Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

ME CFS: Corona-Forschung als Hoffnungsträger für Patienten

Gesundheit

Corona-Forschung als Hoffnungsträger für Patienten mit ME CFS

    • |
    • |
    Bärbel Vogel in ihrem „Wohnbett“ in ihrem Zuhause. So weit es geht, erledigt sie alles von dort aus. Die 55-jährige leidet an einer Krankheit, die ihr ein normales Leben nicht mehr ermöglicht.
    Bärbel Vogel in ihrem „Wohnbett“ in ihrem Zuhause. So weit es geht, erledigt sie alles von dort aus. Die 55-jährige leidet an einer Krankheit, die ihr ein normales Leben nicht mehr ermöglicht. Foto: Vogel

    26 Grad ist ihre Wohlfühltemperatur. Deshalb hat der Heizkörper bei Bärbel Vogel in Nesselwang fast das ganze Jahr Hochkonjunktur. Grund dafür ist ihre Überempfindlichkeit für Temperaturänderungen. Vogel kommt mit Hitze oder Kälte nicht mehr zurecht. Ihr Körper kann sich Veränderungen nur schwer anpassen. Denn Vogel leidet an einer Krankheit, die zwar nicht selten ist, aber kaum bekannt – und wenig erforscht. Es ist die Myalgische Enzephalomyelitis mit dem Chronischen Fatigue-Syndrom, kurz ME CFS. Es ist eine Krankheit, die Vogel das Aufstehen schwer, das Einkaufen selten und Arbeiten ganz undenkbar macht. „Ich kann nicht mehr am Leben teilnehmen, weil ich im Bett rumliege,“ sagt die 55-Jährige. Und das seit über drei Jahren. Doch fast scheint es so, als gebe es endlich Hoffnung für die von Experten geschätzten 300. 000 an ME CFS erkrankten Menschen in Deutschland.

    Denn Covid-19 hat nicht nur den Alltag vieler Menschen durcheinanderwirbelt, sondern auch die Forscher in der Medizin angespornt. Mittlerweile gibt es auch Medikamente gegen Folgeerscheinungen einer Corona-Infektion. Eines davon ist BC 007, das sich noch in der Testphase befindet. Ein Studienteilnehmer aus dem Allgäu hat seit der Einnahme des Medikaments allerdings keine Beschwerden mehr. Das hat Bärbel Vogel in der Allgäuer Zeitung gelesen – und sich sofort schlau gemacht. Denn die Symptome einer Long-Covid-Erkrankung erschienen ihrem Krankheitsbild sehr ähnlich. Sie ist die meiste Zeit am Tag ans Bett gefesselt, ihr Leben steuert sie von dort aus. Um sie herum liegt deshalb alles, was sie den Tag über brauchen kann: Laptop, Stricksachen, Wasser. Sie sagt: „Ich lebe in einem Wohnbett.“

    Long Covid und ME CFS: Krankheitsbilder ähneln sich

    Für Menschen, die an ME CFS erkrankt sind, können kleine Dinge wie Zähneputzen schon zur Tortur werden. „Es ist eine absolute Kraftlosigkeit,“ erklärt Birgit Gustke vom Verein „fatigatio“ die Krankheit. Dieser setzt sich für die Erkrankten und deren Angehörige ein und versucht, den Betroffenen in Medizin und Politik Gehör zu verschaffen. Dabei ist das Krankheitsbild bereits seit 1969 bekannt – nur geforscht wird daran bisher sehr wenig. Deshalb liege der Wissensstand im Vergleich zu ähnlichen Krankheiten um 30 Jahre zurück, sagt Gustke.

    Das könnte ausgerechnet die Pandemie ändern – auch durch die Forschung am Covid-Medikament BC 007. Denn beide Krankheiten eint, dass ihnen wohl eine Virusinfektion zu Grunde liegt. Im Falle Vogels war es das Pfeiffersche Drüsenfieber. Ob sich dieser Verdacht bestätigt, wird nun eine neue Studie mit ME CFS-Patienten zeigen. Die Universität Erlangen ist überzeugt, dass das Medikament bei Long-Covid- und ME CFS-Patienten wirkt. Eine der leitenden Ärztinnen, Dr. Bettina Hohberger, hofft, mit der Studie eine wissenschaftliche Basis schaffen zu können. Die Krankheitsbilder seien sich enorm ähnlich, erklärt sie. So hätten Betroffene einer Long-Covid-Erkrankung ähnliche Auto-Antikörper wie ME CFS-Patienten.

    Betroffene leiden häufig unter Fehldiagnosen

    Doch nicht nur die Forschung ist für Betroffene ein Problem. Da die Krankheit bislang weitestgehend unbekannt war, leiden sie häufig unter Fehldiagnosen. Denn die Symptome können denen einer Depression ähneln, unterscheiden sich aber grundlegend in immunologischen Parametern, erklärt Gustke. Bewegen sich Betroffene, unternehmen Spaziergänge oder ähnliches, kann das ihren Zustand deutlich verschlechtern. Anders als bei Patienten mit Depressionen.

    Das musste auch Bärbel Vogel schmerzlich lernen – und ihre Hobbys im Strickkreis und im Chor aufgeben. Was ihr bleibt, sind die Freunde von damals und deren Verständnis. Und ihr Vorsitz im Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Es tue ihr gut, eine Aufgabe zu haben, nützlich zu sein. Corona habe ohnehin Tagungen verhindert, den Rest könne sie online erledigen. Die Pandemie mag für viele einen Einschnitt bedeutet haben – für Bärbel Vogel bringt sie auch ein Stück Hoffnung.

    Lesen Sie auch: Long-Covid-Patient aus dem Ostallgäu will mit seiner Geschichte anderen Mut machen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden