Schöne Oberflächen: Monira Al Qadiri setzt die petrochemischen Moleküle und einiges mehr glänzend in Szene - um am Ende die Kunsthaus-Besucher auf einen Friedhof zu führen.
Bild: Markus Tretter/KUB
Schöne Oberflächen: Monira Al Qadiri setzt die petrochemischen Moleküle und einiges mehr glänzend in Szene - um am Ende die Kunsthaus-Besucher auf einen Friedhof zu führen.
Bild: Markus Tretter/KUB
Hinter der Schönheit verbirgt sich das Grauen. Dieser Täuschung bedient sich Kunst seit jeher gern. Auch Monira Al Qadiri führt in ihrer eigens fürs Kunsthaus Bregenz konzipierten Ausstellung die Besucherinnen und Besucher auf eine falsche Fährte. Sie inszeniert dort über die vier Stockwerke hinweg einen Stoff, der wie kaum ein anderer Segen und Fluch zugleich ist: Öl. Das Schmiermittel für ökonomischen Wohlstand und Katalysator für den Klimakollaps erscheint erst verführerisch schön, doch je höher man im Ausstellungshaus steigt, desto deutlicher werden seine Verheerungen. Am Ende steht man auf einem Friedhof.
Es sind also existenzielle Fragen und hochpolitische noch dazu, welche die 40-jährige Künstlerin stellt, die aus dem Ölland Kuwait stammt und nun in Berlin lebt. Aber erst einmal empfängt sie die Ausstellungsgäste mit riesigen, lustig-bunten Skulpturen, die an der Decke schweben – die Molekularstruktur von petrochemischen Substanzen. Immer wieder hat sich Monira Al Qadiri mit Öl beschäftigt. Ihr Großvater, so erzählt sie bei der Präsentation ihrer Arbeiten in Bregenz, war Sänger bei den Perlenfischern. Inzwischen hat die Ölindustrie die Perlenfischerei verdrängt.
Al Qadiri möchte die Erinnerung daran wachhalten und schlägt dazu einen künstlerischen Bogen zum Öl: Bohrköpfe für die Erdölgewinnung, die im ersten Obergeschoss rotieren, versieht sie mit Oberflächen, deren Farben schimmern wie Perlen. Autolack in Kombination mit Aluminium und Kunststoff aus dem 3 D-Drucker ermöglichen den Glanz. Das erinnert, nebenbei bemerkt, an die ikonografischen Plastiken Jeff Koons’.
Von der kalten Maschinenhalle steigt man eine Etage höher in eine warme Unterwasserwelt. Das rote Licht und die wundervollen Seeschnecken in der Mitte des Saales täuschen zunächst darüber hinweg, dass hier der Schrecken beginnt. Mit sanften Stimmen unterhalten sich die beiden Meerestiere darüber, wie sie ihr Geschlecht wechselten und sich nun nicht mehr fortpflanzen können. Schuld daran ist das TBT, ein rötlicher Biozid-Farbstoff, mit dem der Schiffsrumpf der Öltanker gegen Algen und Muscheln geschützt werden sollen. Wenn TBT ins Wasser gelangt, schädigt er Lebewesen.
Auch der Friedhof ganz oben im Kunsthaus hat eine umwerfende Ästhetik. Kunsthausdirektor Thomas Trummer ließ einen neuen Boden einbringen. Strahlend weiß ist der Belag nun, von einer Spezialfirma aus dem Bregenzerwald geschaffen. Darauf liegen tote Vögel, pechschwarz und triefend vom Öl, das sie vom Himmel holte. Eine beklemmende Szenerie, die in ihrer brutalen Eindeutigkeit fast simpel wirkt. Die Künstlerin setzt auf Schockwirkung, gemäß dem Motto: Seht her, dieser angeblich so lebenswichtige Stoff bringt den Tod. Zugleich ist der Friedhof der Vögel Symbol für das drohende Ende der Zivilisation auf dem Planeten durch das Verbrennen von Öl.
Aber Monira Al Qadiri stellt damit auch eine Realität nach, die viele für nicht möglich hielten: Während des Golfkriegs in ihrem Herkunftsland Kuwait 1990/91 töteten Giftwolken aus hunderten von brennenden Ölquellen unzählige Tiere. Mit den Vögeln aus zerbrechlichem Glas erinnert die Künstlerin an diese gigantische Umweltkatastrophe.
Die Ausstellung läuft bis 2. Juli 2023 (geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr).
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