Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

JVA Kempten und Memmingen: U Haft, Zahl der Insassen, Haftgründe und Unterschiede zum Regelvollzug

Justiz im Allgäu

U-Haft - Ein Blick hinter die "Allgäuer Gardinen" der JVAs Kempten und Memmingen

    • |
    • |
    Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Person in U-Haft kommt, erklären zwei Allgäuer Staatsanwälte.
    Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Person in U-Haft kommt, erklären zwei Allgäuer Staatsanwälte. Foto: Matthias Becker (Symbolbild)

    Seit rund eineinhalb Monaten befindet sich der Bürgermeister der Gemeinde Seeg Markus Berktold in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Er soll sich während der Corona-Pandemie zusammen mit einem weiteren Beschuldigten rund 1,1 Millionen Euro zu Unrecht vom Staat erschlichen haben. Noch bis Ende Mai werden nach Informationen unserer Redaktion die weiteren Ermittlungen voraussichtlich andauern. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Person in U-Haft kommt, erklären zwei Allgäuer Staatsanwälte.

    Untersuchungshaft - diese rechtlichen Voraussetzung müssen erfüllt sein

    Es komme auf drei Aspekte an, sagt der Memminger Oberstaatsanwalt Thorsten Thamm. Erstens: "Es muss ein dringender Tatverdacht bestehen." Das bedeutet, die Ermittlungen haben ergeben, dass der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Straftat begangen hat.

    Zweitens: "Es muss ein Haftgrund vorliegen." Im Falle des inhaftierten Seeger Bürgermeisters ist das beispielsweise die Fluchtgefahr. Deswegen wurde auch eine Haftbeschwerde vom Januar dieses Jahres bereits vom Landgericht Nürnberg-Fürth abgeschmettert. Aber auch Beschuldigte, die bereits Fluchtversuche unternommen haben, oder bei denen die Gefahr besteht, sie könnten Spuren ihrer Taten verwischen (Verdunklungsgefahr), erfüllen Voraussetzung Nummer zwei. "Bei bestimmten Straftaten, zum Beispiel bei diversen Sexualstraftaten, stellt auch die Wiederholungsgefahr einen Haftgrund dar", ergänzt Thomas Hörmann, Oberstaatsanwalt aus Kempten.

    Als Drittes müsse stets die Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Dabei würde etwa die Schwere der Tat mit dem Recht des Inhaftierten auf Freiheit abgewogen. Ist die Infaftierung verhältnismäßig, bleibe der Beschuldigte im Gefängnis.

    So unterscheidet sich die U-Haft in Kempten und Memmingen vom Regelvollzug

    Sinn der U-Haft sei es, sicherzustellen, dass das Verfahren durchgeführt werden kann, sagt Thamm. Daher gebe es für Beschuldigte in Untersuchungshaft "entsprechende Einschränkungen, die allerdings richterlich angeordnet sein müssen". Dazu zählen laut dem Memminger Juristen etwa die Kontrolle von Besuchen und die Überprüfung des Briefverkehrs. "Will meinen guten Ruf zurück!": Gastronom saß fünf Jahre zu Unrecht im Gefängnis

    Die Justizvollzugsanstalt Memmingen wurde 1968 errichtet. Sowohl männliche als auch weibliche Gefangene sind dort inhaftiert.
    Die Justizvollzugsanstalt Memmingen wurde 1968 errichtet. Sowohl männliche als auch weibliche Gefangene sind dort inhaftiert. Foto: Ralf Lienert (Archivbild)

    Wie lange darf eine U-Haft maximal dauern?

    Die Maximaldauer einer Untersuchungshaft sei gesetzlich nicht konkret geregelt, berichtet Hörmann. Eine erste Haftprüfung müsse allerdings spätestens nach sechs Monaten durch das Oberlandesgericht erfolgen. Das Prozedere wiederhole sich, solange die Hauptverhandlung nicht begonnen hat, alle drei Monate. Zudem könnten Haftprüfungen jederzeit auf Antrag des Beschuldigten stattfinden. Dann entscheide der Ermittlungsrichter - also der Richter, der ursprünglich den Haftbefehl entlassen hat - ob die Haft bestehen bleibt.

    Je länger die U-Haft dauert, desto wichtiger werde die Frage der Verhältnismäßigkeit, ergänzt Thamm. Denn trotz dringendem Tatverdacht gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Dabei falle der Anspruch auf Freiheit des Beschuldigten gegenüber dem staatlichen Interesse an einem ordentlichen Strafverfahren mit längerer Dauer immer stärker ins Gewicht. So mussten laut dem Bayerischen Richterbund 2022 insgesamt 15 Beschuldigte wegen zu langer Verfahren aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

    Wenn Beschuldigte wieder auf freien Fuß kommen

    Immer, wenn eine der genannten drei Voraussetzungen entfällt, ist ein Haftbefehl zwingend aufzuheben, sagt Thamm. Nach Angaben der Anstaltsleitung war dies im Jahr 2022 in der JVA Kempten insgesamt 50-mal, in Memmingen 76-mal der Fall; beispielsweise, wenn die Ermittlungen ergeben, dass der Beschuldigte einer Tat nicht mehr dringend verdächtig ist.

    Außerdem gebe es laut dem Memminger Staatsanwalt die Möglichkeit, den Haftbefehl - und damit die U-Haft - außer Vollzug zu setzen, wenn eine "mildere Maßnahme" ausreicht. Dann kann der Beschuldigte gegebenenfalls eine Sicherheitsleistung, gemeinhin Kaution genannt, hinterlegen, um die Fluchtgefahr zu verringern. "So soll verhindert werden, dass der Beschuldigte sich absetzt und sich dadurch dem weiteren Verfahren entzieht", erklärt Hörmann. Zwölf Haftbefehle wurden laut Mitteilung der JVA vergangenes Jahr in Kempten außer Vollzug gesetzt, in Memmingen waren es neun.

    Die JVA Kempten hingegen ist eine Strafanstalt für männliche Gefangene.
    Die JVA Kempten hingegen ist eine Strafanstalt für männliche Gefangene. Foto: Matthias Becker (Archivbild)

    So sieht die Situation in den JVAs Kempten und Memmingen aus

    Wie die Leiterin der JVAs Kempten und Memmingen Anja Ellinger mitteilt, befanden sich zum 1. März dieses Jahres 152 Personen in Kempten (84 Männer, keine Frau) und Memmingen (59 Männer, neun Frauen) in Untersuchungshaft. Wichtig bei diesen Zahlen: In den JVAs sind laut den Allgäuer Staatsanwälten nicht nur Häftlinge, die in Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Memmingen oder Kempten Beschuldigte sind. So könne es in Verfahren gegen mehrere Personen erforderlich sein, Beschuldigte in unterschiedlichen Gefängnissen unterzubringen, damit sie sich nicht absprechen können. Daher seien in den JVAs Memmingen und Kempten auch Häftlinge aus Verfahren anderer bayerischer Staatsanwaltschaften - und umgekehrt.

    Diese Daten werden bei einer Verkehrskontrolle von der Polizei abgefragt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden