Empathie macht uns soziale Wesen aus. Das Hineinfühlen in andere motiviert uns maßgeblich dazu, anderen zu helfen und damit auch Beziehungen zu stärken. Allerdings hat Empathie auch eine Schattenseite: Wer zu stark mit anderen mitschwingt, wird neben eigenen Problemen auch mit denen anderer belastet. Das kann uns auf Dauer schaden. In der Forschung gibt es bereits einige Ansätze, um der Mitgefühlmüdigkeit entgegenzuwirken.
Empathie und Stress
Empathie wirkt wie ein Spiegel. „In unserem Gehirn werden die Zentren aktiv, die auch aktiviert werden, wenn wir selbst das Gefühl spüren“, erklärt die Moderatorin Jasmina Neudecker bei TerraX Explore. Wer eine traurige Person sieht, fühlt selbst Traurigkeit. Doch nicht nur Emotionen wie Freude oder Trauer übertragen sich. „Ganz verschiedene Zustände übertragen sich im Menschen; nicht nur Trauer und Freude, auch sowas wie Stress“, sagt Prof. Dr. Philipp Kanske von der TU Dresden im Wissenschaftsformat.
Ein Experiment zeigt, wie eng Empathie und Stress verbunden sind. Versuchsteilnehmende beobachten durch ein verspiegeltes Fenster ein simuliertes Jobinterview. Während eine Person unter Druck gerät, messen Forschende, wie viel Stress die Beobachtenden empfinden. Die Ergebnisse zeigen: Je stärker die Empathie, desto intensiver die körperliche Reaktion. Mitfühlen verbindet uns, stärkt Beziehungen und schafft Nähe. Doch wer keine Grenzen setzt, kann mit der Zeit erschöpfen. Empathie braucht Balance. Dafür lohnt sich der Blick dahin, was Empathie ausmacht und woraus sie sich zusammensetzt, denn genau hier liegt der Schlüssel laut der aktuellen Forschung.
Die drei Säulen der Empathie
Mitgefühl, Mitleiden und kognitive Perspektivübernahme (auch Theorie of Mind genannt) – diese drei Säulen machen Empathie aus. Wer stark unter dem eigenen Empathieempfinden leidet, zeigt besonders starke Reaktionen im Bereich mit-leiden, laut Prof. Dr. Philipp Kanske. Um selbst weniger stark zu leiden, hilft bereits eine Veränderung des Mindsets in Richtung mit-fühlen.
Denn Mitgefühl geht einen Schritt weiter: Statt nur mitzuleiden, lenkt es die Aufmerksamkeit auf positive Emotionen wie Fürsorge und Wärme. Dieser Wechsel entlastet und aktiviert andere Gehirnareale, die helfen, sich emotional abzugrenzen. Ergänzend dazu ermöglicht die „Theory of Mind“, also die kognitive Perspektivübernahme, das Verstehen fremder Gedanken und Absichten. Sie hilft, sich nicht nur in nahe Bezugspersonen, sondern auch in Menschen außerhalb der eigenen Gruppe hineinzuversetzen. Erst das Zusammenspiel dieser drei Fähigkeiten fördert echtes Verständnis und gezielte Unterstützung in schwierigen Situationen – ohne selbst darunter zu leiden.
7 Tipps: So können wir unser Wohlbefinden schützen
Einige Menschen in Care-Berufen, aber auch in ihrem privaten Umfeld, leiden darunter zu empathisch zu sein. Damit ein Wechsel von mitleiden zu mitfühlen klappen kann, gibt unter anderem die systemische Coachin Wiebke Grimming im Interview mit Deutschlandfunk Nova Ratschläge. Grenzen setzen ist hier das Hauptmotiv: „Es hat innerlich in mir immer einen Dialog gegeben. Von wegen: ‚Der meint es nicht so.‘ Das habe ich über Empathie geregelt, anstatt meine Grenze zu setzen“, erklärt Wiebke Grimmig. Nun hat sie Tipps, wie es klappen kann:
- Eigenes Verhalten reflektieren: Beobachten, wie man in bestimmten Situationen agiert: Hört man lange zu oder übernimmt viel für andere? Ein bewusst gewähltes Symbol, wie ein Schmuckstück, kann helfen, sich direkt in solchen Momenten herauszuzoomen.
- Über Muster sprechen: Mit Freunden und Freundinnen offen darüber reden, welche Verhaltensweisen man ändern möchte. Gemeinsam daran zu arbeiten, kann unterstützen und motivieren. Emotionale Intelligenz kann dabei helfen.
- Zeichen setzen: Grenzen lassen sich auch subtil kommunizieren. Kleine Gesten, Mimik oder humorvolle Hinweise können helfen, die eigene Belastungsgrenze auf freundliche Weise zu signalisieren.
- Nein sagen lernen: Laut Brigitte liegt hier ein wichtiger Schritt beim Grenzensetzen: Wer ständig für andere da ist, vergisst oft die eigenen Bedürfnisse. Nein zu sagen, bedeutet nicht, unsensibel zu sein – manchmal ist ein Nein zu anderen ein Ja zu sich selbst.
- Kritik aussprechen: Mitfühlen heißt nicht, unangenehme Wahrheiten zu vermeiden. Konstruktive Kritik mag im ersten Moment schwerfallen, hilft aber langfristig allen Beteiligten.
- Probleme nicht übernehmen: Negative Gefühle anderer können die eigene Stimmung stark beeinflussen. Distanz zu wahren ist essenziell, um handlungsfähig zu bleiben und nicht unter fremden Sorgen zu ertrinken. Hier sollte man sich immer wieder klarmachen, dass es nicht die eigenen Probleme sind, die einen hier belasten und man sie auch wieder gehen lassen darf.
- Raum für eigene Gefühle: Empathische Menschen neigen dazu, Verhalten schnell zu entschuldigen. Doch die eigenen Gefühle zählen genauso. Grenzen setzen bedeutet auch, sich nicht alles gefallen zu lassen.
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