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Beim Speisen die Berge spüren

Baukultur am Nebelhorn

Beim Speisen die Berge spüren

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    Essen und Trinken mit Ausblick im neuen Nebelhorn-Gipfelrestaurant: Das Panorama reicht von der Zugspitze im Osten bis zum Bodensee im Westen. Die riesigen Scheiben und die Brüstung aus Glas geben wundervolle Blicke frei.
    Essen und Trinken mit Ausblick im neuen Nebelhorn-Gipfelrestaurant: Das Panorama reicht von der Zugspitze im Osten bis zum Bodensee im Westen. Die riesigen Scheiben und die Brüstung aus Glas geben wundervolle Blicke frei. Foto: Matthias Becker

    Das Ende der guten alten Berghütte ist angebrochen. Die Fiderepasshütte im Kleinwalsertal hat schon einen modernen Anbau. Das alte Waltenbergerhaus unter der Mädelegabel wird gerade durch einen rundlich gebogenen Neubau ersetzt. Und auf dem Hausberg der Oberstdorfer, dem Nebelhorn, ist gerade ein Gipfelrestaurant mit Bar in Betrieb genommen worden, das mit runden Formen und großen Glasflächen so gar nicht mehr an die vormalige Hütte erinnert.

    Die moderne, zeitgenössische Architektur hält Einzug auf den Alpen. In den kommenden Jahren werden wohl noch einige marode und kleinteilige Gebäude erweitert oder durch neue ersetzt. Wenn sie immer so faszinierend geraten wie am Nebelhorn, dann soll das recht sein.

    Viele Bergfreunde, vor allem die traditionell denkenden und nostalgisch fühlenden, werden den klassischen Hütten nachtrauern. Aber man kann im Jahr 2016 nicht bauen wie 1916. Auch Bauherren am Berg müssen künftig bei der Planung neuer Gebäude auf zeitgemäße, also zeitgenössische Architektur setzen. Profilierte Planer zu finden ist gar nicht (mehr) so schwer. Im Allgäu gibt es hervorragende Architekten, und im benachbarten Vorarlberg erst recht. Für ihr Gipfelrestaurant hat die Nebelhornbahn-AG einen gebürtigen Bregenzerwälder verpflichtet: Hermann Kaufmann, der ein renommiertes Büro in Schwarzach bei Bregenz betreibt und als Holzbau-Spezialist gilt.

    Nebelhorn Bergstation
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    Mit moderner Architektur eröffnen sich neue Spielräume. Auf dem 2.224 Meter hohen Nebelhorn ist das schön zu sehen. Organisch-filigran fließen die geschwungenen Fassaden-Linien des zweistöckigen Gebäudes unterhalb des Gipfelkreuzes, das nun wieder gut sichtbar ist. Es greift die Topografie der Umgebung vielleicht sogar sinniger auf, als die rechtwinklige Kubatur der einstigen Hütte. Natur ist ja auch organisch. Das ist Bauen mit dem Berg, nicht gegen ihn.

    Aber natürlich ist dieses 5,5-Millionen-Euro-Gebäude zugleich ein Gegenentwurf zur Umgebung. Kultur baut auf Natur. Die Architekten zeigen dies sehr schön, indem sie das Gebäude aus dem Fels wachsen lassen: Mit auf dem Gipfel gesammelten Steinbrocken verkleideten sie den alten Seilbahn-Torso, der als Sockel dient, auf dem jetzt das Restaurant thront.

    Architekt Kaufmann und sein Team haben eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, ehe sich die Nebelhornbahn für einen Entwurf entschied. Die Diskussionen, die laut AG-Vorstand Peter Schöttl „extrem gut“ verliefen, haben sich offensichtlich rentiert. Außen und innen ist so gut wie alles rund. Angefangen von den Theken über die Wände bis hin zu den Fassaden und Brüstungen. Selbst Scheiben mit hochwertigem Isolierglas sind so geformt. Elegant und zugleich zurückhaltend wirkt das zweigeschossige Gebäude mit dem Restaurant unten und der Bar oben.

    Grandiose Aussicht

    Wer hier Kaffee trinkt oder Kässpatzen isst, hat eine grandiose Aussicht (solange das Nebelhorn seinem Namen nicht gerecht wird). Nicht nur von der riesigen Terrasse mit dem Lärchenholz-Boden aus, sondern auch von innen, wo Filz das Ausrutschen verhindern soll. Gefühlt 1.000 Gipfel sind bei klarem Wetter zu sehen; Zählungen sprechen von etwa 400 Spitzen. Das Panorama reicht von der Zugspitze im Osten bis zum Bodensee im Westen. Die riesigen Scheiben und die Brüstung aus Glas geben wundervolle Blicke frei. Das Drinnen und Draußen verschwimmt – nicht nur wegen der großen Türen, die bei höheren Temperaturen offen bleiben. Dem Material sei Dank: So holt man sich die Berge ins Haus. Diesen Luxus kann keine der alten Hütten mit ihren kleinen Öffnungen bieten.

    Dennoch mangelt es nicht an Holz, jenem Baustoff, der die traditionellen Berghütten so urig-gemütlich macht. Decken und Wände sind, sofern sie nicht aus Glas bestehen, mit Esche aus heimischem Wuchs verkleidet. Es ist – gemäß der Philosophie von Kaufmanns Architekturbüro – unbehandelt. Aus hygienischen Gründen wurden nur Bänke und Tische geölt.

    Damit das helle Holz nicht zu glatt wirkt, ist es in der Decke reliefartig verbaut worden. Das spiegelt ein wenig das Raue der Felsen wider. Ähnlich kann man die Fassade an der Außenhaut interpretieren. Die Architekten ließen das Kupfer falten. Nun wird das Licht gebrochen, das Material erscheint nicht nur ursprünglicher, sondern auch facettenreicher. Der Berg lässt grüßen.

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