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Schadenersatz nach tragischem Unfall

Kempten/Sulzberg

Schadenersatz nach tragischem Unfall

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    Breitachklamm
    Breitachklamm Foto: Klaus Kiesel

    Der 22. April 2014 ist der Tag, der das Leben der Familie von Berg- und Dokumentarfilmer Gerhard Baur (73) aus dem Oberallgäuer Sulzberg radikal verändert hat. An jenem Tag verunglückte der damals 36 Jahre alte Sohn Fridolin bei Dreharbeiten in der Breitachklamm. Diese sollte er im Auftrag einer Produktionsfirma für den Fernsehsender Servus TV durchführen. Fridolin Baur wollte das Fällen eines großen, morschen Baums dokumentieren, der danach in die Schlucht krachen sollte. Doch die aus Totholz bestehende Fichte drehte sich unglücklich, schlug auf einem Felsabsatz auf und zerbrach in drei Teile.

    Der Kameramann wurde von einem Teil des Baums getroffen und schwerst verletzt. Dieser Unfall hatte jetzt ein weiteres juristisches Nachspiel vor dem Kemptener Landgericht. In dem Zivilverfahren wurde die Breitachklamm-Genossenschaft dazu verpflichtet, dem heute 42-Jährigen „sämtliche immateriellen und materiellen Schäden zu ersetzen“, wie es im Urteil heißt.

    Nach dem Unglück, bei dem Fridolin Baur unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte, lag der selbstständige Kameramann mehr als zwei Monate lang im Koma. Es folgten verschiedene Reha-Aufenthalte. Seine Frau und die Familie des Bergfilmers Gerhard Baur kümmerten sich rund um die Uhr um den Vater eines elf Jahre alten Buben. Der Verunglückte musste alles wieder lernen: Bewegen, sprechen, gehen. Und viele Erinnerungen an das Leben vor dem schrecklichen Unfall mussten regelrecht in das Bewusstsein zurückgeholt werden.

    Es habe viele kleine Fortschritte gegeben, über die man sich gefreut habe, schildert der Vater. Doch es gibt nichts zu beschönigen: Sein Sohn Fridolin Baur ist auf den Rollstuhl angewiesen und wird wohl nie mehr in seinem Leben arbeiten können. Gerhard Baur wird mit seinem Sohn nie mehr das machen können, wovon er geträumt hatte: beispielsweise Skifahren, Klettern oder Radeln.

    Die dritte Zivilkammer des Landgerichts Kempten hat die Breitachklamm-Genossenschaft dazu verpflichtet, für den durch das Unglück entstandenen Schaden in voller Höhe aufzukommen, „soweit Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind...“, wie es in dem Urteil heißt. Die Richter bemängeln unter anderem, dass vor dem Fällen des Baums „keine Gefährdungsbeurteilung“ durchgeführt worden sei. Dies sei aber notwendig gewesen, zumal beim Fällen der Fichte ein Filmteam anwesend war. Auch ein „Auswahlverschulden“ lastete das Gericht den Klamm-Betreibern an: Laut Sachverständigen seien die beiden Männer, die seinerzeit die Fichte gefällt hatten, „nicht ausreichend sachkundig dafür“ gewesen.

    Ein Mitverschulden des Filmteams konnte die Zivilkammer laut Urteilsbegründung nicht erkennen. Auch könne nicht von einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Haftungsausschluss ausgegangen werden, heißt es in der Urteilsbegründung. Gegen das Urteil kann innerhalb von sechs Monaten Beschwerde eingelegt werden.

    Das Sonthofener Amtsgericht hatte die beiden fest angestellten Klammarbeiter, die damals den Baum gefällt hatten, wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 90 Tagessätzen in Höhe von je 40 Euro verurteilt. Laut Expertise war beim Fällen der Bäume gegen einschlägige Vorschriften verstoßen worden. Ein Gutachter hatte eine solche Arbeit in einer wilden Klamm die „Königsklasse der Holzfällerei“ genannt.

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