Es sollte eine der großen Schlachten im Allgäu werden. 23.000 Bauern versammelten sich dafür bei Leubas nördlich von Kempten. Auf der anderen Seite tausende Berufssoldaten. Ein Gemetzel stand bevor. Für die Bauern ging es um viel: Freiheit, Selbstbestimmung, wirtschaftliche Aspekte. Viele lebten fast wie Sklaven und waren ihren Herren ausgeliefert. Das Jahr 1525: Im Allgäu und in den benachbarten Regionen wütet der Bauernkrieg. Und in Memmingen passiert etwas, das heute als einer der ersten großen Schritte zu Demokratie und Freiheit in Deutschland gewertet wird: Bauern verfassen ihre Forderungen gegenüber der Obrigkeit. Die Zwölf Bauernartikel. Jetzt, 500 Jahre später, wird in Memmingen und vielen anderen Orten im Allgäu an die Ereignisse von damals und deren Bedeutung für heute erinnert. Bis in den Oktober hinein wird es zahlreiche Veranstaltungen geben. Wir beantworten wichtige Fragen:
Was sind die Zwölf Bauernartikel?
Sie gelten als eine der ersten Forderungen nach Freiheits- und Menschenrechten in Europa. Bauern aus dem Allgäu und angrenzenden Regionen verfassten sie in Memmingen. Unter anderem fordern sie darin, dass die Leibeigenschaft aufgehoben werden soll. Also die starke Abhängigkeit etwa eines Bauern von seinem Grundherrn. Sie reichte bis ins Private, so konnte der Grundherr zum Beispiel bestimmen, ob und wen ein Leibeigener heiraten durfte. In den Artikeln wird auch gefordert, dass jede Gemeinde ihren Pfarrer selbst wählen darf und dass Jagd und Fischerei wieder erlaubt werden sollen. (Lesen Sie auch: Das sind die Zwölf Bauernartikel)
Die Memminger Bauernartikel - ein Bestseller im Spätmittelalter:
Über Jahre staute sich die Wut der Bauern an, weil sie im Gegensatz zu Adel und Kirchenoberen meist um ihr Überleben kämpfen mussten. Die Zahl der Aufstände in Süd- und Mitteldeutschland wuchs. Im März 1525 trafen sich Bauern aus der Region in der Kramerzunft, einem Haus in Memmingen, das bis heute steht. Sie verfassten die Zwölf Artikel. Eine Erfindung aus dem Jahr 1440 half dabei, die Forderungen zu verbreiten: der Buchdruck. In einigen Wochen wurden die zwölf Artikel 25.000 Mal gedruckt und weit über die Region hinaus verteilt. Damals eine enorme Zahl. Es war fast so wie Soziale Medien heute, in denen sich Nachrichten blitzschnell verbreiten, sagt Sebastian Huber, Kulturamtsleiter von Memmingen. Bald beriefen sich fast alle Aufständischen bis nach Mitteldeutschland, Österreich und in die Schweiz auf die Memminger Forderungen, schreibt Prof. Dr. Peter Rückert, Leiter des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, in der Zeitschrift „Archivnachrichten“ des Landesarchivs Baden-Württemberg.
Warum wurden die Zwölf Artikel in Memmingen verfasst?
Weil in der Stadt ein Klima der Offenheit geherrscht hat, sagt Huber. Dazu habe auch die Reformation im Jahr 1517 beigetragen: Martin Luther veröffentlichte seine 95 Thesen und prangerte damit die Strukturen der katholischen Kirche an. Für Luther brauchte es zum Beispiel keine kirchlichen Autoritäten wie den Papst, vielmehr können Christen Gott direkt, also ohne Mittelsmann, begegnen, sagte er. Und nur vor Gott müssten Menschen ihre Sünden verantworten. Sich davon freizukaufen, wie es damals mit dem Ablasshandel möglich war, geht aus Luthers Sicht nicht. Diese neue Lehre des freieren Christen wurde schon 1521 vom Theologen Christoph Schappeler in der Memminger Martinskirche gepredigt. Und die Bauern bezogen sich in ihren Forderungen nach Freiheit teilweise auf die Kernaussagen der Reformation.
