Nach sechs Wochen Sommerferien beginnt am heutigen Dienstag wieder die Schule in Bayern. 1,68 Millionen Kinder und Jugendliche sitzen dann wieder in den Klassenzimmern, darunter 130.000 Erstklässler. Gerade mit Blick auf die jüngsten Schülerinnen und Schüler rief die Polizei die Autofahrer dazu auf, besonders vorsichtig zu fahren. "Gerade die Schulanfänger bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme im Straßenverkehr", erläuterte das Polizeipräsidium München.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) wollten sich zum Schulstart selbst ein Bild machen und morgens eine Grundschule in München besuchen. Anschließend war eine Ehrung ehrenamtlicher Schulweghelferinnen geplant. "Heute ist erster Schultag. Ein Tag der Freude", findet Piazolo.
Heizen in der Schule trotz Energiekrise
Gründe für die schwierige Lage der Schulen gibt es viele. Da ist zum einen die Frage, wie Klassenzimmer, Gänge und Toiletten trotz der Energiekrise beheizt werden können. Auch eine neue Infektionswelle mit Corona im Herbst und Winter bereitet den Verantwortlichen Sorge. Sie könnte die angespannte Personalsituation verschärfen.
Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) kommt auf rund 4000 fehlende Lehrkräfte, das Kultusministerium spricht von mehreren Hundert Stellen, die noch besetzt werden müssten, vor allem an Grund-, Mittel- und Förderschulen. "Das Verhältnis Schüler pro Lehrer hat sich in den vergangenenJahren deutlich verbessert", sagte ein Sprecher. Sorgen bereitet auch der fehlende Nachwuchs. Mehr als 100.000 Lehrer hat der Freistaat nach Ministeriumsangaben derzeit, ein Rekord. "Wir haben so viele wie noch nie, aber wir haben immer noch zu wenig", gab Kultusminister Piazolo unlängst zu.
Lehrermangel: 1500 Vollzeitkräfte fehlen
Trotzdem sieht Piazolo die Lehrer- und Unterrichtsversorgung zum Schuljahresstart ungeachtet lauter Klagen von Lehrerverbänden insgesamt als solide an. Es gebe "immer noch ein paar offene Verträge", sagte Piazolo am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. Das könne zu Schuljahresbeginn immer passieren, und das bleibe auch ein "dauerhaftes Geschäft". Auch aufgrund einer Reihe von Unbekannten – etwa Corona und Grippe – bleibe das Thema dringlich und schwierig.
Jetzt zum Start habe man aber "eine solide Unterrichtsversorgung", sagte Piazolo – auch wenn man zum Teil die Situation in einzelnen Landkreisen anschauen müsse. Insbesondere die Pflichtstundentafel an allen Schularten sicherzustellen, "das ist jetzt solide gelungen".
Eine konkrete Zahl, wie viele Lehrer aktuell fehlen, wollte Piazolo auf Nachfrage nicht nennen. "Es ist so, dass die Zahlen sich ständig ändern", sagte er - deshalb habe er zuletzt von einigen hundert gesprochen. Es wäre aber "unredlich", eine exakte Zahl zu nennen.
Schwangere Lehrerinnen dürfen wieder arbeiten
Schwangere Lehrerinnen sollen in Bayern in absehbarer Zeit wieder unterrichten dürfen - das im Zuge von Corona eingeführte Betretungsverbot für die Schulen soll aufgehoben werden. Das kündigte Piazolo an. Man habe im Ministerrat besprochen, dass es wieder möglich sein solle, dass Schwangere unterrichten - es solle aber keinen Zwang dazu geben, betonte er.
Die Lehrerinnen sollen dies je nach Situation mit ihrem Arzt und der Schulleitung absprechen. "Die Einzelheiten werden wir noch festlegen, das wird nicht von heute auf morgen passieren", sagte Piazolo. Es werde dann auch entsprechend Fristen geben.
Mehr Schüler als im Vorjahr
Dabei hat sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler gegenüber dem Vorjahr erhöht - von 1,64 Millionen auf 1,68 Millionen. Rund 30.000 von ihnen sind aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche. Der BLLV rechnet zudem damit, dass rund 1500 Vollzeitkräfte fehlen werden, weil sie länger krank oder schwanger sind. Die mobile Reserve sei aber oftmals jetzt schon komplett aufgebraucht.
Der BLLV sprach deshalb am Montag, 12. September, von einem "bildungspolitischen Streichkonzert", das auch die Kernbereiche des Unterrichts und die grundlegenden Strukturen der schulischen Bildung angreife. Klassen seien größer, Fächer wie Musik, Kunst oder Sport würden gekürzt, ebenso Arbeitsgemeinschaften und Angebote zur Förderung und Differenzierung. Diese Maßnahmen gingen auf Kosten der Schwächsten. Dabei müssten die Schulen ohnehin schon viele Defizite aus den beiden Corona-Jahren auffangen.
Schulen in Bayern im Krisenmodus
Auch die Landtags-Grünen sehen die Schulen im Krisenmodus: "Wie schon vor den Ferien werden Klassen nach Hause geschickt. Unterricht fällt aus - nicht wegen Corona, sondern weil die Lehrkräfte fehlen. Fataler geht es nicht." Der Bayerische Elternverband merkte unlängst fast schon resigniert an: "Irgendwie wird es schon laufen, das neue Schuljahr. Die Kinder werden in der Schule ,verräumt' sein und die meisten Schulstunden werden irgendwie stattfinden".