Es bleibt ein Kreuz mit dem Kreuz für die bayerische Politik, denn: Ein Kruzifix im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums in Bayern verletzt die Religionsfreiheit von Schülern. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Haben die Richter damit gleichzeitig den Kruzifix-Erlass von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ausgehebelt, der das christliche Symbol in bayerischen Behörden vorschreibt?
Der konkrete Fall hat sich am Hallertau-Gymnasium in Wolnzach abgespielt, einer nach eigenen Angaben religiös geprägten Schule. Zwei ehemalige Schülerinnen hatten dagegen geklagt, dass während ihrer Schulzeit ein 150 Zentimeter hohes und 50 Zentimeter breites Holzkreuz mit einem Gekreuzigten im Haupteingangsbereich ihres Gymnasiums angebracht war und die Schule sich weigerte, es abzuhängen. Die jungen Frauen bekamen Recht. Der Verwaltungsgerichtshof entschied am Dienstag, dass die Schule „verpflichtet gewesen wäre, das Kruzifix zu entfernen“.

Der Gerichtshof sieht in der „Konfrontation mit dem Kruzifix als religiösem Symbol einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit“. Zur Begründung heißt es: „Die Klägerinnen waren wegen der Schulpflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert.“
Der umstrittene „Kreuzerlass“ sorgt weiter für Diskussionen
Ob das Kruzifix im Eingangsbereich hängen dürfte, wenn es dafür einen entsprechenden Landtagsbeschluss gäbe – dies ließ das Gericht offen. Unter den umstrittenen, 2018 in Kraft getretenen „Kreuzerlass“, wonach in jedem staatlichen Gebäude in Bayern ein Kreuz hängen muss, fällt ein Kruzifix in einem Gymnasium nach Auffassung der Verwaltungsrichter nämlich nicht.
Im April 2018 hatte das bayerische Kabinett auf Initiative des damals frisch zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Markus Söder, der stets betont, das Kreuz gehöre zu Bayern, den „Kreuzerlass“ beschlossen. Trotz heftiger Kritik – sogar von den Kirchen, die Söder vorwarfen, das christliche Symbol für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen – trat der Erlass im Juni 2018 in Kraft. In Paragraf 28 der Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats heißt es seither: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“
Auch der Artikel 7 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, wonach in Grundschulen in jedem Klassenzimmer ein Kreuz hängen muss und der auch für Mittel- und Förderschulen gilt, bezieht sich nach dem aktuellen Urteil nicht auf Gymnasien. „Für Gymnasien gibt es eine solche Norm nicht.“
Kultusministerin Stolz: Das Kreuz steht auch für Menschenwürde, Toleranz und Nächstenliebe
Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) jedenfalls betont, man nehme das Urteil zur Kenntnis und setze sich intensiv mit dessen Begründung auseinander. „Selbstverständlich prüfen wir im konkreten Einzelfall sorgfältig auch alle daraus folgenden Konsequenzen. Für uns bleibt aber klar: Das Kreuz ist nicht nur ein religiöses Symbol, sondern steht auch für die Achtung von Menschenwürde, Toleranz und Nächstenliebe – Werte, die unser Zusammenleben und unseren Bildungsauftrag maßgeblich prägen.“
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sprach in einer ersten Reaktion von einer Einzelfallentscheidung. Das Gericht habe die besonderen Umstände betont – „insbesondere die exponierte Platzierung und die konkrete Ausgestaltung des Kruzifixes“. Söders „Kreuzerlass“ sieht Holetschek nicht in Gefahr: „Die Grundsatzentscheidung zur Anbringung von Kreuzen in staatlichen Gebäuden wird nicht infrage gestellt.“ Was für Holetscheks Interpretation spricht: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und später der Bundesgerichtshof in Leipzig hatten sich in früheren Jahren mit dem Erlass beschäftigt und diesen bestätigt. Tenor der Urteile: Die Kreuze verletzten nicht das Recht anderer Weltanschauungsgemeinschaften auf Religionsfreiheit.
In einer anderen Sache bekamen die jungen Frauen, die nach Gerichtsangaben inzwischen das Abitur abgelegt haben, aber nicht recht: Dass sie während des Schulgottesdienstes einen Alternativunterricht besuchen mussten, war rechtens. (mit dpa)
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