, nämlich gemeinsam mit der CDU anzutreten, ist für mich arrogant und übergriffig. CDU und CSU sind gemeinsam als Union seit Jahrzehnten ein Erfolgsmodell für die Bundesrepublik.

    Warum können die Parteien dann nicht gemeinsam zu Wahlen antreten?

    Huber: Es ist verfassungsrechtlich gar nicht möglich, Listenverbindungen einzugehen. Damit wird der CSU ihre Eigenständigkeit abgesprochen. Das zu fordern, halte ich für unbotmäßig, arrogant und absolut undemokratisch.

    Martin Huber ist gebürtiger Oberbayer, 46, und ist Generalsekretär der CSU.
    Martin Huber ist gebürtiger Oberbayer, 46, und ist Generalsekretär der CSU. Foto: Ralf Lienert

    Wie viele Flüchtlinge werden Ende dieses Jahres nach Prognosen der Staatsregierung in Bayern leben und wie viele verträgt dieses Land aus Sicht der CSU?

    Huber: Wir in Bayern sind sehr hilfsbereit. Wir haben zum Beispiel mehr Menschen aus der Ukraine aufgenommen als ganz Frankreich. Aus vielen Kommunen hören wir gleichzeitig Hilferufe, denn ihre Kapazitäten zur Unterbringung sind ausgeschöpft. Wir greifen diese Hilferufe auf und fordern den Bund auf, endlich zu handeln. Der Bund macht hier viel zu wenig. Der Flüchtlingsgipfel von Bundesinnenministerin Nancy Faeser war eine absolute Nullnummer. Kanzler Olaf Scholz muss das Thema endlich zur Chefsache machen. In Kaufbeuren sollen Geflüchtete in Containern unterkommen. Auch in weiteren Kommunen im Allgäu werden Unterkünfte dringend gesucht.

    Horst Seehofer war Chef der CSU und Bundesinnenminister. Er hat sich in diesem Amt intensiv für eine andere Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU und ein strikteres Handeln an den Außengrenzen eingesetzt, aber gebracht hat das wenig.

    Huber: Die Ampel hat den Spurwechsel zum Prinzip gemacht und die Situation mit weiteren Anreizen weiter verschärft. Ob jemand einen Bleibegrund hat oder nicht, ist künftig vollkommen egal. Es geht außerdem darum, schon geltende Regelungen umzusetzen, zum Beispiel das Fachkräftezuwanderungsgesetz der großen Koalition.

    Ein Unternehmer in meinem Stimmkreis will drei bosnische Arbeitskräfte einstellen, bei denen Identität, Ausbildung und Arbeitsvertrag geklärt sind. Die drei brauchen aber ein Jahr, um an der deutschen Botschaft in Sarajevo überhaupt einen Termin zu bekommen. Das Auswärtige Amt behindert also die Zuwanderung von Fachkräften.

    Die Forderung, dass bundeseigene Gebäude für Flüchtlinge genutzt werden, damit nicht wieder Turnhallen belegt werden müssen, war auf dem Flüchtlingsgipfel mehrfach zu hören. Aber es gibt nicht in jedem Dorf eine leer stehende Kaserne. Kennen Sie eine Erhebung, über wie viele mögliche Unterkünfte wir in Bayern überhaupt sprechen?

    Huber: Wir unterstützen die Kommunen finanziell, aber die Handlungskompetenz liegt beim Bund. Der Bund hat sich erst nach Monaten bereit erklärt, eigene Liegenschaften zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen hier eine bessere Steuerung, die Kapazitäten sind nicht unendlich verfügbar.

    Wie viele freie Liegenschaften gibt es denn, wo können die Flüchtlinge künftig unterkommen?

    Huber: Das ist genau die Frage, die wir dem Bund auch immer wieder stellen.

    Aber Sie können nicht steuern, wenn niemand weiß, wohin die Leute gesteuert werden müssen.

    Huber: Die Handlungskompetenz für dieses Thema liegt beim Bund. Wir als CSU und als Freistaat Bayern können nur die Hilferufe aus den Kommunen aufgreifen und den Bund auffordern, endlich seiner Verantwortung gerecht zu werden.

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