Beißende Häme hat der Gast für den bayerischen Ministerpräsidenten übrig. Mit dem verbindet ihn allenfalls die Frisur, für die Medien mal den Begriff „Sprungschanzen-Look“ kreiert haben. Es gäbe soviel über die Schwesterpartei CDU in der GroKo zu lästern, aber CSU-Mann Söder dürfe einfach nicht, beiße sich eher die Zunge ab, ruft Kühnert seinem Publikum im Goldenen Hirsch zu. Der Landesvater, der die Verkleidung an Fasching eigentlich so liebe, geht laut Kühnert mal als „Rechtspopulist“, dann wieder als „Öko“, der den Klimaschutz für sich entdeckt habe. „Wir sind gespannt, was als nächstes kommt.“
Kühnert sagt, so sei das eben in Zeiten der Ungewissheiten. Womit sich sein Aschermittwochs-Spott in ein flammendes Plädoyer gegen Rechts wandelt. Denn je unklarer die Lage, desto mehr sind aus seiner Sicht deutliche Ansagen gefragt und nicht Politiker, die ihre Fähnchen in den Wind hängen. Gefressen hat Kühnert den Friedrich Merz, der mit dem Kampf um den CDU-Vorsitz einem „persönlichen Traum“ nachrenne, nach eigenem Bekunden Wähler von der AfD zurückholen wolle und sogleich wieder von Clan- und Ausländerkriminalität schwadroniere – „und das gleich nach den rechtsradikal motivierten Morden von Hanau“. Kühnert: „Wir brauchen Politiker, die keine Nebelkerzen werfen. Wir brauchen viel mehr Menschen, die klar Stellung gegen Rechts beziehen.“
Dazu zählt für den SPD-Vize auch die Solidarität mit Politikern in Kaufbeuren, im Osten und anderswo, die angesichts klarer Positionierungen unter zunehmendem Druck leiden. Er selbst habe kürzlich seine erste Morddrohung über Facebook erhalten. „Bei aller Notwendigkeit zu harter Auseinandersetzung ist eines wichtig: Respekt“, sagt Kühnert. „Also geht pfleglich mit den Mandatsträgern um, seid aufmerksam und schreitet ein.“ Vor diesem Hintergrund seien Aussagen wie die von Merz so gefährlich. Kühnert erinnert an den klaren Beschluss der großen Volksparteien: „Die Brandmauer nach Rechts muss stehen.“ Thüringen habe das Gegenteil gezeigt, „und das war kein Ausrutscher, das war kalkuliert“. Die Reaktion – für Kühnert viel zu lasch: „Danach hat die Parteispitze nur mit dem pädagogischen Zeigefinger gewedelt.“ Dabei brauche es jetzt Leute, die auf den Tisch hauen, statt rumzulavieren. Die Abgrenzung sei gerade im Osten „löchrig wie ein Nudelsieb“.
Seine facettenreiche Rede führt den Juso-Chef auch zu den Ursachen für den Zulauf rechter Parteien, die dort besonders groß sei, wo sich Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit breitmachten. Deshalb sei es so wichtig, das Gemeinwohl zu stärken, Jugendparlamente zu schaffen und sich nicht nur auf Pflichtaufgaben der Kommunen zu beschränken. Der Mietendeckel verschafft der Politik laut Kühnert „eine Verschnaufpause für gemeinwohlorientierten Wohnungsbau“. Die Entwicklung von Flächen und Wohnraum dürfe nicht Konzernen und Spekulanten überlassen werden. Der Öffentliche Nahverkehr gehöre über Abgaben finanziert und nicht über den Ticketverkauf. Auch Kühnerts thematische Ausflüge in die Energiewirtschaft und in den Bildungsbereich – getrieben von gesellschaftlichen Bedürfnissen. Und nochmal klare Kante gegen Rechts: Die AfD habe keine Antworten auf Alltagsfragen der Menschen, sagt er. „Deren Treibstoff sind Hass und Unmut, sie wird alles tun, damit die Unzufriedenheit bleibt.“ Das Publikum beklatscht Kühnerts Worte im Stehen. Die Fliegerhorst-Kapelle spielt.
SPD-Oberbürgermeisterkandidat Pascal Lechler und Fraktionschefin Catrin Riedl spielen sich an diesem Abend die Bälle zu. Riedl macht deutlich, dass sie die vergangenen sechs Jahre im Stadtrat angesichts der knappen Mehrheit von CSU und KI „zum Gruseln“ fand. Dies sei ihre Motivation, nochmal anzutreten und die Machtverhältnisse verschieben zu wollen, um mehr Miteinander und nicht nur Absprachen zu erleben. Lechler geht auf seine zentralen Themen im Wahlkampf ein, darunter mehr sozialer Wohnungsbau unter Federführung der Stadt, eine Belebung sowie Sperrung der Altstadt für den Autoverkehr in den Nachtstunden, die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer, einen Bahnhofs-Neubau, ein Jugendparlamant, mehr Kunst und Kultur. Letztlich wolle er, so Lechler, die Stadt in einem Team voranbringen.
Eines bleibt Kühnert und Lechler an diesem Abend erspart: Ein Fass Bier müssen die beiden nicht anzapfen.