Nicht einmal eine Woche hielt sie an, die vermeintliche Mäßigung der AfD. Auf einer Klausurtagung hatte sich die Fraktion Benimmregeln für ein moderateres Auftreten verpasst. Drei Tage später verglich Parteichefin Alice Weidel dann im Bundestag die SPD mit den Nationalsozialisten und fabulierte von Massenvergewaltigungen in deutschen Freibädern. Mäßigung bedeutet für Weidel wohl allenfalls Mäßigung im Sprechtempo: Die AfD-Chefin sprach mit halber Geschwindigkeit, was den Auftritt noch bizarrer wirken ließ.
Trotzdem war es einigermaßen erstaunlich, wie viele Beobachter der AfD den vermeintlichen Willen zur Mäßigung zunächst geglaubt haben. Dabei braucht es gar keine Weidel-Reden, um festzustellen: Die AfD wird nicht von ihren rechtsextremen Zielen ablassen. Das zeigt sich schon daran, wie die Partei diese Mäßigungsdebatte führt. Man muss nur etwas genauer zuhören.
Große Erfolgschancen hat eine Mäßigungsagenda bei diesem Personal nicht
Angefangen beim Verhaltenskodex. Der bezog sich ja gerade nicht – wie einige AfDler selbst betonten – auf die Inhalte. Sondern auf den Ton. Den rechten Kampfbegriff „Remigration“ beispielsweise wollte man nicht mehr nutzen. Und im Bundestag gesitteter auftreten. Mäßigung ist dafür eigentlich das falsche Wort. Wenn überhaupt, ist das der Versuch einer Professionalisierung. „Das Prollige ablegen“, nannte Tino Chrupalla es gegenüber der FAZ.
Neu ist dieser Versuch nicht. Die AfD-Führung arbeitet seit Jahren daran. Schon Alexander Gauland arbeitete auf eine Professionalisierung hin und schimpfte seine Partei einen „gärigen Haufen“. Der Versuch der Professionalisierung hat die AfD in dieser Zeit aber nicht davon abgehalten, immer weiter nach rechts zu driften.
Dazu kommt, dass in der AfD längst nicht alle diesen Weg mitgehen. In der Partei gibt es zwei große Lager. Die Pragmatiker auf der einen Seite, die auf eine Koalition mit der Union hoffen. Und auf der anderen der völkisch-nationalistische Flügel, der jede Art von Mäßigung skeptisch sieht. Gerade der gibt aber gerade den Ton an. Alice Weidel kann man beispielsweise dazu zählen. Und auch Bernd Baumann, der als parlamentarischer Geschäftsführer die Verhaltensregeln entscheidend durchsetzen müsste, will am Begriff der Remigration festhalten. Große Erfolgschancen hat eine Mäßigungsagenda bei diesem Personal nicht.
Im grundlegenden Ziel sind sie sich einig: Dieser Staat muss weg
Und selbst bei denen, die neben den Benimmregeln tatsächlich moderatere Inhalte fordern, wird deutlich: Das wäre allenfalls ein Alibi. Maximilian Krah, der wahrscheinlich prominenteste Mäßigungsbefürworter, erklärte das kürzlich in einem Streitgespräch mit dem rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek. Krah plädierte dafür, sich von Zielen zu verabschieden, die sich gegen den Rechtsstaat richten. Nur vertritt er das gerade nicht aus Überzeugung. Die Mäßigung ist für Krah Mittel zum Zweck. Das wurde am Rande seiner Argumentation immer wieder deutlich. Dieser Staat ist nicht das, „was unserer politischen Überzeugung entspricht“, sagte Krah. Aber die AfD werde ihn „absehbar nicht austauschen können“. Im grundlegenden Ziel sind sich Kubitschek und Krah, Völkische und Pragmatiker, also einig: Dieser Staat muss weg. Nur über den Weg dorthin wird gestritten.
Clever ist die Inszenierung natürlich trotzdem: Indem Krah sich von Kubitschek abgrenzt, wirkt er selbst gleich moderater. Und das, ohne an seinen grundlegenden Überzeugungen irgendwas verändert zu haben. Das sollte jeder bedenken, der die Partei behandeln möchte wie jede andere: die Mäßigung der Rechten – ob das nun Benimmregeln sind oder vermeintlich moderatere Inhalte – am Ende ist die Mäßigung vor allem ein Schauspiel, um die eigene verfassungsfeindliche Agenda durchzusetzen. Ein Glück nur, dass Weidel und Krah keine allzu guten Schauspieler sind.
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