Startseite
Icon Pfeil nach unten
Berge
Icon Pfeil nach unten

Der E-Bike-Boom "überollt" unsere Allgäuer Alpen

Segen oder Fluch?

Der E-Bike-Boom "überollt" unsere Allgäuer Alpen

    • |
    • |
    Willkommen im Jahr 2019! Die Otto-Mayr-Hütte in den Tannheimer Bergen soll bald eine Ladestation für E-Mountainbikes haben.
    Willkommen im Jahr 2019! Die Otto-Mayr-Hütte in den Tannheimer Bergen soll bald eine Ladestation für E-Mountainbikes haben. Foto: Ralf Lienert (Archiv)

    Ein Sommertag in den Oberstdorfer Bergen wie im Bilderbuch: Hoch oben strahlt die Trettach mit den letzten Schneeflecken in der Sonne, in den Tälern grünt und blüht es – hier auf dem Weg in die Spielmannsau. Der kleine Weiler ist für viele der Startpunkt zur Kemptner Hütte. Seit jeher nutzen die Bergsteiger das Fahrrad, um in die Oberstdorfer Seitentäler zu kommen. Doch seit einigen Jahren sind es Massen, die erstaunlich locker und leicht in die Täler pedalieren. Kaum verschwitzt gelangen sie in die hintersten Ecken, weil sie motorisiert unterwegs sind – mit Elektro-Mountainbikes.

    Die Entwicklung ist in den letzten Jahren regelrecht explodiert.Dr. Wolfgang Wabel, Bereichsleiter Bergsport beim Alpenverein

    Etwa 80 Prozent aller verkauften Mountainbikes sind inzwischen motorisiert. Mit Motorunterstützung kommen viele weniger gut Trainierte auch in solche Höhen, die sie aus eigener Kraft nicht erreicht hätten. Der Konflikt zwischen Wanderern, Älplern und Landwirten einerseits und Mountainbikern andererseits hat sich durch die E-Biker noch verschärft.

    Den Älplern geht es auch ums Haftungsrecht

    Das Oberallgäu und der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sind für drei Jahre Modellprojekt-Gebiete. Dort soll ausprobiert werden, wie Konflikte gelöst werden können. Es geht um Lenkungsmaßnahmen, nicht um Verbote. Das sind zumindest die Vorgaben. Die Mountainbiker mit und ohne Motor sollen beispielsweise für die Belange der Alpwirtschaft sensibilisiert werden.

    Aber es geht auch um haftungsrechtliche Fragen. Älpler und Landwirte befürchten, dass sie bei Unfällen zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Beispielsweise wegen des Zustands eines Feldwegs. Das Modellprojekt ist auf drei Jahre angelegt und hat im Vorjahr begonnen. 250.000 Euro stellt das bayerische Umweltministerium zur Verfügung, 108.000 Euro der Deutsche Alpenverein (DAV). Langfristig soll es darum gehen, unter allen beteiligten Gruppen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

    Doch der Weg dahin könnte noch lang und steinig sein. Wohl auch, weil kein Ende des E-Bike-Booms abzusehen ist. Dr. Wolfgang Wabel, Bereichsleiter Bergsport beim Alpenverein, sagt: „Die Entwicklung ist in den letzten Jahren regelrecht explodiert.“ Da kämen Menschen in die Berge, „die das sonst nie schaffen würden“.

    „Links sigsch dia Hüttn-Ladestation für E-Maontainbiker und rechts dia für Mountainbiker ohne Elektroantrieb...“ So sieht unser Karikaturist Manfred Küchle und seine Figur D‘r Balthes die Thematik.
    „Links sigsch dia Hüttn-Ladestation für E-Maontainbiker und rechts dia für Mountainbiker ohne Elektroantrieb...“ So sieht unser Karikaturist Manfred Küchle und seine Figur D‘r Balthes die Thematik. Foto: Manfred Küchle (Zeichnung)

    Wabel gibt offen zu, dass der DAV noch „mitten in einem Diskussionsprozess“ sei. Die Gretchenfrage: Soll der Alpenverein an seinen Hütten und Unterkunftshäusern Ladestationen für E-Bikes anbieten oder nicht? Dieses Thema wurde beispielsweise auf der Otto-Mayr-Hütte in den Tannheimer Bergen in der Vergangenheit wiederholt diskutiert. Das Haus gehört der Alpenvereinssektion Augsburg. Die früheren Pächter wollten den E-Bikern ermöglichen, an der Hütte ihre Akkus aufzuladen.

    Jetzt habe man dort keine Möglichkeit, sagt ein freundlicher Herr am Hüttentelefon. Die bisherige Pächterfamilie habe die Ladestation mitgenommen. Doch bald soll eine neue installiert werden. „Bergsport aus eigener Kraft“ sei das Ideal des Alpenvereins, sagt Wabel. Der DAV lasse seinen örtlichen Sektionen aber in der Mountainbike-Frage relativ viel Freiheit: „Sektionen sind eigenständige Verbände.“

    Delegierte: Keine Ladestationen auf Hütten

    Auch bei der jüngsten DAV-Hauptversammlung im Spätherbst vergangenen Jahres ging es um die Frage, wie der Verein sich zum E-Mountainbiken positionieren soll. 600 Delegierte des größten Bergsteigerverbands der Welt fassten mehrheitlich folgenden Beschluss: Man solle an die örtlichen Sektionen appellieren, das Aufladen von Mountainbike-Akkus auf ihren Hütten nicht zu fördern.

    Die Alpenvereinssektion München mit sage und schreibe 170.000 Mitgliedern hat vorgelegt und „Leitlinien“ für die E-Mountainbike-Nutzung im Gebirge beschlossen. Beispielsweise will die Sektion im Veranstaltungsprogramm keine Touren mit E-Mountainbikes mehr anbieten.

    Zurück auf unserer Tour durch die Oberstdorfer Seitentäler: Viele, aber längst nicht alle, die hier mit E-Mountainbikes unterwegs sind, haben wohl schon das Rentenalter erreicht. Eine „Jungseniorin“ sagt: „Ich finde das optimal, mein Mann fährt ohne Motor, ich mit.“ Jetzt könnten sie wieder zusammen unterwegs sein. Bergsportexperte Wabel kennt die Vor- und Nachteile der elektrischen Bikes. Er sagt: „Entscheidend ist, dass wir vernünftig damit umgehen.“ Dazu gehöre auch, seine Grenzen zu erkennen. Beispielsweise verhalte sich bei einer Abfahrt ein schweres E-Bike ganz anders als ein herkömmliches Mountainbike ohne Motorunterstützung.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden