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Nachruf auf Historiker: Leidenschaftlicher Forscher in der Allgäuer Geschichte: Dr. Wolfgang Hartung ist tot

Nachruf auf Historiker

Leidenschaftlicher Forscher in der Allgäuer Geschichte: Dr. Wolfgang Hartung ist tot

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    Starb im Alter von 78 Jahren: Dr. Wolfgang Hartung. Jahrelang kümmerte er sich um das Archiv von Scheidegg.
    Starb im Alter von 78 Jahren: Dr. Wolfgang Hartung. Jahrelang kümmerte er sich um das Archiv von Scheidegg. Foto: Matthias Becker (Archiv)

    „Ich habe viele Projekte am Laufen“, sagte Dr. Wolfgang Hartung vor etlichen Jahren einmal in einem Gespräch mit unserer Zeitung. „Deshalb muss ich 100 Jahre alt werden.“ Dieser Wunsch ist dem Allgäuer Heimatforscher und Geschichtsprofessor mit Faible für das Mittelalter nicht erfüllt worden. Vor einigen Tagen ist der Scheidegger im Alter von 78 Jahren gestorben.

    Hartung, der in Scheidegg aufwuchs, war ein Forscher mit Leib und Seele. Nach dem Studium der Geschichte, Soziologie, Germanistik und Romanistik in München sowie der Promotion 1971 arbeitete er an der Universität Duisburg. Erst war er wissenschaftlicher Mitarbeiter, ab 1989 Professor. Das Mittelalter interessierte ihn damals schon: Seine Habilitationsschrift befasste sich mit den Merowingern in Süddeutschland.

    Nach der Emeritierung 2011 zog es Wolfgang Hartung erst recht hinaus in die Welt: Zunächst war er Professor in der russischen Stadt Saratow, dann Gastprofessor in Marokko. Im Jahr 2015 kehrte Hartung dorthin zurück, wo er aufgewachsen war.

    Die Gemeinde Scheidegg bat ihn, sich des Dorfarchivs anzunehmen. Was er denn auch in unzähligen Arbeitsstunden ehrenamtlich erledigte. Dafür hat ihm die Marktgemeinde die silberne Ehrennadel verliehen. „Er hat enorme Aufbauarbeit geleistet“, sagt Bürgermeister Uli Pfanner. Bald leitete er auch den örtlichen Geschichts- und Heimatverein.

    Der Wirkungskreis des ebenso rührigen wie leidenschaftlichen Forschers blieb aber nicht auf Scheidegg begrenzt. Bald beauftragte ihn der Heimatbund Allgäu, mehr Licht in die dunklen Anfänge der Region im 8. Jahrhundert zu bringen. Dafür tauchte der Geschichtsprofessor im Ruhestand tief in die Geschichte der Alamannen rund um den Bodensee ein, die seiner Erkenntnis nach das Allgäu von Westen her in Besitz nahmen. Dazu wälzte er auch die Urkunden-Bücher des Klosters St. Gallen, das eng mit der Entstehung des Ur-Allgäus verknüpft war.

    Sein Blick richtete sich nicht nur auf Daten und Fakten. Für Wolfgang Hartung standen der Mensch und die gesellschaftlichen Strukturen im Zentrum des Forschungsinteresses. „Es geht mir immer um Sozialgeschichte“, sagte er einmal. Dabei tat er auch das, was gute, also kritische Forscher tun: das scheinbar Gesicherte in Frage zu stellen. Damit machte er sich nicht nur Freunde.

    Disputen ging Wolfgang Hartung nicht aus dem Weg. Wenn er es für nötig hielt, sagte er öffentlich seine Meinung, teilte klar und deutlich seinen Erkenntnisstand mit.

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