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Bundestagswahl 2021 - Experte analysiert Wahlplakate der Direktkandidaten Wahlkreis 257 Ostallgäu

Wahlkreis 257

Wahlplakate im Allgäu analysiert: Von "Althergebracht" bis "Ein echter Hingucker"

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    Die acht Kandidaten des Bundestagswahlkreises 257 Ostallgäu (von links oben nach rechts unten): Stephan Stracke (CSU), Regina Leenders (SPD), Christian Sedlmeir (AfD), Kai Fackler (FDP), Daniel Pflügl (Grüne), Susanne Ferschl (Die Linke), Mariana Braunmiller (Freie Wähler) und Alexander Abt (ÖDP).
    Die acht Kandidaten des Bundestagswahlkreises 257 Ostallgäu (von links oben nach rechts unten): Stephan Stracke (CSU), Regina Leenders (SPD), Christian Sedlmeir (AfD), Kai Fackler (FDP), Daniel Pflügl (Grüne), Susanne Ferschl (Die Linke), Mariana Braunmiller (Freie Wähler) und Alexander Abt (ÖDP).

    Auf der Fahrt ins Büro oder zum Einkaufen – überall freundliche Gesichter. Zumindest auf den Wahlplakaten, die derzeit an Laternenmasten, Litfaßsäulen und Wänden prangen und um Wählerstimmen buhlen. Aber ist diese Art der Wahlwerbung im Zeitalter von Facebook, Twitter und Co. überhaupt noch sinnvoll? „Durchaus“, sagt Professor Dr. Uwe Stratmann: „Mit Plakaten können immer noch viele Wähler erreicht werden.“ Der 44-Jährige unterrichtet an der Hochschule Kempten in den Bereichen internationales Management, Marketing und Vertrieb. Nach seinen Worten werden Wahlplakate auch nicht so schnell verschwinden. Aber sie werden künftig immer mehr zu einem Baustein in einem Gesamtkonzept. Die Herausforderung an die Wahlkampfstrategen werde sein, die unterschiedlichen Kommunikationskanäle – wie etwa Zeitung, Internet, Hörfunk und Fernsehen – besser miteinander zu verbinden. „Hier stehen die Parteien alle noch am Anfang“, sagt der Marketing-Experte. Für die MZ hat er die nebenstehenden Plakate von Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis 257 Ostallgäu, zu dem auch Memmingen und Teile des Unterallgäus gehören, analysiert. Laut dem Professor sind vor allem zwei Dinge bei einem Plakat wichtig: Es muss Aufmerksamkeit erregen und den Nerv der Zielgruppe treffen.

    Plakat von Stephan Stracke (CSU): „Sehr konservativ und wenig kreativ“

    Das Plakat von Stephan Stracke bezeichnet Stratmann als sehr konservativ und wenig kreativ. „Das ist der klassische Ansatz von vor 20 Jahren.“ Der Kandidat sei zwar fotografisch gut in Szene gesetzt und stehe klar im Fokus. Es fehle aber eine Botschaft: „Man weiß aufgrund des Plakats nicht, wofür der Bewerber steht oder was er erreichen möchte.“ Die Plakatmacher würden wohl davon ausgehen, dass sie mit Stracke eine „starke Marke“ mit einem bekannten Profil haben. Die Zielgruppe wisse demnach, was sie bekommt, wenn sie den CSU-Mann wählt, der bereits seit zwölf Jahren im Bundestag sitzt. Somit erreiche Stracke mit dem Plakat durchaus seine Stammwähler, erobere aber wohl keine neuen Wählerstimmen.

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    Plakat von Regina Leenders (SPD): „Ein echter Hingucker“

    „Hier steckt eine gestalterische Idee, ein bundesweites Konzept dahinter“, sagt Stratmann: „Kennt man ein SPD-Plakat – kennt man alle. Das Rot ist ein echter Hingucker. Man erkennt aus 250 Metern, dass da vorn ein SPD-Plakat hängt. Die Plakate haben einen hohen Wiedererkennungswert.“ Nachteil des bundesweiten Kampagnen-Konzepts sei aber, dass der jeweilige Kandidat etwas untergehe. „In diesem Raster ist es schwierig, auf lokaler Ebene etwas Eigenes zu machen“, sagt der Professor. So fehle auf dem Plakat eine entsprechende Botschaft. Darüber hinaus sei es so „durchgestylt“, dass es jüngere Menschen ansprechen soll. Die SPD ziele somit nicht nur auf ihre Stammwähler ab, sondern möchte neue, junge Stimmen hinzugewinnen.

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    Plakat von Christian Sedlmeir (AfD): „Althergebracht und vage Aussagen“

    Auffällig bei AfD-Wahlplakaten ist in Uwe Stratmanns Augen, „dass die Aussagen zumeist offen gehalten werden und somit interpretierbar sind“. Das gelte beim vorliegenden Beispiel sowohl für die Worte „Jetzt erst Recht“ als auch für „Deutschland. Aber normal“. Hier stelle sich der Betrachter die Frage: Was soll das heißen? Steht zum Beispiel das groß geschriebene „Recht“ für Gesetz und Ordnung, für den Rechtsstaat oder für rechte Partei. Aus gestalterischer Sicht ist das Plakat laut Stratmann althergebracht und farblich an konservative Parteien angelehnt. Der Kandidat im Anzug mit Krawatte und in Verkäuferpose stehe für einen Lebensstil der Vergangenheit. Die Partei wolle damit in erster Linie wohl konservative Wähler ansprechen.

