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Ein halbes Jahrhundert auf der Buronhütte

Wehmütiger Blick zurück

Ein halbes Jahrhundert auf der Buronhütte

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    Inge Wagner vor 25 Jahren als Wirtin auf der Buronhütte.
    Inge Wagner vor 25 Jahren als Wirtin auf der Buronhütte. Foto: Wagner; Reich-Recla

    Am liebsten sitzt Inge Wagner auf einem Stuhl im Schlafzimmer ihrer Mietwohnung (78) in Wertach. Sie strickt an einem grün-gelben Schal und blickt immer wieder wehmütig hinüber zur Reuterwanne mit den Buronliften. Dort war bis vor wenigen Monaten ihre Heimat: Mehr als 50 Jahre war Inge Wagner Wirtin der Buronhütte.

    Die gebürtige Schwarzwälderin kam 1958 mit dem Zug in Haslach an. Sie wusste, dass am Berg auf 1.200 Metern Höhe eine Köchin gesucht wurde. Vom Bahnhof musste sie zwei Stunden zur Buronhütte laufen. Eine Straße dorthin gab es damals noch nicht – und auch keinen Grüntensee. Er wurde erst 1962 aufgestaut. Der Wagner-Opa (der Großvater ihres späteren Mannes) habe gesagt: „Mädle, kommsch halt erst amol eine Saison auf d’ Buronhütte“. Aus dem einen Sommer sind weit mehr als 50 Jahre geworden.

    1935 wurde die Buronhütte gebaut – und war gleich beliebtes Ausflugsziel bei den Einheimischen. Im Jahr darauf wurde das zunächst kleine Holzhaus erweitert.
    1935 wurde die Buronhütte gebaut – und war gleich beliebtes Ausflugsziel bei den Einheimischen. Im Jahr darauf wurde das zunächst kleine Holzhaus erweitert. Foto: Wagner; Reich-Recla

    Einfache Hausmannskost und viel Spätzle

    „1935 hat mein Schwiegervater, Luggi Wagner, die Hütte gebaut“, sagt Inge Wagner. Weil sie ein Anziehungspunkt war, wurde sie 1936 gleich vergrößert. „Luggis drei Töchter und auch der Sohn Wiggi mussten damals fleißig mitarbeiten“, weiß sie aus Erzählungen. Wiggi wurde ihr Ehemann. Ihre Kinder Richard und Brigitte (in den 60er Jahren geboren) wuchsen auf der Buronhütte auf. Eine Wohnung im Tal gab es nicht. Tag und Nacht die Buronhütte. Um halb sieben aufstehen, spätnachts ins Bett. „Wir hatten viele Hausgäste, am Anfang im Matratzenlager, später in Mehrbett- und Zweibettzimmern.“ Einfache Hausmannskost habe es gegeben mit viel Spätzle, aber auch Gulasch oder Schweinebraten.

    Buronhüttenfest am Samstag, 12. November:

    Nachmittags erzählt Inge Wagner von ihrer Zeit als Hüttenwirtin. Abends gibt es Livemusik, außerdem gibt es eine Liveschaltung zu Pro 7: Martin Kilger vergibt von der Buronhütte aus die Punkte für Bayern bei der Fernsehshow „Deutschland tanzt“.

    Als im Winter 63/64 die Buronlifte eröffneten, „als eine der längsten Schleppliftanlagen der Region“, war vor allem im Winter viel los. Sie selber sei nie Skifahren gewesen, habe immer viel zu tun gehabt. „Aber die Kinder waren oft den ganzen Tag mit den Hausgästen auf der Piste.“ Nein, zum Spazierengehen habe sie auch keine Zeit gehabt. Und wahrscheinlich keine Lust nach einem anstrengenden Arbeitstag. „Manchmal habe ich mich im Sommer abends neben das Haus gesetzt und dem Sonnenuntergang zugeschaut.“

    In den 70er Jahren kamen Dachgauben auf dem Neubau der Buronhütte dazu. Die Buronlifte lockten ab dem Winter 1963/64 auch viele Skifahrer zur Buronhütte. Dort gibt es über 30 Übernachtungsmöglichkeiten. Das Foto stammt aus den 90er Jahren.
    In den 70er Jahren kamen Dachgauben auf dem Neubau der Buronhütte dazu. Die Buronlifte lockten ab dem Winter 1963/64 auch viele Skifahrer zur Buronhütte. Dort gibt es über 30 Übernachtungsmöglichkeiten. Das Foto stammt aus den 90er Jahren. Foto: Wagner; Reich-Recla

    Das größte Glück: Immer nette Gäste

    Sieben Tage die Woche arbeiten. Kaum einen Tag Ruhe. Dennoch hat Inge Wagner nichts in ihrem Leben vermisst. Im Gegenteil: „Wir haben immer nette Gäste gehabt. Immer war jemand da, mit dem man ein paar Worte wechseln konnte. Das war schön.“ Die Kinder wurden mit dem Unimog ins Dorf zur Schule gebracht, später mit dem Geländewagen. „Sie haben oft Schulfreunde mitgebracht. Für die Kinder vom Tal war es ein Erlebnis mit hoch auf die Buronhütte zu kommen.“ Platz zum Spielen gab es reichlich. Kein Verkehr. Kein Lärm. Nur ein Feldweg. Und erst 2011 eine asphaltierte Straße hoch zur Hütte.

    Sie selber sei oft monatelang nicht nach Wertach gekommen. Das, was Inge Wagner für die Gäste und die Familie brauchte, bestellte sie telefonisch beim Metzger und Bäcker im Dorf. Ihr Mann holte dann alles mit dem Wagen ab, fuhr auch zum Großmarkt. „Wir waren ein eingespieltes Team.“ Vor fünf Jahren starb Wiggi.

    Die Umstellung fällt schwer

    Sie selbst blieb mit ihrem Sohn Richard (ebenfalls Koch) bis Anfang des Jahres auf der Hütte. Dann zog sie schweren Herzens um nach Wertach. Die Hütte wurde verkauft an die Familie Barabeisch. Es habe viele Interessenten gegeben. „Mein Herz sagt mir, dass wir die richtige Familie gewählt haben.“ Sie selbst sei jetzt 78. „Es war höchste Zeit, die Hütte weiterzugeben.“ Die Umstellung aber sei schwer. Sie vermisst die Gäste, den Umgang mit den Leuten. Die Sonntage verbringe sie aber noch oft auf der Buronhütte.

    Gerne erinnert sie sich auch an früher, als abends Gäste Gitarre spielten oder Akkordeon „und man gemeinsam sang oder sich Witze erzählte“. Alles sei geruhsamer, gemütlicher gewesen. Jetzt zückten die Gäste selten ein Instrument, aber regelmäßig das Handy...

    Der erste Schnee liegt am Berg – und bald kommt Inge Wagners Tochter Brigitte samt Enkelkind aus Berlin, um daheim im Allgäu Weihnachten zu feiern. „Es wird das erste Weihnachtsfest für uns als Familie sein, das wir nicht auf der Buronhütte verbringen.“ Wehmut klingt mit, wenn Inge Wagner das sagt.

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