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Jazzfrühling in Kempten: Wie suchen die Organisatoren Bands und Musiker aus?

Jazzfrühling in Kempten

Wie sucht der Jazzfrühling Bands aus? Andreas Schütz und Josef Ego verraten es

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    Sie konzipieren das Programm des Kemptener Jazzfrühlings: Josef Ego (links) und Andreas Schütz.
    Sie konzipieren das Programm des Kemptener Jazzfrühlings: Josef Ego (links) und Andreas Schütz. Foto: Matthias Becker

    Herr Schütz, Herr Ego, Sie machen das Programm beim Kemptener Jazzfrühling. Wie planen Sie die 50 Konzerte?

    Andreas Schütz: Über die Bands der beiden Hauptkonzerte reden wir sehr intensiv. Anderes teilen wir auf. Josef Ego konzipiert beispielsweise die Konzertreihe im Theater-Oben, ich plane die „Women in Jazz“-Konzerte in der Kulturwirtschaft. Ums Bluescafé im „Stift“ kümmern wir uns beide.

    Was heißt „intensiv diskutieren“?

    Schütz: Wir stellen uns Fragen wie: Entspricht die Musik unseren Qualitätsansprüchen? Passt die Musik stilistisch? Wird die Band beim Publikum positive Emotionen wecken? Und: Können wir uns das leisten?

    Haben Sie unterschiedliche Vorstellungen, was auf die Bühne kommen soll?

    Josef Ego: Wir sind nicht immer gleicher Meinung. Aber wir einigten uns bislang immer.
    Schütz: Das ist jedoch kein hartes Diskutieren, sondern ein Austausch der Argumente.

    Haben Sie einen unterschiedlichen Jazz-Geschmack?

    Ego: Grundsätzlich ticken wir ähnlich. An allererster Stelle steht die musikalische Qualität. Und natürlich muss das verkaufbar sein, was wir anbieten. Auch beim Stilistischen denken wir ähnlich: Wir wollen nichts Flaches, Populäres bringen. Die letzten zehn Jahre hat sich beim Jazzfrühling eine ziemlich deutliche Richtung herauskristallisiert, und dafür stehen wir beide gemeinsam.

    Welche Richtung ist das? Verfolgen Sie eine künstlerische Leitlinie?

    Schütz: Die Musik muss mit einem Jazzgewand bekleidet sein, es darf kein reiner Pop oder Rock sein. Wir verstehen uns als Festival, das alles spiegelt: die Tradition und die Gegenwart. Mein Lieblingssatz lautet: Das Beständigste am Jazz ist die Veränderung. Die Entwicklung hat nie aufgehört. Und im Jazz hat vieles Platz.
    Ego: Ich finde, den Jazz macht eine gewisse Haltung aus. Die zeigt sich in der Energie, der Improvisation, der Offenheit, der Spontaneität. Für mich ist die große Stärke des Jazz seine Emotionalität. Nach dieser Haltung suche ich, wenn ich Bands und Musiker aussuche.

    Schütz: Hinzufügen würde ich den Begriff Freiheit. Jazzer nhemen sich live auf der Bühne viele Freiheiten – was wiederum Mut erfordert. Aber wie gesagt: Die Qualität der Musik muss stimmen. Und wir suchen immer auch nach dem Besonderen – damit der Funke im Konzert überspringen kann.

    Was meinen Sie damit?

    Schütz: Wir haben beispielsweise Abdullah Ibrahim verpflichtet, weil er ein außergewöhnlicher Musiker im hohen Alter ist. Oder wir suchen nach einer einmaligen Konstellation in einer Band. Oder eine Band, die aktuell eine wunderbare neue Platte herausgebracht hat. Zudem lassen wir uns nicht ausschließlich von unserem eigenen Geschmack leiten. Wir denken immer auch an das Publikum und vor allem die Vereinsmitglieder, die wir ja mit dem Festival repräsentieren.

    Stargast beim Jazzfrühling: Pianist Abdullah Ibrahim spielt bei einem der beiden Hauptkonzerte.
    Stargast beim Jazzfrühling: Pianist Abdullah Ibrahim spielt bei einem der beiden Hauptkonzerte. Foto: Peter Rauch

    Heißt das, Sie bringen auch Musik auf die Bühne, die Ihnen gar nicht so gut gefällt?

    Schütz: Nein, wir verbiegen uns nicht. Und wir wollen uns nicht an einen Mainstream anbiedern, indem wir vorwiegend namhafte Künstler verpflichten oder leichtere, weniger komplexe Musik bieten. Wir machen keine Abstriche an der Qualität oder an der Stilistik. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigt sich heuer besonders: Beide Hauptkonzerte sind schon ausverkauft – obwohl parallel zum Auftakt mit Roberto Fonseca Helge Schneider in der Big Box auftritt.
    Ego: Der super Kartenverkauf bei Fonseca zeigt zugleich, dass wir Musiker ohne große Namen bringen können. Mir war immer ein Anliegen, auch Musiker zu verpflichten, die nicht so bekannt, aber qualitativ herausragend sind.

    Die Verpflichtung von Jazzern aus der zweiten Reihe, die man nicht so kennt, kann aber auch ein Risiko sein. Hat man Ihnen vom Verein aus mal ein Stoppschild aufgestellt?

    Ego: Nein, auch weil wir die Grenzen kennen und einhalten. Zwar wurde meine Programmierung im Theater-Oben früher hinter vorgehaltener Hand schon mal kritisiert. Aber Hansjürg Hensler, der frühere Jazzfrühling-Chef, hat mich immer machen lassen.

    Und die Defizite waren nie erschütternd?

