Freitagabend, 20.20 Uhr. Mit vier Schüssen beendet die Polizei die Geiselnahme in der Ulmer Starbucks-Filiale. Der Großeinsatz der Polizei ging glimpflich aus. Außer dem Täter, der mit mehreren Waffen ausgestattet zunächst sechs Menschen in seine Gewalt brachte, gab es keine Verletzten. Am Tag danach sind noch immer Fragen offen, mit dem Wochenmarkt kehrt jedoch rund um den Münsterplatz die Normalität zurück.
Cafés, Bars und Restaurants im Ulmer Zentrum waren am Freitagabend (26.1.) gut besucht, als der bewaffnete Täter gegen 18.45 Uhr mehrere Personen in seine Gewalt nimmt. Ein gepanzertes Fahrzeug und zahlreiche weitere Polizeiautos wurden hinzugezogen. Beamtinnen und Beamte füllten den Münsterplatz, darunter Spezialkräfte. Immer wieder war Martinshorn zu hören, in Restaurants und Kneipen wurde indes weiter gegessen und getrunken.
Geiselnahme am Münsterplatz: Großeinsatz der Polizei in Ulm
Die Polizei sperrte den Münsterplatz mit Flatterband ab, diskutierte mit Passantinnen und Passanten, die Anweisungen nicht befolgen wollten. Auch das Stadthaus, wo an diesem Abend eine Veranstaltung stattfand, wurde geräumt. Auch wenn sich die Sicherheitskräfte rund um den Einsatzort bedeckt hielten, sprach sich doch schnell herum, dass eine Geiselnahme hinter dem Einsatz steckte.

Gerüchte machten die Runde, dass mehrere Menschen in einem Café festgehalten werden. Polizeisprecher Thomas Hagel sagte unserer Redaktion zunächst nur, dass eine Geisel in einem Geschäft festgehalten worden sei. Ob weitere Menschen in der Gewalt des bewaffneten Mannes waren, ließ er zunächst offen. Gefahr für die Allgemeinheit habe nicht bestanden, sagt Hagel. Später bestätigt Staatsanwalt Michael Bischofberger, dass mehrere Menschen als Geiseln genommen wurden. Am Samstagmittag teilten die Ermittler von Polizei, Staatsanwaltschaft und LKA nähere Details zum Tatablauf mit.
Polizeieinsatz in Ulm: Geiselnehmer hatte im Café nur Soft-Air-Waffen dabei
Gegen 18.45 Uhr habe demnach ein bewaffneter 44-Jähriger das Lokal am Münsterplatz betreten. Von den 13 Personen, die sich zu dem Zeitpunkt dort befanden, ließ der Mann sieben noch vor dem Eintreffen der Polizei gehen. Sechs verbliebene Personen habe er unter dem Vorhalt von Waffen zunächst über einen längeren Zeitraum in seine Gewalt gebracht, ehe er weitere fünf Menschen gehen ließ. So blieb er mit nur einer Geisel im Lokal, schreiben die Ermittler.
Bei den mitgeführten Waffen handelte es sich augenscheinlich um eine Pistole und eine Langwaffe. Später habe sich jedoch herausgestellt, dass es täuschend echt aussehende Soft-Air-Waffen waren, so die Ermittler weiter. In einer Tasche und seinem Fahrzeug fand die Polizei darüber hinaus Messer und Äxte sowie eine Machete.
Gegen 20.20 Uhr verließ der bewaffnete Geiselnehmer nach Angaben der Polizei mit der einen verbliebenen Geisel das Geschäft, um zu flüchten. Das Spezialeinsatzkommando (SEK) gab vier Schüsse ab. "Der Mann wurde dabei getroffen und schwer verletzt. Zur weiteren Behandlung kam er in ein Krankenhaus, wo er sich aktuell noch befindet", erklärt die Staatsanwaltschaft und schreibt zudem: "Die Ermittlungsbehörden prüfen derzeit mit den behandelnden Ärzten, ob der Beschuldigte vernehmungsfähig ist, damit er dem zuständigen Haftrichter vorgeführt werden kann."
Offenbar hatte er während der Geiselnahme gesagt, er wolle von der Polizei erschossen werden, berichtete die dpa. Ein Video macht später im Netz die Runde, dort sind die Schüsse deutlich zu hören. Genauso wie Schreie von Passanten.
Geiselnahme in Ulm: Täter soll bei der Bundeswehr gewesen sein
Alle Geiseln blieben laut Staatsanwalt Bischofberger unverletzt. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen. Er soll wohl bei der Bundeswehr und Soldat gewesen sein, erfuhr die dpa am Freitagabend.
"Es war Alarmstufe": Inhaberin vom Hotel Anker erlebt den Zugriff der Polizei direkt nebenan
Wenige Meter vom Tatort entfernt liegt das Hotel Anker. Inhaberin Josefa Escura schilderte im Gespräch mit unserer Redaktion, wie sie den Polizeieinsatz erlebt hat: Sie habe auf Hotelgäste gewartet, die angemeldet waren. Die hätten aber nicht zum Hotel kommen dürfen. Es sei von der Polizei alles abgeriegelt gewesen: Kohlgasse, Rabengasse - alles zu. Erst nach 22 Uhr habe die Polizei die Gäste passieren lassen. Die Schüsse habe sie gehört, Schreie nicht. Gesehen habe sie nichts. Ein Beamter des LKA habe gesagt, sie dürfe nicht nach draußen. "Es war Alarmstufe", sagt sie. Details zum Einsatz habe sie von den Polizisten nicht erfahren.
Zu den Hintergründen der Geiselnahme liegen bislang kaum Informationen vor. Vollkommen unklar ist, ob es eine Beziehung zwischen Täter und den Geiseln gibt oder nicht. "Die Hintergründe zum Motiv des 44-jährigen deutschen Tatverdächtigen sind noch unklar und Gegenstand der Ermittlungen", schreibt die Staatsanwaltschaft dazu. Wegen des Schusswaffengebrauchs durch die Polizei ist auch das baden-württembergische Landeskriminalamt (LKA) in die Ermittlungen zur Geiselnahme involviert. Das sei üblich, wenn die Polizei auf Menschen schießt, erklärte ein Sprecher des Ulmer Präsidiums.
Starbucks-Filiale in Ulm bleibt nach Geiselnahme vorerst geschlossen
Auch wie es mit dem Tatort, der Ulmer Starbucks-Filiale, konkret weitergeht, ist noch unklar. Die Spurensicherung hat für ihre Ermittlungen einen umfassenden 3D-Scan des Geschäfts angefertigt. Die Verantwortlichen bei Starbucks teilen auf Anfrage unserer Redaktion mit: "Das Coffee House in Ulm bleibt vorerst geschlossen." Man sei jedoch dankbar, bestätigen zu können, dass alle unsere Partner und Gäste in Sicherheit sind.
Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) hofft nach dem Vorfall im Herzen Ulms, dass die Geiseln das dramatische Ereignis schnell verarbeiten können. Czisch sagte am Samstag, er sei zufällig am Münsterplatz vorbeigekommen, kurz nachdem der Notruf eingegangen sei. Anfangs sei die Lage diffus gewesen, er habe eine Art "Kopfkino" aus ähnlichen Vorfällen gehabt. "Da geht einem am Anfang viel durch den Kopf." Czisch sagte, er sei erleichtert darüber, dass die Geiseln nicht verletzt worden seien.(mit dpa)