In Deutschland sind rund 5,7 Millionen Menschen pflegebedürftig. Ein Großteil von ihnen – knapp 86 Prozent – wird im häuslichen Umfeld von Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten, mit oder ohne Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes, gepflegt. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die viel Zeit und Einsatz erfordert. Deshalb gibt es unterschiedliche Unterstützungsleistungen, die Pflegende bekommen können, um den Alltag zu erleichtern und die Belastung zu verringern.
Dazu zählen unter anderem Pflegegeld, das je nach Pflegegrad monatlich ausgezahlt wird, sowie der Entlastungsbetrag von bis zu 131 Euro monatlich für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Betreuungsangebote. Auch Tagespflege und Kurzzeitpflege, die zeitweise die Betreuung übernehmen, gehören dazu. Darüber hinaus stehen Pflegeberatung, Pflegekurse, sowie Angebote wie Verhinderungspflege zur Verfügung, wenn pflegende Angehörige eine Auszeit benötigen. Gerade, wenn jemand neu pflegebedürftig wird, können einige Fragen aufkommen: Nach welchen Regelungen unterstützen die Pflegekassen und wie werden Leistungen vereinbart? Diese Unsicherheit nutzen Betrüger aus.
Pflegebox-Betrug: Bei diesen Anrufen sollten Pflegende und Pflegebedürftige aufpassen
Wie unter anderem die Bild-Zeitung und die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichten, werden Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen telefonisch über den Tisch gezogen. Die Betrugsmasche ist jedoch nicht neu: Schon 2024 warnte unter anderem die Verbraucherzentrale vor dieser Art von Betrugsfällen, bei denen sich Anrufer teilweise als Mitarbeiter von Krankenkassen oder des medizinischen Dienstes ausgeben.
Zunächst werden die Personen am Telefon in ein Gespräch verwickelt und es werden kostenlose Schulungen für Angehörige oder Pflegeboxen als monatliches Abo angeboten. Diese enthalten Pflegehilfsmittel wie Einmalhandschuhe, Bettunterlagen, medizinische Masken oder Desinfektionsmittel und werden an die Betroffenen geliefert – auch wenn sie nicht gebraucht werden oder die Mengen laut ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus zu viel für den tatsächlichen Bedarf sind. Außerdem ein Problem: Die Pflegekasse übernimmt die Kosten für Pflegehilfsmittelboxen laut Verbraucherzentrale bis zu einer Höhe von 40 Euro monatlich – aber nur bei einem offiziell anerkannten Pflegegrad und wenn ein individueller Bedarf besteht. Wird das nicht bestätigt oder die Leistung abgelehnt, bleiben Betroffene auf den Ausgaben sitzen.
Laut Verbraucherzentrale berichten einige Verbraucher auch von Anrufen, bei denen eine automatische Bandansage startet, in der Pflegehilfsmittel zum Verbrauch beworben werden. Im Anschluss wird man aufgefordert, durch das Drücken einer Taste den Anruf fortzusetzen – was man nicht tun sollte. Andere Beschwerden bei den Verbraucherzentralen berichten laut Tagesschau von gefälschten Unterschriften oder unbeantworteten Kündigungsschreiben.
Betrugsmasche: untergeschobene Verträge für Pflegeleistungen
Am Telefon werden Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen dazu gebracht, Daten wie die Versicherungsnummer und Pflegekasse preiszugeben, mit denen die Betrüger dann Leistungen abrechnen können. Worüber sich manche vielleicht nicht bewusst sind: Auch telefonisch kann man Verträge abschließen, klärt Rechtsanwältin Nicole Mutschke laut Bild auf. Wenn dann unerwünschte Pakete vor der Tür stehen oder Mails mit Auftragsbestätigungen eintreffen, ist es oft bereits zu spät.
Die Pflegekassen berichten von Betrug im großen Stil: „Es sind Tausende von Fällen, die wir mittlerweile verzeichnen“, sagte Kai Behrens, Pressesprecher des AOK-Bundesverbands, gegenüber der Tagesschau. Um gegen die Anbieter von Pflegeboxen vorgehen zu können, müssten die Betroffenen nachweisen, was am Telefon gesagt wurde. Das mache die Sache für die Pflegekassen so schwierig, sagte Kai Behrens. Zumal die angerufenen Personen oft krank, pflegebedürftig und älter sind und diesen Anrufen häufig gar nicht folgen oder sich schlechter wehren können, wie Dorle Martischewsky vom Verbraucherzentrale-Bundesverband gegenüber Plusminus erläutert.
Pflegebox-Betrug: So schützen sich Pflegende und Pflegebedürftige
Um sich vor solch einem Betrug zu schützen, gibt die Verbraucherzentrale einige Handlungsempfehlungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen:
- Unerwünschte Anrufe abwehren: Fordern Sie bei Werbeanrufen die Löschung Ihrer Daten und widersprechen Sie weiteren Kontaktversuchen. Stellen Sie gezielt Rückfragen wie: „Wer sind Sie?“ oder „Für welches Unternehmen rufen Sie an?“
- Keine vorschnellen Zusagen: Lassen Sie sich nicht zu Vertragsabschlüssen drängen. Informieren Sie sich bei Ihrer Pflegekasse, welche Leistungen Ihnen zustehen – zum Beispiel über Pflegehilfsmittel bei anerkanntem Pflegegrad.
- Keine Dokumente unterschreiben: Verzichten Sie auf die Unterschrift bei nachträglich zugesandten Vollmachten oder Anträgen zur Kostenübernahme – besonders, wenn Sie nichts bestellt haben.
- Unbestellte Ware und Zahlungsforderungen: Widerrufen oder fechten Sie ungewollte Lieferungen an, etwa mit einem Musterbrief der Verbraucherzentrale NRW. Verweigern Sie die Annahme oder informieren Sie den Anbieter über die Abholung. Widersprechen Sie Zahlungsforderungen und prüfen Sie, ob Ihre Pflegekasse involviert wurde.
- Datenschutz und Beschwerden: Geben Sie keine sensiblen Informationen am Telefon weiter. Wenn Sie wissen möchten, woher Ihre Daten stammen, stellen Sie ein Auskunftsersuchen nach Artikel 15 DSGVO. Bei wiederholtem Kontakt trotz Löschaufforderung können Sie eine Beschwerde bei der Landesdatenschutzbehörde einreichen.
Gut zu wissen: Als Reaktion auf missbräuchliche Praktiken hat der GKV-Spitzenverband entsprechende Vorgaben eingeführt. Seit dem 1. Juli 2024 ist es Anbietern untersagt, Pflegebedürftige unaufgefordert zu kontaktieren. Dennoch melden Verbraucherzentralen weiterhin unerwünschte Anrufe. Man kann somit aber immerhin recht sicher sein, dass es sich nicht um seriöse Anbieter handelt, wenn man proaktiv angerufen wird.
Übrigens: Wer Angehörige pflegt, kann davon unter Umständen steuerlich profitieren. Mit dem Pflegepauschbetrag können mögliche Kosten nämlich abgesetzt werden – allerdings erst ab Pflegegrad 2.
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