Am höchsten jüdischen Feiertag haben Hinweise auf eine mögliche Bedrohung für die Synagoge in Hagen zu einem großen Einsatz der Polizei geführt. Nach stundenlangem Warten gaben die Behörden schließlich Entwarnung. Doch die jüdische Gemeinde konnte ausgerechnet an Jom Kippur nicht zu einem traditionellen Gebet zusammenkommen. Schnell wurden auch die Erinnerungen an den Terroranschlag in Halle in Sachsen-Anhalt an Jom Kippur vor zwei Jahren wach. Zu den Hintergründen, die zu der Warnung führten, äußerte sich die Polizei in der Nacht zum Donnerstag zunächst nicht.
Doch dass die Einsatzkräfte ihre Hinweise sehr ernst nahmen, wurde an der Hagener Synagoge am Mittwochabend schnell deutlich. Zahlreiche Kräfte mit Maschinenpistolen wurden zusammengezogen, um das Gebäude der jüdischen Gemeinde vor einer mögliche Gefahr zu schützen. Die Polizei teilte zunächst lediglich mit, dass es für die Synagoge in der Stadt im südöstlichen Ruhrgebiet eine "mögliche Gefährdungslage" gebe. "Polizeiliche Schutzmaßnahmen wurden entsprechend angepasst."
Gefahr wurde bereits am Nachmittag bekannt
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) wurde eingeschaltet. "Der Minister ist umfassend informiert über die mögliche Gefährdungslage", sagte ein Sprecher. Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz eilte zur Synagoge. "Wir sind gegen Antisemitismus, wir lassen uns sowas nicht gefallen", betonte er.
Um 19.00 Uhr hätte sich die jüdische Gemeinde eigentlich zu einem Gebet in der Synagoge versammelt. Am höchsten Feiertag des jüdischen Glaubens, dem Versöhnungstag, endet die Gedenk- und Bußzeit seit dem jüdischen Neujahrsfest Anfang September.
Doch die mögliche Gefahr wurde bereits am späten Nachmittag bekannt. Der Gottesdienst wurde kurzfristig abgesagt, der Bereich um die Synagoge in der Innenstadt war weiträumig abgesperrt. Die meisten Mitglieder der Gemeinde hätten noch telefonisch über die Absage des Gottesdienstes informiert werden können und seien gar nicht zur Synagoge gekommen, sagte der Polizeisprecher. Einige seien an den Absperrungen von der Polizei informiert und wieder nach Hause geschickt worden. Dies sei sehr ruhig und ohne Panik abgelaufen. Die jüdische Gemeinde in Hagen ist klein. Sie hatte 2020 laut Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland 264 Mitglieder.
Schließlich trafen Spürhunde ein und durchsuchten das Gebäude. Draußen wurde mehr und mehr klar, dass sich die Situation wohl entspannt. Die Einsatzkräfte nahmen ihre Helme hab, hatten nicht mehr ständig den Finger am Abzug ihrer Maschinenpistolen. Heimkehrende Anwohner durften durch die Polizeisperre und wurden von Polizisten bis zu ihren Wohnungen begleitet.
Erinnerungen an den Terroranschlag von Halle
Jom Kippur ist für das jüdische Leben in Deutschland ein denkwürdiger Tag. Vor zwei Jahren - damals fiel der Versöhnungstag auf den 9. Oktober - hatte ein bewaffneter Rechtsextremist versucht, gewaltsam in die Synagoge von Halle in Sachsen-Anhalt einzudringen. Als die Tür standhielt, erschoss er in der Nähe zwei Menschen und verletzte auf der Flucht zwei weitere.
In Hagen machte sich am frühen Donnerstagmorgen Erleichterung breit. "Die polizeilichen Maßnahmen vor Ort sind abgeschlossen. Es konnten vor Ort keine Hinweise auf eine Gefährdung festgestellt werden", teilte die Polizei weit nach Mitternacht mit. Es lägen auch keine Hinweise vor, dass andere jüdische Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gefährdet sein könnten. Zu den Hintergründen, die zu der großen Sorge um die jüdische Gemeinde in Hagen führten, äußerten sich die Ermittler zunächst nicht. (Lesen Sie auch: "Weg der Religionen": Christen, Juden, Muslime und Buddhisten ziehen gemeinsam durch Marktoberdorf)