In zwei Wochen soll in den Oberstdorfer und Kleinwalsertaler Bergen der Skibetrieb beginnen. Derzeit liegen in den höheren Lagen der Allgäuer Alpen 30 bis 40 Zentimeter Schnee, also schon eine Grundlage. Nicht nur die Wintersportler stellen die Frage: Wie wird der Winter 2019/2020? Stimmt das, was seit geraumer Zeit in einigen Zeitungen und auf Online-Portalen zu lesen ist? Zum Beispiel in der Bild vor einer Woche: „Wärmster Winter aller Zeiten kommt“, titelte das Blatt.
Wir wollen der Sache auf den Grund gehen und fahren nach Appenzell in der Ostschweiz. Hier, am Fuß des Alpstein-Massivs, hat Meteogroup Schweiz den Firmensitz. Meteogroup ist der größte Wetterdienstleister in Europa und der Chef stammt aus Sonthofen: „Senior Meteorologist“ Joachim Schug hat für uns verschiedene Langfrist-Wettermodelle angeschaut und die Daten interpretiert. Daraus kann der 60-Jährige einen Trend ableiten, wie der Winter wird. Mehr nicht. Aber Immerhin.

Schugs Fazit: Die meteorologischen Wintermonate von Dezember bis einschließlich Februar werden unterm Strich wärmer als im klimatologischen Mittel der Jahre 1980 bis 2010. Aber es ist auch mit mehr Niederschlag als im langjährigen Durchschnitt zu rechnen. Das hieße, dass es ab gewissen Höhenlagen durchaus viel Schnee geben könnte.
Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:
>> Sind Wetterprognosen für ganze Jahreszeiten überhaupt möglich?
Fast alle Wetterdienstleister versuchen, Jahreszeitenprognosen zu erstellen. Das ist aber schwierig. Dennoch gibt es durchaus Faktoren, die für die Entwicklung der kommenden Jahreszeit eine Rolle spielen können. Das sind in erster Linie die Wassertemperaturen der Meere.
>> Wo sind momentan Auffälligkeiten bei den Wassertemperaturen festzustellen?
Beispielsweise gibt es derzeit im nordpazifischen Raum ein großes Gebiet mit deutlich überhöhten Temperaturen des Meeres. Diese Zone reicht von Alaska bis hinunter nach Kalifornien. So etwas hat Einfluss auf die Positionierung von großräumigen Hoch- und Tiefdruckgebieten. Das hat Folgen für das Wetter. So war es in den vergangenen Wochen nach Angaben Schugs in Alaska zehn Grad wärmer als gewöhnlich für die Jahreszeit und es fiel dort noch kein Schnee. Auch das Mittelmeer ist für die Jahreszeit noch sehr warm. Das hat beispielsweise auch dazu geführt, dass es in den vergangenen beiden Wochen auf der Alpensüdseite nahezu rekordverdächtige Niederschlagsmengen gegeben hat.
>> Was ist derzeit an der Temperaturverteilung in Europa bemerkenswert?
Normalerweise sammelt sich ab dem Herbst die Kälte im Nordosten. Dort bildet sich dann auch eine Schneedecke aus, beispielsweise über Skandinavien. Die Temperaturen sinken weit unter null Grad. Kommt der Wind aus Nordosten, kann diese Kälte rasch bis nach Mitteleuropa kommen. Derzeit aber ist es im Norden und in Teilen von Osteuropa noch ungewöhnlich warm. Schug: „Selbst wenn sich eine Nordost-Strömung einstellen sollte, wäre die große Kälte noch weit weg.“ Derzeit aber gehen die Prognosen ohnehin für kommende Woche in Richtung Westwetterlage. Das hieße: unbeständig und relativ mild, kein Winterwetter.
>> An Fellhorn und Kanzelwand soll am 6. Dezember, am Nebelhorn einen Tag später der Wintersportbetrieb beginnen. Wie realistisch ist das?
Schug prognostiziert bis dahin für die Hochlagen (2.000 Meter) eine Schneedecke von etwa 80 Zentimetern. Denn in den nächsten zwei Wochen sei mit eher mildem und unbeständigem Westwindwetter zu rechnen. Ganz oben sollten die Niederschläge aber als Schnee fallen. Für mittlere und tiefe Lagen sieht es vorerst eher schlecht aus.
>> Und der weitere Verlauf des Winters?
Schug hat sich verschiedene Modellrechnungen angeschaut: Das britische, das europäische und das amerikanische Modell berechnen die drei Wintermonate deutlich zu warm und die Niederschlagsneigung auf der Alpennordseite überhöht. Das französische und deutsche Modell gehen von etwas erhöhten Temperaturen aus. Das Modell eines italienischen Wetterdienstes geht von einem durchschnittlichen Winter aus. Schugs Fazit: Oberhalb von 1.300 bis 1.500 Metern könnte sich eine dicke Schneedecke bilden.
>> Und was ist mit Weißen Weihnachten?
Das Weihnachtstauwetter gehört zu den zuverlässigsten Witterungsregeln. Auch Experten wissen nicht, warum.