Liebe Frau Merkel, lieber Herr Söder, liebe Sprachgenies in unserer Politik,
Sie sind zuletzt schwer kritisiert worden. Weil das mit dem Testen und Impfen in Deutschland nicht ganz so gut klappt. Weil Sie sich im föderalen Regel-Irrsinn verlaufen und keine echte Corona-Strategie haben.
Alles richtig. Trotzdem möchte ich Ihnen auch mal ein Kompliment aussprechen. Vermutlich hat niemand in dieser Pandemie so viele eindrucksvolle neue Wörter, Phrasen und Floskeln erfunden wie Sie.
Und das ist auch gut so. Corona, besser: SARS-CoV-2, ist schließlich ein "Charaktertest für unser Land". Wenn wir über "Beherbergungsverbote", "Abstandsregeln" und "Kontaktbeschränkungen" diskutieren, weil der "Lockdown" - auch "Shutdown" genannt - wegen der steigenden "Sieben-Tage-Inzidenz" und dem höheren "R-Wert" wieder einmal verlängert werden muss, stellen Sie einfach fest: "Wir müssen Corona ausbremsen, bevor wir echte Notbremsen machen müssen.“ Und dann gibt es eben eine "harte Notbremse" statt der "lockeren Notbremse".
Ist ja auch richtig so. "Vorsicht, Vertrauen, Verantwortung" ist das Gebot der Stunde. Oder, Herr Söder, wie es in Ihrer Regierungserklärung am 12. Februar hieß: "Perspektive mit Vorsicht – Vorsicht mit Perspektive". Oder auch, wie Sie Anfang März meinten: "Vorsicht, Restriktion, Motivation". Was auch immer.
Menschen die seit einem Jahr wissen, dass man die Johns Hopkins Universität tatsächlich mit "s" nach John schreibt, kann jedenfalls nichts mehr erschüttern. Es ist unser gemeinsames Ziel, ein "exponentielles Wachstum", womöglich noch durch "Mutanten", zu verhindern. "Öffnen ja, aber klug und umsichtig", kündigen Sie deshalb an, bestenfalls in Form eines "Stufenplans" mit "Testpflicht" in "Hotspots". Schließlich ist das die "neue Normalität" - in der die FFP2-Maske übrigens "ein Instrument der Freiheit“ ist. Was "Maskenverweigerer" wiederum nur ungern hören werden, wenn sie sich bei Demos mit „Coronaleugnern“ die Aerosole um den nicht vorhandenen "MNS" hauen. Ich kann es jedenfalls nur unterstützen, dass Sie die bei passender Gelegenheit die Parole "Vorsicht - Restriktionen - Perspektive" ausgaben.
"Erweiterte Ruhepause" an Ostern - was soll das sein?
Ihr neuester verbaler Geniestreich im Kampf gegen die "dritte Welle" ist es, die Ostertage ab Gründonnerstag kurzerhand zur "erweiterten Ruhepause" zu erklären. Was das Ganze bedeuten soll, wissen Sie offenbar selbst nicht so genau. Macht auch nichts. Hauptsache ist: Sprachlich passt's.
Klar ist jetzt vor allem eins: Am offenen Karsamstag werden Millionen Menschen dicht gedrängt die Supermärkte stürmen, "nur mit Einkaufswagen oder Korb" natürlich.
Danke dafür. Und bleiben Sie gesund.
Herzlichst, Sascha Borowski
P.S. Ist "Click and Meet" mit höherer Quadratmeterzahl eigentlich besser als "Click and Collect" ohne Gurgeltest? Ich frage wegen der Öffnungsmatrix...