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    Plakat von Kai Fackler (FDP): Im Schatten von Parteichef Lindner

    Das Gestaltungskonzept der FDP ist laut Stratmann stark auf Parteichef Christian Lindner zugeschnitten. Selbst der erst 19-jährige Kai Fackler wirke mit Hemd und Sakko wie eine Art Kopie von Lindner. Auf diese Weise würde der junge Kandidat wohl nicht bei jungen Wählern punkten. „Letztlich verblassen die einzelnen Kandidaten bei dieser Kampagne komplett“, sagt der Marketing-Fachmann: „So ist es natürlich schwer, ein eigenes Persönlichkeitsprofil aufzubauen.“ Die Kandidaten auf den Plakaten würden letztlich wie Kofferträger des Parteivorsitzenden und austauschbar wirken. Zudem errege die Schwarz-Weiß-Optik wenig Aufmerksamkeit. Gut verständlich sei dagegen die Botschaft, die Grundwerte der FDP aufgreife.

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    Plakat von Daniel Pflügl (Grüne): Partei steht im Vordergrund

    Wie die SPD haben auch die Grünen nach Meinung von Professor Stratmann ein starkes, bundesweites Gestaltungskonzept mit einem hohen Aufmerksamkeitsfaktor und einem ebenso hohen Wiedererkennungswert. Durch den Grünschleier bestehe aber die Gefahr, dass die gezeigte Person etwas untergehe. Der Fokus liege letztlich stärker auf der Partei. Zugleich verweist Stratmann auf andere Plakate der Grünen, die keine Kandidaten zeigen, sondern junge Leute von unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Darauf sind Botschaften zu lesen, wie zum Beispiel: „Kommt, wir bauen das neue Europa.“ Mit diesen Plakaten und einem „starken digitalen Wahlkampf“ sprechen die Grünen nach Stratmanns Worten gezielt jüngere Wähler an.

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    Plakat von Susanne Ferschl (Die Linke): „Ohne viel Klimbim“

    Von einer „soliden Kampagne, die sich über die Jahre nicht groß verändert hat“, spricht Stratmann mit Blick auf das Plakat von Susanne Ferschl. Das Foto sei professionell gemacht und die Botschaft eindeutig. Worte wie „gemeinsam“ und „gerecht“ verbinde jedermann mit etwas Positivem. Zudem lächle die Kandidatin den Betrachter zuversichtlich an. Etwa nach dem Motto: Zusammen schaffen wir das. Besonders innovativ sei das Plakat freilich nicht. „Das ist Wahlwerbung ohne viel Klimbim“, stellt der Kemptener Hochschullehrer nüchtern fest. Aber „Die Linke“ möchte seiner Meinung nach aber auch nicht als „hippe Partei“ wahrgenommen werden. Vielmehr würden die Linken die Nähe zu den Bürgern suchen.

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    Plakat von Mariana Braunmiller (Freie Wähler): Plakat mit Verwechslungsgefahr

    „Von den Freien Wählern hätte ich mir mehr Mut bei der Gestaltung erwartet“, sagt Professor Stratmann. Stattdessen sei das Plakat sehr konservativ – ähnlich wie bei der CSU. Allerdings seien die Freien Wähler noch keine so „starke Marke“ wie die Christsozialen. Deshalb wäre es besser gewesen, bei der Gestaltung neue Wege zu gehen. So hätten die FW – die ja in vielen Gemeinderäten vertreten sind – bei den Plakatbotschaften auf lokale Themen setzen können. Stattdessen erfahre man nichts darüber, wofür die Kandidatin steht. Hinzu komme noch der orange Plakat-Hintergrund, der eine gewisse Verwechslungsgefahr mit sich bringe, denn Orange werde von vielen kleineren Parteien und Gruppierungen verwendet.

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    Plakat von Alexander Abt (ÖDP): „Solide und frisch“

    Für eine der kleineren Parteien, denen in der Regel nicht besonders viel Geld für Wahlwerbung zur Verfügung steht, sei das Plakat solide gemacht. „Es sieht professionell aus“, lobt Stratmann. Zwar bestehe wegen der orangen Farbgebung wie bei den Freien Wählern eine Verwechslungsgefahr. Dennoch würde dieses Plakat mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Es wirkt frischer.“ Darüber hinaus habe es eine Botschaft mit emotionalem Charakter. „Fairness für Alle!“ sei zwar eine Floskel, aber sie spreche jeden an. Denn – wer möchte nicht gerecht behandelt werden? Dieses Plakat mit seiner positiven Botschaft könne nach Meinung des Hochschulprofessors durchaus eine Wirkung bei noch unentschlossenen Wählern entfalten.

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