Wie bekommt man zwei Dinge zusammen, die einfach nicht zusammenpassen? Es geht um den Schutz des arbeitsfreien Sonntags und das Freizeitvergnügen mit Einkaufsmöglichkeit an diesem Sonntag – was nur funktioniert, wenn Menschen arbeiten. Damit am Feiertag Christi Himmelfahrt am 30. Mai der Fenepark öffnen und die Besucher eines Oldtimertreffens auf dem Parkplatz davor versorgen darf, haben die Kemptener Stadträte nach Winkeladvokatenmanier zwei Rechtsverordnungen beschlossen. Sie gehen bewusst das Risiko ein, dass die Gewerkschaft Verdi oder die Kirchen dagegen klagen und recht bekommen.
Seit Jahrzehnten lockt der Himmelfahrtsmarkt Tausende nach Kempten. Die Stadt nutzt an diesem Tag eine Ausnahmegenehmigung: Jährlich darf bis zu vier Mal den Einzelhändlern erlaubt werden, ihre Geschäfte an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Sei zwei Jahrzehnten organisieren die Oldtimerfreunde Wiggensbach zeitgleich auf dem Parkplatz des Feneparks ein Treffen, die dortigen Läden öffnen auch. Wie berichtet, darf es das nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aber eigentlich nicht mehr geben. Ladenöffnungen sind nur im engen Umfeld der Besucherströme einer Traditionsveranstaltung erlaubt, in diesem Fall eben des Himmelfahrtsmarktes.
Die Stadtverwaltung hat die Rechtsfolgen des Urteils mit der Gewerkschaft Verdi diskutiert und sich auf einen Kompromiss geeinigt, sagte Rechtsreferent Wolfgang Klaus im Stadtrat. Die Gewerkschaft habe dabei bereits Zugeständnisse gemacht, indem Ladenöffnungen bis zum Forum Allgäu möglich sind. Auch dieses ist immerhin bereits ein gutes Stück vom Himmelfahrtsmarkt entfernt.
Die Stadträte sollten während ihrer jüngsten Sitzung eine Verordnung verabschieden, wonach künftig Läden ausschließlich entlang der Fußgängerzone bei solchen Anlässen geöffnet werden dürfen. Doch Alexander Hold, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler und lange Jahre Richter, wollte auch das Oldtimertreffen am Fenepark ermöglichen. Er schlug vor, die Verordnung erneut – begrenzt auf dieses Jahr – um dieses Areal zu erweitern. Sowohl der städtische Rechtsdirektor als auch andere im Stadtrat vertretene Juristen meldeten höchste Bedenken an.
Eine halbe Stunde lang wurden alle möglichen juristischen Möglichkeiten ausgelotet – und wieder verworfen. Sie waren alle rechtlich zu krumm. CSU-Fraktionsvorsitzender Erwin Hagenmaier unterstützte die Bemühungen, da die Oldtimerfreunde für das diesjährige Treffen bereits viel vorbereitet haben und „eine Absage eine große Enttäuschung für alle wäre, die sich ehrenamtlich engagieren“.
Die Stadträte beschlossen am Ende zwei Verordnungen: eine für den Himmelfahrtsmarkt und die Innenstadtläden, eine zweite (beschränkt auf 2019) für das Oldtimertreffen und den Fenepark. Dabei wurde die zweite Veranstaltung schlicht als eigenständige und sozusagen zufällig zeitgleiche deklariert.
Grünen-Stadträtin Erna-Kathrein Groll ist Mitglied in der sogenannten „Sonntagsallianz“, die diesen Tag so weit wie möglich arbeitsfrei erhalten will. Sie bezeichnete das Vorgehen als „Salamitaktik“. Es sei ein beliebter Trick, scheibchenweise die Läden immer mehr zu öffnen.
Rechtsdirektor Klaus verband mit der jetzigen Regelung die Hoffnung: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Die Stadträte warten nun gespannt darauf: Klagt Verdi? Das Wichtigste aus Sicht der Stadträte ist allerdings etwas anderes: Selbst wenn die Gewerkschaft gegen das Oldtimertreffen klagt und gewinnt, ist der Himmelfahrtsmarkt unangreifbar. Denn der ist ihnen angesichts der Magnetwirkung heilig.