"Die Gefahrenstellen sind weit verbreitet und auch für Geübte kaum zu erkennen", mit diesen Worten hatte der Tiroler Lawinenwarndienst auf die große Lawinengefahr am Samstag aufmerksam gemacht. Während die meisten Skitourengeher offenbar daheim bleiben, sind in vielen Skigebieten Variantenfahrer im freien Gelände unterwegs.
Es kommt, wie es kommen muss: Wie an keinem anderen Tag bisher in diesem Winter gehen in den Skigebieten zahlreiche Lawinen ab und verschütten Skifahrer. Einige können in Tirol gerettet werden, ein Skifahrer und ein Arbeiter sterben, drei werden noch vermisst. Die Chronik eines dramatischen Lawinentages.
Schwarzer Lawinen-Samstag in Tirol fordert mehrere Todesopfer
10.20 Uhr: St. Anton am Arlberg: Ein Skiführer fährt mit zwei Gästen vom Kapall aus über die Variantenabfahrt „Törli“ ab. In einer Rinne löst sich eine Schneebrettlawine und reißt den Skiführer (29), sowie den 33-jährigen österreichischen Gast mit. Beide werden komplett verschüttet. Der 64-jährige Gast setzt sofort einen Notruf ab. Die Besatzung eines Notarzthubschraubers rettet ihn unverletzt. Ein Sucheinsatz nach den Verschütteten ist wegen der hohen Lawinengefahr nicht möglich. Die Suche soll nun am Sonntag aufgenommen werden. Um die Retter nicht zu gefährden wurden dazu Lawinen gesprengt. Update: Am Sonntag dann traurige Gewissheit: Retter bergen die beiden Verschütteten tot aus der Rinne.
11 Uhr: Kaltenbach: Ein 17-jähriger Neuseeländer will im Hochzillertal im freien Gelände den Neuschnee genießen. Nördlich der gesperrten schwarzen Piste Nummer 3 ist er außer Sichtweite seiner Angehörigen in stark kupiertem Gelände unterwegs. Als er am vereinbarten Treffpunkt nicht auftaucht und telefonisch nicht erreichbar ist, alarmiert die Familie die Pistenrettung. Schließlich wird der 17-Jährige in einer Lawine geortet. Unter den Augen der Familie graben die Retter gegen 12.15 Uhr die Leiche des Jugendlichen aus.
11 Uhr, Mayrhofen: Ein Augenzeuge will gesehen haben, wie im im Skigebiet „Penken“ im Bereich der „150er Tux – Gondel“ im freien Skiraum eine große Schneebrettlawine einen Snowboarder mitreißt. Eine Suchaktion mit insgesamt 34 Mann und einem Lawinensuchhund wird gestartet. Es gibt aber keine Hinweise auf einen Verschütteten. Um 15 Uhr brechen die Retter die Suche abgebrochen, weil die Gefahr einer Folgelawine zu groß ist.
11.30 Uhr, Fieberbrunn: Drei schwedische Skifahrer im Alter von 48, 50 und 51 Jahren fahren im „Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn“ in die Variantenabfahrt östlich des Gipfelmassivs „Henne“ ein. In dem steilen Hang löst sich eine Lawine und reißt den 48-Jährigen und den 50-Jährigen mit. Der 50-Jährige löst seinen Airbag aus, wird rund 150 Meter mitgerissen und kommt an der Oberfläche der Lawine zum liegen. Andere Skifahrer graben ihn aus. Der Mann kommt ins Krankenhaus St. Johann. Sein 48-jähriger Begleiter hatte seinen Airbag-Rucksack nicht mehr auslösen können. Auch wird von den Schneemassen mitgerissen und verschüttet. Bergretter lokalisieren den schwer am Bein verletzen den Mann und gaben ihn aus.
11.50 Uhr, Hippach: Eine Australierin (37), ihr Landmann (36) und ein Neuseeländer (41) fahren im Skigebiet Horberg in Hippach im freien Gelände unterhalb des Sesselliftes Gerent einen rund 35 Grad steilen Hang ab. Dabei löst sich ein rund 50 Meter breites Schneebrett. Die 37-Jährige wird über 100 Meter mitgerissen und bis zum Hals verschüttet. Die Begleiter graben die Frau aus und setzten einen Notruf ab. Die Sicht ist für einen Hubschrauber zu schlecht, Die Pistenrettung birgt die Frau. Sie kommt mit einer schweren Beinverletzung ins Krankenhaus Schwaz.
