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Flugzeugabsturz auf Kreta 1975: Westallgäuer Johannes Aschauer als Retter vor Ort - Zeitzeuge erinnert sich

Transall-Maschine auf Kreta zerschellt

Westallgäuer bei Flugzeug-Absturz vor 50 Jahren als Retter dabei - „bis heute belastend“

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    Ein angeseilter Gebirgsjäger untersucht die Wrackteile der Transall, die am 9. Februar 1975 beim Landeanflug auf den Militärflughafen von Souda auf der griechischen Insel Kreta abstürzte.
    Ein angeseilter Gebirgsjäger untersucht die Wrackteile der Transall, die am 9. Februar 1975 beim Landeanflug auf den Militärflughafen von Souda auf der griechischen Insel Kreta abstürzte. Foto: dpa (Archivbild)

    „Eigentlich waren wir schon im Faschingsmodus“, blickt Dr. Johannes Aschauer auf den Februar 1975 zurück. Damals, vor 50 Jahren, war er gerade 19 und leistete seinen Wehrdienst im Gebirgsjägerbataillon 222 in Mittenwald. Doch statt in ein dortiges Lokal, ging es nach Kreta – und dies auf Befehl des damaligen Bundesverteidigungsministers Georg Leber. 

    Aschauer, der über 20 Jahre lang Bürgermeister der Gemeinde Achberg, einer Gemeinde nahe der Grenze zum Landkreis Lindau war, musste zu einem schweren Flugzeugunglück ausrücken.

    Transall-Maschine der Bundeswehr stürzte 1975 ab

    Denn auf der griechischen Insel stürzte am 9. Februar 1975 eine Transall-Maschine mit 42 deutschen Soldaten an Bord ab. In dichtem Schneetreiben zerschellte das Militär-Flugzeug knapp unterhalb des Gipfels Malotyra im Massiv der Lefka Ori. Minister Leber entschied, die Gebirgsjäger zur Bergung der Leichen einzusetzen.

    Aschauer konnte diesen Befehl emotional kaum einordnen: „Auf der einen Seite freute ich mich darüber, dass an mir die seelische und körperliche Robustheit und alpine Fähigkeit für so einen Einsatz gesehen wurde. Auf der anderen Seite hatte ich Sorge vor den Eindrücken, die ich aus dem Einsatz mitnehmen werde“, hat er seine Erinnerungen 50 Jahre später zusammengefasst.

    Johannes Aschauer, langjähriger Bürgermeister der Gemeinde Achberg, erinnert sich 50 Jahre später an seinen Einsatz bei einem Flugzeugabsturz zurück.
    Johannes Aschauer, langjähriger Bürgermeister der Gemeinde Achberg, erinnert sich 50 Jahre später an seinen Einsatz bei einem Flugzeugabsturz zurück. Foto: Olaf Winkler

    Soldaten starben, das Wrack löste eine Lawine aus

    Die Bergungsarbeiten begannen am Aschermittwoch, damals 12. Februar. Die abgestürzte Transall-Maschine hatte mit einer Tragfläche die Bergflanke berührt und dabei in der etwa vier Meter dicken Schneedecke eine Lawine ausgelöst. Das Flugzeug war stark zertrümmert, Teile der Trümmer rutschten mit der Lawine ab.

    Mit Hubschraubern erreichten die Gebirgsjäger die Unglücksstelle. „Die Jüngeren von uns wurden zunächst von den Toten ferngehalten“, erinnert er sich. Es galt, ein Zeltlager aufzubauen, was angesichts des heftigen Windes misslang.

    So gruben sich Aschauer und weitere Wehrdienstleistende in den Schnee ein. „Ich war froh, dass ich nur unterstützend arbeiten musste“, erzählt er mit Blick auf die ersten schwarzen Säcke, die er am Hubschrauberlandeplatz sah. Die Gebirgsjäger mussten weit verstreute Gegenstände einsammeln.

    „Ich habe aber auch immer wieder Hände und Füße gefunden“, sagt Aschauer. Diese Bilder haben sich in sein Gedächtnis eingebrannt. „Unter den Kameraden wird nicht darüber gesprochen, aber ich merke schon, wie es einigen zu schaffen macht“, erinnert er sich. Auch abends seien alle Einsatzkräfte nur dagesessen: „Es fehlte die Kraft, sich darüber auszutauschen“.

    „Ein eigenartiger Geruch“ - ein Zeitzeuge erinnert sich an den Transall-Absturz

    Unterbrochen von einem Schneesturm zog sich die Bergung der Opfer über mehrere Tage. „Bei Windstille und Sonne verbreitete sich über der Absturzstelle ein eigenartiger Geruch aus Treibstoff und auf heißes Material ausgelaufenem Hydrauliköl. Nehme ich den Geruch heute wahr, so entstehen bei mir sehr konkrete Erinnerungen mit klaren Bildern im Kopf“, sagt der 69-Jährige. Darüber gesprochen habe er seither nicht.

    Johannes Aschauer bekommt vom damaligen Verteidigungsminister Georg Leber das Bundesverdienstkreuz am Bande.
    Johannes Aschauer bekommt vom damaligen Verteidigungsminister Georg Leber das Bundesverdienstkreuz am Bande. Foto: Olaf Winkler

    Nach der Rückkehr nach Deutschland erhielten Aschauer und die anderen Mitglieder des Bergungstrupps das Bundesverdienstkreuz am Bande. Der Verteidigungsminister reiste dazu eigens nach Mittenwald. Und er gab den Soldaten mit auf den Weg, nicht über das Erlebte zu sprechen. Aschauer: „Als Mitglied der Bergungsmannschaft habe ich nicht um psychologische Begleitung oder Unterstützung zur Verarbeitung der Eindrücke gebeten, sie wurde mir aber auch nicht angeboten.“

    In der Folge erlebte er, „dass auch im Umfeld der Mannschaft eher über das Ereignis geschwiegen wurde. Bis heute sei es nicht möglich, die Bilder aus dem Kopf zu bekommen. Die Eindrücke seien „einfach zu gewaltig“ gewesen und „bis heute durchaus belastend“. Möglicherweise wäre es aus Sicht von Aschauer besser gewesen, Mitglieder der Trauerfamilien kennenzulernen und zu sehen, wie sie den Verlust verarbeiten.

    Eine Radtour sollte Aschauer bei seiner Trauer helfen

    Für sich selbst wollte Aschauer mit einer besonderen Radtour versuchen, das Erlebte abzuschließen. In den vergangenen Jahren ist er einige Male in die Achberger Partnergemeinde Sankt Genis des Fontaines im Südwesten Frankreichs und sogar schon ins spanische Santiago de Compostela geradelt. 2025 sollte es über den Balkan bis nach Griechenland gehen.

    Nun kam für ihn die Sanierung seines Elternhauses dazwischen. Jetzt werde es wohl nur eine zweiwöchige Flugreise. Dann will er erstmals nach 50 Jahren zur Unglücksstelle zurückkehren, die er noch heute vor Augen hat: „Vielleicht wird es dann leichter, mit der Sache abzuschließen.“

    Selbst im Familienkreis war jenes Geschehen auf Kreta nie ein Thema. Aschauer verließ die Bundeswehr 1976, absolvierte ein Geologie-Studium in München, fand eine Anstellung in Leutkirch. Später zog er nach Achberg und wurde 1997 Bürgermeister - bis zu seinem Ruhestand 2022 hatte er das Amt inne.

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