Nach dem Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz am Mittwochabend im Kleinwalsertal ist jetzt Kritik am Ablauf der Veranstaltung laut geworden.
Kanzler Kurz kam ohne Maske
Nach dem Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (33, ÖVP) am Mittwochabend im Kleinwalsertal ist Kritik am Ablauf der Veranstaltung laut geworden. Empörung herrscht in sozialen Netzwerken, weil mehrfach Sicherheitsabstände nicht eingehalten wurden. „Ich bitte euch, a bisserl Abstand zu halten“, hatte Kurz zwar zu den vielen Bürgern gesagt, die gegen 20 Uhr vors Walserhaus in Hirschegg gekommen waren. Doch diese Bitte wurde ignoriert. Viele wollten ein Erinnerungsfoto vom Kanzler im Walsertal machen und drängten nach vorne.
Sehen Sie hier im Video, wie Sebastian Kurz um die Einhaltung der Abstände bittet:
Auch beim ersten Auftritt von Kurz an der Walserschanz hielten Medienvertreter im Kampf um die besten Bilder nicht immer die erforderlichen Sicherheitsabstände ein. Der Kanzler mahnte zu etwas mehr Disziplin: „Bitte Abstände halten“ und: „Wir haben alle Zeit der Welt“. Er selbst trug keine Maske und hatte sich auch keine symbolisch um den Hals gehängt.
Sepp Schellhorn, Abgeordneter des Neuen Österreich und Liberalen Forums (NEOS), kündigte nach einem Bericht des ORF und der Vorarlberger Nachrichten in einem Tweet eine Anzeige gegen den Kanzler an. „Das ist ja unglaublich“, wird er zitiert. Kulturschaffende, Wirte und Filmemacher müssten sich über Hygienebestimmungen den Kopf zerbrechen. „Und dann das“, fährt er fort.
Herr @karlnehammer walten Sie Ihres Amtes ! Wir werden eine Anzeige einbringen ! https://t.co/EWIhfCHRoC — Sepp Schellhorn (@pepssch) May 13, 2020

Kurz war am Mittwochabend per Auto von Wien in die österreichische Exklave gekommen. Im Kleinwalsertal fand sozusagen die Premiere einer Besuchsreihe in allen österreichischen Bundesländern statt. Für die Fahrt durch Deutschland benötigte die Kanzlerlimousine – ein schwarzer BMW – sogar eine Transitgenehmigung des bayerischen Innenministeriums. In seiner Ansprache erwähnte Kurz „die gute Nachricht im Gepäck“, die aber bereits bekannt war: Weitere Erleichterungen an den Grenzen würden schrittweise eingeführt, zum 15. Juni seien dann auch wieder für Deutsche touristische Aufenthalte in Österreich möglich.
Die Menschen jubelten Kanzler Kurz zu
In einem langen Konvoi waren Kurz, zahlreiche Medienvertreter sowie Vorarlberger Politiker nach der Begrüßung an der Walserschanz bis zum Walserhaus in Hirschegg gefahren. Viele Menschen – darunter zahlreiche Kinder – jubelten dem Kanzler zu und hielten Plakate in die Höhe: „Herzlich willkommen, Herr Kurz.“ Mit rot-weiß-roten Fähnchen winkten viele dem Besuch aus Wien zu.
Die Kanzlerlimousine hielt immer wieder an. Kurz stieg aus, begrüßte die jubelnden Walser und ließ sich fotografieren – ein Bild mit dem Kanzler fürs Familienalbum. Und noch eins, und noch eins. Eine Frau in Tracht sang ihm das Walserlied vor. Kurz klatschte. Grob geschätzt 150 Menschen waren zum Walserhaus gekommen, wo der Kanzler sie begrüßte. „Ich danke Euch vielmals fürs Durchhalten“, wandte sich der Kanzler an die Walsertaler.
Schließlich seien die Menschen in der Exklave durch die besondere Lage ohne direkte Verkehrsverbindung nach Österreich besonders drastisch von Lockdown und Grenzschließungen betroffen gewesen. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner erwähnte in einem kurzen Statement, dass es im Kleinwalsertal derzeit keinen einzigen Infizierten gebe.
Was im nichtöffentlichen Gespräch passiert ist
Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtete der Kleinwalsertaler Bürgermeister Andi Haid, im nichtöffentlichen Gespräch mit Politikern und Touristikern sei es unter anderem erneut um die Grenzöffnungen gegangen. Eine Sonderregelung für die Exklaven werde es nicht geben. Haid: „Aber wir sind zumindest froh, dass wir jetzt eine klare Perspektive haben und der Sommertourismus am 15. Juni anlaufen kann.“ Nach den Worten des Rathauschefs wurde auch darüber gesprochen, wie künftig in einem ähnlichen Krisenfall gehandelt werden könnte. Laut Haid soll zwischen beiden Ländern ein Konzept für die Exklaven erarbeitet werden.
Haid war nach eigenen Worten selbst überrascht, wie viele Menschen zum Walserhaus gekommen waren. Er erklärte das mit „Emotionen, Freude und Aufbruchstimmung“ in der Bevölkerung nach wochenlanger Quarantäne. Nur so könne er sich erklären, dass die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände nicht von allen eingehalten wurden.
Mit ihrer Aufforderung, zum Besuch des Kanzlers die Häuser zu beflaggen, hatte die Kleinwalsertaler Gemeindeverwaltung im Vorfeld für Verwunderung und Kritik gesorgt. Dies könne politisch falsch verstanden werden, so die Kritiker. Die Gemeinde nannte es hingegen „ein Zeichen der Wertschätzung“ gegenüber dem Kanzler.
Das Thema wird heiß diskutiert, hier lesen Sie die Meinung unseres Autors Michael Munkler.