Herr Zehetleitner, wie oft sollte man mit der Sicherheitsausrüstung zur Lawinenrettung üben, um sie im Ernstfall benutzen zu können?
Zehetleitner: Im Prinzip so oft wie möglich. Bei einer Lawinenrettung stehen alle Beteiligten unter größtmöglichem Stress mit maximalster Pulsfrequenz. Jeder kleine Fehler kann hier fatale Auswirkungen haben. Daher ist es wirklich enorm wichtig, die Ausrüstung durch Ausbildung und Training am besten routiniert einsetzen zu können.

Die meisten Leute sind ja gut ausgerüstet abseits der gesicherten Pisten unterwegs. Dementsprechend müsste die Zahl der Lawinenopfer ja abgenommen haben.
Zehetleitner: Wie eben festgestellt, ist das Besitzen und Mitführen der entsprechenden Ausrüstung nur ein Teil des Risikomanagements im Tiefschnee. Auswertungen zeigen, dass etwa die Hälfte aller Personen, die gut ausgerüstet unterwegs sind, nicht in der Lage sind, einen Verschütteten effektiv zu suchen. Es ist erschreckend: Circa 90 Prozent sind nicht in der Lage, den Verschütteten schnell auszuschaufeln! Fatal ist zudem der gängige Trugschluss, dass man beispielsweise mit Lawinenairbags, welche die Überlebenschancen in einer Lawine nur um zehn Prozent erhöhen, ein viel größeres Risiko eingehen kann. Obwohl dies jedem klar sein sollte, ist dies gängige Praxis und häufig sind Wintersportler mit Airbag wesentlich gefährlicher unterwegs. Im Durchschnitt bleibt die jährliche Anzahl der Lawinenopfer in den Alpen in etwa gleich. Ein Rückgang kann wohl nur durch eine solide Ausbildung und Wissen in der Prävention herbeigeführt werden.
Die Allgäuer Winter sind nicht mehr so streng wie früher. Teils liegt – abgesehen von den wirklichen Hochlagen – relativ wenig Schnee. Ist die Lawinengefahr deshalb auch eher gering?
Zehetleitner: Entscheidend für die Lawinengefahr ist weniger die Schneehöhe als primär der Schichtaufbau in der Schneedecke. In der Vergangenheit gab es sogar oftmals in schneearmen Wintern mehr Lawinenunfälle als in schneereichen.
Skitouren auf Pisten sind groß in Mode. Sollte man dabei auch die Sicherheitsausrüstung – Lawinen-Verschütteten (LVS)-Suchgerät, Schaufel und Sonde – dabei haben?
Zehetleitner: Meiner Meinung sollte man hier die Kirche im Dorf lassen. Bei einem Aufstieg über eine Piste ist das potenzielle Kollisionsrisiko mit einem abfahrenden Skifahrer wohl um ein vielfaches höher als das Lawinenrisiko. Hier machen Helm und Rückenprotektor wesentlich mehr Sinn als LVS-Gerät und die übrige Ausrüstung. Vorausgesetzt, man fährt wieder über die Piste ab. Dennoch können Lawinen auch auf gesicherten Skipisten nicht zu hundert Prozent ausgeschlossen werden, wie dieser Winter schon mehrmals gezeigt hat. Daher ist es nie ein Nachteil, immer auf der Piste oder Tour mit einem Recco-Reflektor ausgerüstet zu sein. Definitiv falsch ist die Einstellung, immer mit vollster Sicherheitsausrüstung unterwegs zu sein, weil man keine Ahnung hat.
Weitere Informationen im Internet: www.lawinentag.de