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Gletscherschwund in Tirol: Forscherin warnt vor dramatischen Veränderungen - auch für Touristen

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Gletscherschwund in Tirol: Forscherin warnt vor dramatischen Veränderungen - auch für Touristen

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    Beliebtes Skigebiet: Am Stubaier Gletscher sausen Winter für Winter Tausende Touristen und Einheimische hinab.
    Beliebtes Skigebiet: Am Stubaier Gletscher sausen Winter für Winter Tausende Touristen und Einheimische hinab. Foto: Sachelle Babbar/ZUMA Press Wire, dpa

    Andrea Fischer geht beruflich hoch hinaus. Die Glaziologin aus Österreich verfolgt seit zwei Jahrzehnten die Entwicklung der Gletscher und hat dabei Warnsignale vernommen, die nicht zu überhören und -sehen sind.

    „Wir haben 20 Jahre starken Gletscherschwund hinter uns. Und die letzten zwei bis drei Jahre waren extrem“, betont die Vizedirektorin am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Gespräch mit dem Meteorologen Alexander Hildebrand auf dem Stubaier Gletscher mitten in den Alpen: „Hier sind die Gletscher in einer Art zurückgegangen, wie man sich das bislang nicht vorstellen konnte.“

    Gletscherschwund in den Alpen: Welche Folgen hat das für die Menschen?

    Die unmittelbaren Folgen sehen laut Fischer so aus: „Das Wasserdargebot wird sinken, wird auf null gehen, die Schmelzwasserproduktion.“ Dies führe den Menschen den Klimawandel vor Augen, es seien aber nicht die drastischsten Auswirkungen. Spürbar werden demnach vor allem der Meeresspiegelanstieg, Starkniederschläge und speziell deren Häufung im Sommer sowie Änderungen im Ökosystem, die sich etwa auf Wälder und die Landwirtschaft niederschlagen.

    Zudem könnten sich die Meeresströmungen ändern, „in einer Art, die wir jetzt noch nicht vorhersehen können, die aber sehr große und sehr rasche Auswirkungen auf das europäische Klimasystem insgesamt haben können – eine Abkühlung im Norden, auch Änderungen des Niederschlagsdargebots“.

    Bezogen auf den Stubaier Gletscher in Tirol sei vermehrt zu beobachten, „wie sich die Oberfläche ändert, und wie sich die Höhe ändert, weil ja auf diesen Gletschern Skigebiet betrieben wird“. Deshalb seien Vorkehrungen zu treffen: „Die Stützen (der Skianlagen) sind direkt ins Eis montiert und hier muss man auch Sorge tragen dafür, dass das Skigebiet weiter betrieben werden kann, dass Anpassungen rechtzeitig stattfinden und dass insgesamt auch die Sicherheit gewährleistet ist, weil es ein sehr stark touristisch genutzter Bereich ist.“

    Gletscherschwund in Tirol: Was bedeutet das für den Tourismus?

    Zum Thema Permafrost – also dem dauerhaft gefrorenen Boden – erklärt Österreichs Wissenschaftlerin des Jahres 2023: „Es schmilzt hier Eis aus dem Untergrund aus, dadurch setzt sich die Masse in Bewegung, stellenweise kommt es zu Felsstürzen, zu Murgängen, die dadurch verursacht werden. Das ist etwas, was sich nur sehr schwer prognostizieren lässt. Im Unterschied zur Lawinengefahr gibt es derzeit auch noch kein Warnsystem.“

    Laut Fischer müsse hinsichtlich der Gletscher abgewogen werden, „wie viel Raum man dem Tourismus zugesteht und wie intensiv die Nutzung sein sollte“. Die Auswirkungen auf die Menschen seien vielschichtig.

    So erwähnt sie auch einen positiven Nebeneffekt: „Woran man nicht sofort denken würde, sind Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Da durch die hohen Touristenzahlen, die insbesondere beim Skitourismus auch hin und wieder mal einen Unfall haben, hier eine sehr viel bessere Gesundheitsinfrastruktur auch für die lokale Bevölkerung zur Verfügung steht, als sie nur für die kleine Anzahl von Bewohnern in diesen Dörfern zur Verfügung stehen würde.“

    Gletscherschwund setzt sich fort: Wie sehen die konkreten Zahlen aus?

    Im Vergleich zu einem Interview mit der ÖAW Anfang des Jahres 2024 drückte sich Fischer offensichtlich noch vorsichtig aus. Denn damals sagte sie zum Zustand der Gletscher: „Mit einem Wort: prekär. Mit drei Worten: Das Ende naht.“ Untersuchungen hätten gezeigt, „dass die letzten 6000 Jahre im Mittel deutlich gletschergünstiger waren als heute, und dass solche Schmelzperioden wie wir sie jetzt erleben, falls überhaupt, nur kurz aufgetreten sind“.

    Der Österreichische Alpenverein hatte in seinem Gletscherbericht für das Gletscherhaushaltsjahr 2022/2023 festgehalten, dass sich 92 der 93 untersuchten Gletscher in Österreich zurückgezogen hatten. Den traurigen Spitzenwert erreichte die Pasterze in Kärnten mit 203,5 Metern, gefolgt vom Rettenbachferner in Tirol mit 127 Metern.

    Der durchschnittliche Schwund der Eisriesen betrug 23,9 Meter – das ist der dritthöchste Wert in der 133-jährigen Geschichte des Alpenverein-Gletschermessdienstes. Übertroffen nur von den Jahren 2021/2022 mit 28,7 Metern und 2016/2017 mit 25,2 Metern. Die Experten sprachen von einem weiteren „Warnsignal an die Klimapolitik“.

    Übrigens: Ein Skigebiet in Tirol ist als weltbestes Skigebiet ausgezeichnet worden. Auch der höchste Skiort Österreichs ist in Tirol beheimatet. Die Regeln für Après Ski werden in einem Tiroler Skigebiet verschärft. Derweil wird Skifahren ein immer teureres Vergnügen.

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