Ab und zu sieht man es im Allgäu: Ein Reh am Wegesrand. Sucht es etwas zu Fressen, fragen sich in diesen Momenten etliche Menschen. Dann setzt die Tierliebe ein und die Sorgen beginnen. Geht es den Tieren im Wald überhaupt gut? Jetzt, wo Schnee liegt und die Futtersuche so schwierig ist?
Peter Sandleitner und Roland Schörkhuber sind von Beruf Jäger in Ottobeuren (Unterallgäu) und Schwangau (Ostallgäu) und versichern: Wir kümmern uns um die Waldbewohner. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklären sie, warum Wildfütterungen von Jägern durchgeführt werden sollten und wie Bürgerinnen und Bürger wirklich helfen können.
Warum sind Waldtiere heutzutage auf das Futter von Menschen angewiesen?
Peter Sandleitner: Das Rehwild würde im Winter ohne den Menschen zwar nicht verhungern, weil es im Herbst Reserven bildet. Aber es ist nicht dasselbe wie früher. Früher konnte sich das Wild unbedarft auf den Wiesen vollfressen. Heute wird es allerdings dauerhaft von Menschen gestört und die Wiesen sind überdüngt. Deswegen füttere ich seit Jahrzehnten sowohl im Sommer als auch im Winter.

Roland Schörkhuber: Man hat dem Rotwild die Abwanderung ins Flachland - in die natürlichen Überwinterungsgebiete - verbaut. Eigentlich würde es bis in die Auenregionen wandern und sich dort den Winter über ernähren. Weil das aber nicht mehr möglich ist, bleiben die Tiere hier. Dadurch entsteht folgendes Problem: Das Wild im Allgäu hat mehr nicht genügend Futter. Es braucht pro Tag fünf bis sieben Kilo Fressen - so viel findet es nicht ohne Unterstützung. Wir Jäger verhindern mit unseren Fütterungen, dass die Tiere ihren eigenen Lebensraum, den Wald, zerstören und somit auch wirtschaftlichen Schaden anrichten. Ohne das menschliche Futter würde zum Beispiel das Rotwild Rinden und Knospen fressen.
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Verlernen die Wildtiere so nicht die eigenständige Suche nach Futter?
Peter Sandleitner: Gewisserweise ja. Das menschliche Füttern ist meiner Meinung nach aber die einzige Möglichkeit, das Wild noch zu retten.
Roland Schörkhuber: Ich denke, dass es für diese Tiere nicht möglich ist, diese grundlegende Funktion zu verlernen.
Darf ich eigenständig Futter für die Tiere - wie etwa meine Bio-Abfälle - in den Wald bringen?
Peter Sandleitner: Man muss wissen, was etwa das Rehwild will. Heute kam ein Bauer auf mich zu, der mir Silage für die Waldtiere angeboten hat. Das fand ich schön. Aber im Endeffekt bestimme ich, was die Tiere in meinem Gebiet zu Fressen bekommen. Bevor ich es wegschmeiße, bringe ich oft Bio-Abfälle von mir und meinen Nachbarn in den Wald. Das selektieren die Dachse, Füchse und anderen Tiere dann. Aber das bestimme wie gesagt ich, ansonsten wird der Wald zum Saustall.
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Roland Schörkhuber: Es ist nett, dass sich viele Leute Sorgen um das Wild machen. Aber leider machen unerfahrene Menschen durchs falsche Füttern mehr kaputt als richtig - sowohl für die Tiere, als auch für ihren Lebensraum. Das Rotwild etwa ist ein Wiederkäuer und braucht unter anderem strukturreiches Heu. Kastanien sind da beispielsweise eine ganz schlechte Idee. Ich habe einmal erlebt, wie falsches Füttern ein großes Problem wurde. In Österreich hatte eine Frau - vermutlich aus Sorge - extra Maultauschen für einen Fuchs gekocht und diese an ihn verfüttert. Der Fuchs verlor daraufhin seine Scheu vor Menschen und tauchte zum Beispiel in Wohnsiedlungen oder auf Spielplätzen auf.
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Wie kann ich Waldtieren im Winter etwas Gutes tun?
Roland Schörkhuber: Wildtier braucht im Winter absolute Ruhe. Das heißt: Bitte bleiben Sie auf den Wegen und leinen Sie Ihre Hunde an. Menschliche Störungen lösen bei Waldtieren unglaublichen Stress aus, der zu hohem Energieverlust führt. Und das ist dann wirklich gefährlich für die Tiere.
- Solch einen Energieverlust erlebte das Allgäuer Wild in den vergangenen Wochen laut Dr. Manfred Ziegler, Vorsitzender des Kreisjagdverbandes Kempten. Was Temperaturschwankungen damit zu tun haben und wieso sich Ziegler aktuell Sorgen um Rehe, Füchse, Dache und Co. macht.