    Ego: Nie. Die Gagen im Theater-Oben gingen ja nicht in den fünfstelligen Bereich, wo es hätte gefährlich werden können. Schütz: Erschüttert hat uns niemals etwas, seitdem ich dabei bin. Alle unsere Konzerte sind defizitär, das eine mehr, das andere weniger. Damit wir am Ende bei einer schwarzen Null landen, brauchen wir – neben der ehrenamtlichen Arbeit – die Beiträge der Vereinsmitglieder, die Eintrittsgelder sowie Geld von Sponsoren und Zuschüsse der öffentlichen Hand. Es war ein paar Mal knapp, und es wird sicher auch wieder knapp. Aber anders ist solch ein kulturelles Highlight nicht machbar.

    Deshalb müssen Sie beim Booking auch die Kosten mitdenken?

    Schütz: Ja, immer. Übrigens ist das Risiko bei Musikern aus der zweiten Reihe kleiner, als bei bekannten Namen, wo die Gagen noch deutlich höher sind. Wenn da Plätze leer bleiben, ist das Defizit erheblich größer. Wir haben uns beim Publikum Vertrauen aufgebaut. Es weiß: Wir bieten gute Musik, auch wenn die Namen nicht immer bekannt sind.

    Aber einen großen Namen verpflichten Sie in der Regel schon.

    Ego: Ja. Damit können wir auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien wecken. Und uns an der herausragenden Musik laben.

    Publikums-Lieblinge beim Jazzfrühling: Henry Heggen (links) und Abi Wallenstein sind beim Festival in Kempten gesetzt.
    Publikums-Lieblinge beim Jazzfrühling: Henry Heggen (links) und Abi Wallenstein sind beim Festival in Kempten gesetzt. Foto: Ralf Lienert

    Wie lange dauert es, bis ein Programm mit Dutzenden von Konzerten steht?

    Ego: Wir beginnen mit dem Nachdenken über das nächste Festival unmittelbar nach dem Ende des letzten Festivals. Mit dem Buchen starten wir etwa zwei Monate später, also im Sommer. Vor Weihnachten sollte das Programm dann weitgehend stehen.

    Suchen Sie sich gezielt Bands und Musiker aus und sprechen diese an? Oder wählen Sie eher aus Bewerbungen aus?

    Schütz: Wir erhalten viele Anfragen, und das freut uns natürlich, weil wir sehen: Unser Festival ist gefragt. Aber in der Summe suchen wir eher gezielt. Nur damit können wir ein Programm mit einer Qualität machen, wie wir sie uns vorstellen. Beispiel „Women in Jazz“-Reihe: Da habe ich bewusst nach internationalen, interkulturellen Bands gesucht.
    Ego: Die aktive Suche nach Bands und Musikern ermöglicht es uns, künstlerisch spannende Musik nach Kempten zu holen. Und wir glauben zu wissen, was zu unserem Publikum passt. Was aber leider nicht immer gelingt. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit Musikern meist leichter als mit Agenturen.

    Bringt internationales Flair zum Jazzfrühling mit: die ukrainische Sängerin und Komponistin Ganna Gryniva.
    Bringt internationales Flair zum Jazzfrühling mit: die ukrainische Sängerin und Komponistin Ganna Gryniva. Foto: Dovile Sermokas

    Sie gehen also anstatt auf Agenturen lieber direkt auf Musiker zu?

    Ego: Meistens. Dann frage ich: Kriegen wir das auch ohne Agentur hin? Oft klappt das. Bei großen Namen aber geht es nur über Agenturen – leider. Dort ist oft kein Verständnis vorhanden für die Situation eines regionalen Veranstalters wie wir. Und ich muss über Gagenvorstellungen verhandeln, die weit weg von einer realistischen Marktsituation sind.
    Schütz: Wobei wir immer versuchen, faire Gagen zu zahlen. Da können wir uns deutschlandweit sehen lassen.

    Gibt es Konzertbesucher, die Sie direkt ansprechen – um zu loben, oder um Sie zu kritisieren für die Auswahl von Bands und Musik?

    Ego: Allerdings! Ich habe schon erlebt, wie sich Besucher mit Handschlag bei mir oder bei den Musikern bedankt haben. Und neulich hat mir jemand gesagt: Das Programm heuer ist allererste Sahne.
    Schütz: In persönlichen Gesprächen höre ich fast nur Positives. Da wollen Menschen bewusst danke sagen dafür, dass wir ihnen besondere Momente schenken mit den Konzerten. Kritik lesen wir eher in Schriftform, in E-Mails oder Briefen. Der Kritik stellen wir uns.

    Bauen Sie gezielt Jazzer ins Programm ein, die im Allgäu leben oder aus dem Allgäu stammen?

    Ego: Früher gab’s mal eine Reihe mit „Allgäu-Jazz“. Die ist aber irgendwann nicht mehr gut angekommen. Heuer starten wir mit dem „Fokus Allgäu“: Künftig soll es mindestens ein Konzert pro Festival mit einem Allgäuer Protagonisten und dessen Musikvorstellung geben. Mal schauen, wie die Resonanz ist. Die Szene im Allgäu hat sich ja unglaublich gut entwickelt – mit Tiny Schmauch in Kaufbeuren, der Musikakademie in Marktoberdorf und mit dem Jazzfrühling bei uns hier in Kempten. Es gibt inzwischen viele Allgäuer Musiker mit professioneller Qualität.
    Schütz: Abgesehen davon sind bei jedem dritten Festivalkonzert Allgäuer Musiker dabei. Der regionale Bezug ist uns wichtig.

    Mehr zum Jazzfrühlings 2024, speziell zum Auftakt am Samstag, 27. April, erfahren Sie hier.

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