So endete der Bauernkrieg - und die Schlacht von Leubas:
23.000 Bauern standen in Leubas Tausenden Berufssoldaten gegenüber. Letztere gehörten zum Schwäbischen Bund, einem Zusammenschluss mehrerer Reichsstädte, die sich auch militärisch gemeinsam organisierten. Zu einer großen Schlacht kam es aber nicht. In der Nacht zogen viele der Bauern ab. Warum das so ist, ob einer der Bauernführer von der Gegenseite bestochen wurde, wie in einigen Schriften spekuliert wird, ist nicht klar. Die übrigen Bauern zogen ebenfalls ab und ergaben sich wenig später. Damit war im Allgäu der Bauernkrieg beendet.
Wie es nach dem Bauernkrieg weiterging:
Viele Anführer der Bauern wurden hingerichtet. In Durach zum Beispiel, kurz nach der Schlacht von Leubas. Insgesamt verloren in den Bauernkriegen zwischen 70.000 und 100.000 Bauern ihr Leben. Zwar gab es Orte innerhalb der am Krieg beteiligten Regionen, in denen die Herren ihren Bauern entgegenkamen und Zugeständnisse machten. Doch auf die gewünschte Freiheit mussten sie noch warten. Die Leibeigenschaft etwa wurde erst ab dem 18. Jahrhundert nach und nach abgeschafft. Dennoch: Es sei einmalig in der deutschen Geschichte, dass sich eine Gruppe so früh und so vehement für ihren Stand, für Freiheit, Gerechtigkeit, also für demokratische Verhältnisse eingesetzt hat, sagt Kulturamtsleiter Huber.
Eintauchen in die Zeit der Bauernartikel: dieses Programm gibt es 2025 im Allgäu
Bis in den Oktober hinein gibt es in Memmingen und auch in anderen Orten des Allgäus etliche Veranstaltungen, die sich mit den Zwölf Bauernartikeln und dem Bauernkrieg vor 500 Jahren beschäftigen. Hier eine Auswahl:
Memmingen:
- 16. März bis 19. Oktober: Projekt Freiheit - Memmingen 1525, Bayernausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte. Multimedial, es werden die historischen Hintergründe und die Auswirkungen bis in die Gegenwart beleuchtet. Dienstags bis sonntags, je 9 bis 17 Uhr, Dietrich-Bonhoeffer-Haus und Kramerzunft.
- 7. und 8. März: Licht-, Video- und Soundinszenierungen an den historischen Schauplätzen in Memmingen. Der Veranstaltungspunkt heißt: „Zeitreise 1525 - Kickoff 500 Jahre Zwölf Artikel“. Orte: Ein Rundweg über Wein- und Roßmarkt, Martin-Luther-Platz, Sankt-Martin-Kirche und andere. Jeweils 19 bis 23 Uhr.
- 25. Mai: Eine Essenstafel, die einige hundert Meter über die Maximilianstraße reichen soll, das ist die Memminger Freiheitstafel: Austausch und Begegnung der Gesellschaft. 11 bis 17 Uhr.
- 7. Juni: Familienprogramm „Freispiel 2025“. Straßenfest mit Spielen, Straßentheater und Aktionen zum Mitmachen. Altstadt Memmingen, 11 bis 16 Uhr.
- 11. Juli: „Uffrur! ... on the road“ - Die Lager der Adligen und der Bauern können erlebt werden. Erlebniswelt mit Theater- und Zirkusspektakel. Marktplatz Memmingen, 17 bis 22 Uhr.
Das komplette Programm finden Sie im Internet unter https://www.stadt-der-freiheitsrechte.de/
Außerhalb Memmingens:
- 14. Juni bis 17. August, Altusried, Allgäuer Freilichtbühne: Gezeigt wird das Stück „1525 – Bauernkrieg, Frei sind wir und frei wollen wir sein!“ Mit rund 500 Mitwirkenden. 26 Aufführungen.
- 26. Februar, Kempten-Museum: Ausstellungseröffnung „Zeitenwende 1525“.
- 27. September, Kempten: Historisches Stadtfest zwischen Rathausplatz, St.-Mang-Platz und Burghalde, 11 bis 20 Uhr.
Eine Übersicht über alle Veranstaltungen gibt es in einer Beilage, die am 25. Februar der Allgäuer Zeitung beiliegen wird.
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