Der Viehscheid in Oberstaufen ist der erste große offizielle Viehscheid 2022.
Bild: Lienert
Der Viehscheid in Oberstaufen ist der erste große offizielle Viehscheid 2022.
Bild: Lienert
Auch die grauen Wolken konnten die gute Stimmung in Oberstaufen nicht trüben. Hier fand am Freitag der erste große Allgäuer Viehscheid der Saison 2022 statt.
Der Viehscheid hat seinen eigenen Klang, einen Schellenklang. Der ist schon von weitem zu hören in Oberstaufen, beim ersten Allgäuer Viehscheid in diesem Jahr. Viele „Schumpen“, junge Tiere, werden von den Alphirten, den Helfern aus der Familie und dem Freundeskreis, vom Berg über die Kreisstraße von Steibis aus zum Scheidplatz im Weissachtal getrieben. 16 Herden mit über 1000 Rindern, zwei Pferden, einem Esel und drei Kühen werden von ungefähr 5000 Zuschauern erwartet.
Die erste Tiere, die unter dem Getöse der schwingenden Schellen ankommen, sind die 65 Rinder der Alpe Oberbergmoos. „Es hat alles gut geklappt“, sagt Tobias Bauer aus Stiefenhofen. „Wir waren gut eine Stunde unterwegs.“ Bauer ist ein Freund des Alphirten, einer der seit Jahren beim Alpabtrieb von der Oberbergmoos mit anpackt. Für ihn ist das selbstverständlich, einem Freund zu helfen.
Dass die Herde kein mit Blumen geschmücktes Kranzrind hat, liegt nicht etwa daran, dass dem Vieh etwas passiert wäre: Vor kurzem starb der Scheidmeister, Franz Meisburger. Zu seinem Gedenken tragen Älpler Alexander Meisburger – Sohn des Verstorbenen – und alle Helfer kleine schwarze Bänder an ihrer Festkleidung. Das gilt auch für die Bauern Adalbert und Florian Wild aus Lautrach, Unterallgäu.
Das habe Tradition, dass die Jungtiere von dort nach Oberstaufen gebracht werden. Riesige Viehtransporter eines Unternehmens aus Altusried stehen schon bereit zum Zurückfahren. Die Tiere werden später dort hineingetrieben. „Das sind sie gewöhnt, so sind sie auch hergekommen“, sagt Florian Wild. Und die schweren Schellen beim Alpabtrieb? „Die sind der Stolz des Alphirten“, sind sich beide einig. Und Schellen seien ihre Tiere sowieso gewohnt. die beiden sind Bauern, die ihre Tiere draußen weiden lassen. „Wenn dann mal eine in den Wald ausbüxt, findet man sie sonst nicht mehr.“
Viehscheid mit Schellenklang, ja, das habe Tradition, das gehört dazu, sagt Erhard Götz aus Ravensburg. „Die Geräuschkulisse ist beeindruckend“, fügt seine Frau Alexandra an. Beide stehen am Straßenrand und warten auf die nächste Herde – so wie zwei in Pink gekleidete Frauen. Frohgelaunt ruft die eine, sie käme her „wegen der Waden der Männer“. Eine andere sagt, sie seien Touristinnen aus dem Siegerland. „Wir kommen ganz bewusst, finden es toll, dass hier die Tradition gepflegt wird.“ Eine Familie am Straßenrand wartet auf die Ankunft der Herde vom Schwarzenberg. Doris und Willi Bertele aus Sulzberg haben dort drei Jungtiere. „Die anderen sind in Bolsterlang.“
Die vielen Menschen am Straßenrand seien beeindruckend sagen sie und fügen an: „In Bolsterlang ist der Viehscheid kleiner und familiärer.“ Dass so viele Leute da sind, die Polizei schätzt 5000, hänge sicherlich damit zusammen, „dass Markus Söder kommt“.
Der Bayerische Ministerpräsident spaziert gegen 10.15 Uhr auf der Straße zur Ehrentribüne vor dem Scheidplatz. Viele Leute wollen ein Selfie mit ihm machen. Söder lässt sich das gerne gefallen. Auch im Bierzelt, das gegen 11 Uhr gut gefüllt ist. Die Blasmusikkapelle Aach spielt und Söder bringt die Besucher zum Lachen: Wäre er eine Kuh, nein, er wäre natürlich ein Bulle. „Also, wenn ich ein Bulle wäre, dann wäre ich doch auch lieber ein halbes Jahr in freier Natur, als ein ganzes Jahr in einem Laufstall.“ Damit spricht er die Anbindehaltung an, die in kleinbäuerlichen Familienbetrieben im Oberallgäu noch üblich ist.
Üblich ist es von Bauernseite her auch, dass Jungvieh den Sommer über auf Alpweiden verbringt, beispielsweise bei Maria Allger (Alpe Vordere Simatsgund und Spilzler Nord). Manchmal sei das Wasser im Sommer knapp geworden, sagt die Älplerin. Und weil es so heiß war, sei viel Ungeziefer am Berg gewesen. Die Augenkrankheit „Eigler“ sei bei den Rindern häufig gewesen. Seit 1994 ist Allger bereits Älplerin. Sie sagt: „Wer einmal damit anfängt, wird infiziert.“ Nach dem Scheid sei vor dem Scheid.
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