Ein Blick, eine Geste, ein Wort – oft spüren wir, wie es anderen geht. Empathie verbindet, stärkt Beziehungen und erleichtert das Verstehen. Doch nicht jeder empfindet sie gleich. Kann man Einfühlungsvermögen lernen, oder ist es angeboren? Forschungen zeigen, dass sich die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, verändern kann. Mit einigen Übungen kann das trainiert werden.
Das Lexikon der Psychologie von Dorsch definiert Empathie im affektiven Nachempfinden der vermuteten Emotionen eines anderen Lebewesens. Die Emotionen werden aktiv nacherlebt, weil das Gegenüber sie empfindet. Entscheidend ist die Selbst-Andere-Differenzierung: Die emotionale Regung bleibt dem anderen zugeordnet und wird nicht als eigene erlebt. Dieses Verstehen beruht auf kognitiven Prozessen, die die emotionale Perspektive des Gegenübers erfassen. Empathie gilt in der Psychologie als Fähigkeit, deren Ausprägung individuell ist. Sie ist die Grundlage für die eigene Emotionale Intelligenz.
Drei Arten von Empathie
Empathie zeigt sich laut dem Geo Magazin in verschiedenen Formen:
- Emotionale Empathie – Menschen empfinden die Gefühle anderer unmittelbar nach und reagieren sensibel darauf.
- Kognitive Empathie – Sie umfasst das Verstehen nicht nur von Emotionen, sondern auch von Gedanken und Absichten. Daraus lassen sich Verhaltensweisen ableiten.
- Soziale Empathie – Ein neuerer Begriff, geprägt von der Soziologin Elizabeth Segal in den 2010er-Jahren. Sie beschreibt die Fähigkeit, in sozialen Systemen wie Teams, Unternehmen oder Familien Zusammenhänge zu erkennen und Verhalten zu verstehen.
Diese drei Arten werden in der Theorie unterschieden, allerdings vereinen wir sie alle in uns. Bei manchen ist die emotionale Empathie stärker ausgeprägt und bei anderen die soziale. Allerdings ist das kein unveränderlicher Zustand – das eigene Einfühlungsvermögen kann nämlich trainiert werden.
Kann man Empathie lernen?
Eine aktuelle Studie der Würzburger Neurowissenschaftlerin Grit Hein zeigt: Empathie ist keine feste Größe, sondern kann erlernt und verlernt werden. Nicht nur Kinder übernehmen empathisches Verhalten durch Beobachtung, auch Erwachsene sind formbar. Hein gelang es, dieses soziale Phänomen mit mathematischen Modellen – sogenanntem Computational Modeling – zu erfassen. Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) konnte sie sichtbar machen, wie sich Empathie im erwachsenen Gehirn verändert. Ihr Experiment zeigt, dass Versuchsteilnehmer und -teilnehmerinnen empathischer oder weniger empathisch wurden, abhängig davon, ob sie mitfühlende oder gleichgültige Reaktionen bei anderen beobachteten.
Die Ergebnisse legen nahe, dass sich Empathie über soziale Interaktionen überträgt. „Man muss einfach wissen, dass auch Erwachsene durch Beobachten Empathie erlernen oder verlernen, und zwar selbst von Personen, die sie nicht kennen“, erklärt Hein. Ein Umfeld, das Mitgefühl fördert, stärkt langfristig ein empathisches Miteinander. Umgekehrt führt eine kühle, distanzierte Atmosphäre dazu, dass Empathie schwindet. Wer aus Spargründen oder Zeitmangel ein Arbeitsklima ohne Empathie schafft, beeinflusst damit unbewusst die Haltung der Mitarbeitenden – mit direkten Folgen für den Umgang mit Kunden oder Patienten. Die Studie zeigt: Es lohnt sich, in ein empathisches Umfeld zu investieren.
Mit diesen Tipps Einfühlungsvermögen stärken
Was ist, wenn man selbst unabhängig vom eigenen Umfeld sein Einfühlungsvermögen stärken möchte?
Dafür gibt es einige Tipps und Übungen von der Techniker Krankenkasse:
- Beobachten und genau hinsehen
Wer Empathie trainieren möchte, kann beginnen, Mimik, Tonfall und Gestik anderer bewusst wahrzunehmen. Nicht nur die Worte zählen, sondern auch nonverbale Signale. Wer diese besser zuordnen kann, versteht andere schneller und treffsicherer. - Aktives Zuhören
Eine kurze Zusammenfassung dessen, was das Gegenüber gesagt hat, hilft, Missverständnisse zu vermeiden. Auch das subtile Spiegeln von Gesten und Mimik kann die Verbindung stärken. Oft geschieht dies unbewusst: Kratzt sich eine Person am Kopf, tun wir es manchmal automatisch auch. So kann aktives Zuhören das Wohlbefinden auf beiden Seiten steigern. - Offen sein
Empathie entsteht, wenn wir uns ohne Vorurteile auf andere einlassen. Wer Bewertungen bewusst zurückstellt, kann tiefer in die Perspektive des Gegenübers eintauchen. Forschende vermuten, dass offene Menschen glücklicher, gesünder und kreativer sind – sie nehmen ihre Umwelt intensiver wahr. - Zeit nehmen
Wer emotionale Intelligenz stärken möchte, kann sich bewusst Zeit für tiefere Gespräche nehmen. Aufmerksames Fragen und echtes Interesse – egal ob bei Triumph oder Niederlage – fördern ein empathisches Miteinander. - Ausreden lassen
Unterbrechungen signalisieren Ungeduld oder fehlendes Interesse. Wer andere ausreden lässt, zeigt Wertschätzung und vermeidet das Gefühl, dass eigene Gedanken wichtiger seien. Empathische Menschen erkennen, warum dies verletzend sein kann. - Hinterfragen und nachfragen
„Wie“- und „Was“-Fragen öffnen Gespräche und führen in die Tiefe. Sie ermöglichen dem Gegenüber, Gedanken ausführlich zu entfalten – anders als einfache Ja- oder Nein-Fragen. - „Liebende-Güte-Meditation“ praktizieren
Diese Meditation, entwickelt von Psychologin Olga Klimecki, kann helfen, Empathie zu fördern. Dabei richtet man zunächst freundliche und liebevolle Gedanken an sich selbst – etwa mit Sätzen wie „Möge ich frei und glücklich sein“ oder „Möge ich in Frieden leben“. Schritt für Schritt weitet man diese Gedanken auf andere aus: erst auf Familie und enge Freunde, dann auf weitere Bekannte. Diese Übung kann helfen, nachsichtig und einfühlsamer anderen gegenüber zu werden. - Rollenspiele und Theater nutzen
In eine andere Rolle zu schlüpfen, fördert das Einfühlungsvermögen laut Utopia. Wer sich fragt, was eine Figur fühlt oder warum sie auf eine bestimmte Weise handelt, kann lernen, sich besser in fremde Perspektiven hineinzuversetzen.
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