12.30 Uhr, Hintertuxer Gletscher: Fünf Tschechen im Alter von 13, 16, 24, 39 und 43 Jahren fahren auf dem Hintertuxer Gletscher in das rund 40 Grad steile Variantengelände am Sessellift Lärmstange ein. Drei der Skifahrer halten an einer gefährlichen Geländekante an, dabei löst sich ein Schneebrett. Sie werden mitgerissen. Ein Tscheche wird nicht, einer teilweise und der 16-Jährige vollständig verschüttet. Sein Vater ortet seinen verschütteten Sohn mit dem LVS-Gerät und kann ihn unverletzt ausgraben.
14 Uhr, Schwaz am Schlinglberg : Unterhalb des Arbeserkogel geht eine Lawine auf die Rodelbahn Kellerjoch ab. Bergretter suchen das Areal mit Lawinenhunden ab. Glücklicherweise wurde niemand verschüttet.
Tourengänger stirbt in Kaunerberg: Noch um 10 Uhr bricht ein 62-jähriger Österreicher zu einer Skitour auf die Hohe Aifnerspitze in Kaunberberg auf. Sein Hund kommt gegen 13.30 Uhr alleine nach Hause zurück, Angehörige alarmieren sofort die Bergrettung. Diese entdeckt auf der Südostseite der Hohen Aifnerspitze einen frischen Lawinenabgang. Eine Suchaktion bleibt ergebnislos. Eine Bodensuche der Alpinpolizei und der Bergrettung Kaunertal ist wegen der akuten Lawinengefahr in dem steilen und weitläufigen Gelände nicht möglich. Die Suche nach dem Mann wird am Sonntag fortgesetzt, auf einer Höhe von 2110 Metern orten die Retter ein Signal und graben die Leiche des Tourengehers aus.
Weitere Lawinenabgänge am Sonntag
Debanttal in Osttirol: Am Vormittag wird ein Arbeiter bei Schneeräumarbeiten im Debanttal (Bezirk Lienz) von einer Lawine mitgerissen. Bei einer Suchaktion am Sonntag finden Retter den Traktor des Mannes und den Mann selbst. Der Notarzt kann nur noch seinen Tod feststellen.
Längenfeld: Eine Schneebrettlawine reißt drei Tourengeher beim Aufstieg zum Innerberger Felderkogel in die Tiefe. Die Lawine geht bis in den Talboden des Eiskars ab und hat eine Länge von rund 400 Meter. Zwei Tourengeher konnten ihren Airbag-Rucksack auslösen und werden nicht beziehungsweise nur teilweise verschüttet. Ein 55-jähriger Imster wird total verschüttet. Letzteren können die Begleiter zwar noch orten und bergen. Der eintreffende Notarzt des Notarzthubschraubers stellt dann aber den Tod des Mannes fest.
Schirn im Innsbrucker Land: Eine sechsköpfige Gruppe von Skitourengehern bricht vom Gemeindegebiet von Schmirn in Richtung der „Hohe Warte“ auf. Wegen der angespannten Lawinensituation bricht die Gruppe die Tour ab und will über einen maximal 25 Grad steilen Hang abfahren. Dabei löst sich von einem 45 steilen Osthang eine Schneebrettlawine. Ein 53-Jähriger wird teilweise erschüttet und kann sich aus der Lawine befreien. Die drei bereits abgefahrenen Tourengeher versuchen der Lawine zu entkommen. Dabei werden zwei Frauen (eine 54-jährige Frau aus Innsbruck und eine 49-jährige Frau aus Deutschland) von den Schneemassen erfasst und total verschüttet. Lediglich jeweils eine Hand bleiben an der Oberfläche sichtbar. Die beiden Frauen können durch einen nicht verschütteten Gruppenteilnehmer rasch aus der Lawine befreit werden. Die 49-jährige Frau wurde am rechten Handgelenk leicht verletzt, die 54-Jährige blieb unverletzt.
Hippach, Bezirk Schwaz: Ein 42-jähriger Skifahrer aus Polen fährt im Gemeindegebiet von Hippach im Skigebiet Horber in den freien und ungesicherten Skiraum ein. Einige Meter später löst sich ein Schneebrett. Der Pole wird von dem Schneebrett erfasst und verliert dabei einen Skie. Er wird aber nicht von der Lawine verschüttet und bleibt unverletzt.
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