Sieben Minuten – so lange dauerte der Schulamoklauf am vergangenen Dienstag, der in Österreich wie auch international für Entsetzen, Trauer und zunehmend auch für intensive Diskussionen über Waffenrecht, psychische Gesundheit und Sicherheit an Schulen sorgt.
Am Donnerstagvormittag traten in Graz erstmals die zuständigen Ermittler von Staatsanwaltschaft und Landespolizeidirektion Steiermark (LPD) vor die Presse, um erste Ergebnisse der Tatrekonstruktion bekannt zu geben. Dabei wurde klar: Der 21-Jährige, der am Dienstagmorgen in nur wenigen Minuten zehn Menschen und danach sich selbst erschoss, hatte seine Tat akribisch geplant. Neben einem schriftlichen Abschiedsbrief und einem Video, dass der ehemalige Schüler für seine Eltern aufgenommen hatte, fanden die Ermittler an der Adresse des Täters auch einen detaillierten, handschriftlich verfassten Plan – der Täter listete genauestens auf, wo und wann er im Schulgebäude zuschlagen wollte.
Was genau ihn zur Tat gebracht hatte, ist weiter unklar: Anhaltspunkte für ein Motiv wären aus den Botschaften keine ersichtlich, auch gebe es dort „keine Hinweise auf eine emotionale Bewegung“ des Täters, sagte Michael Lohnegger von der LPD Steiermark. Der Ermittler schilderte, wie die sieben Minuten abgelaufen waren: Mit einem Rucksack, in dem sich Munition und die beiden Waffen befanden – eine Glock-Pistole und eine doppelläufige Flinte mit abgesägtem Lauf – betrat der 21-Jährige um 9.47 Uhr das Schulgebäude, in einer Toilette im dritten Stock legte er einen Waffen-Gürtel mit einem Messer an, setzte sich eine Schiessbrille und ein Headset auf, wechselte dann in den zweiten Stock und begann wahllos auf Schüler zu schießen. Kurz darauf kehrte er in den dritten Stock zurück, schoss ein bereits versperrtes Klassenzimmer auf und feuerte dort ebenfalls auf Schüler sowie auf eine Lehrerin – die Frau erlag noch am Dienstagabend im Spital ihren Verletzungen. Sie hatte den Ex-Schüler selbst unterrichtet, bevor dieser vor drei Jahren die Schule abbrach und das Gymnasium verließ. Ob diese Verbindung ein Motiv für den Täter dargestellt habe, sei derzeit noch Gegenstand der Ermittlungen, sagte Lohnegger. Klar sei aber: Ein Naheverhältnis zwischen den ermordeten Schülern und dem Täter habe es keines gegeben. Um 10.07 Uhr, eine Minute nach dem Eintreffen der ersten Polizeistreife, erschoss sich der Täter in einer Toilette.
Nach dem Amoklauf von Graz gibt es Angst vor Nachahmungstätern
Den Ermittlungserkenntnissen nach dürfte der Täter passionierter Video-Spieler gewesen sein und Ego-Shooter Spiele bevorzugt haben. Ein enger Freund des Täters soll den jungen Mann als „sehr introvertiert“ beschrieben haben, er soll „nicht am Leben in der realen Welt teilgenommen“ haben und sich lieber „in der virtuellen Welt“ bewegt haben. Dass die später bei ihm zu Hause gefundene Rohrbombe nicht funktionstüchtig gewesen war, dürfte dem Täter bewusst gewesen sein. Zum Zeitpunkt der Tat sollen sich laut Polizei 350 bis 400 Schülerinnen und Schüler im Gebäude befunden haben. Und: Die Polizei sorgt sich wegen möglicher Nachahmungstäter, entsprechende Vorfälle und Drohungen habe es bereits gegeben. Bundesweit seien Spezialkräfte derzeit in erhöhter Alarmbereitschaft.
Der Amokläufer von Graz wurde beim Bundesheer als untauglich eingestuft
Für Aufsehen sorgt in Österreich ein weiteres Detail aus der Vergangenheit des Täters: Wie das österreichische Verteidigungsministerium am Donnerstag gegenüber dem ORF-Radio bestätigte, dürfte der spätere Schütze bei der Musterung („Stellung“) beim Bundesheer „aus psychologischen Gründen“ als untauglich eingestuft worden sein – Austausch mit zivilen Behörden gebe es „aus datenschutzrechtlichen Gründen derzeit nicht“. Wer in Österreich Zivildienst leitet, dem sind Erwerb und Besitz von Schusswaffen per Gesetz für einen Zeitraum von 15 Jahren verboten. Die neuen Erkenntnisse sorgen nun in Österreich für eine Diskussion über mögliche Verschärfungen des Waffenrechts. „Wenn wir zum Schluss kommen, dass das Waffengesetz geändert werden muss, dann werden wir das auch tun“, sagte etwa Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei einem Besuch in Graz am Mittwochabend. Für Donnerstagabend wurde auch im Wiener Stephansdom ein Gedenkgottesdienst angekündigt.
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