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Kommentar zum AfD-Parteitag in Riesa: Von Mäßigung keine Spur

Kommentar

Die AfD auf ihrem Parteitag: Von Mäßigung keine Spur

Jonathan Lindenmaier
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    Alice Weidel soll beim Parteitag am Wochenende zur Kanzlerkandidatin gewählt werden.
    Alice Weidel soll beim Parteitag am Wochenende zur Kanzlerkandidatin gewählt werden. Foto: Carsten Koall, dpa (Archivbild)

    Die Geschichte der AfD – da unterscheidet sie sich von den vielen anderen Rechtsaußenparteien in Europa – ist vor allem die Geschichte einer ständigen Radikalisierung. Während in Frankreich Marine Le Pen ein Stück weit in die Mitte rückt und in Italien Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf europäischer Bühne die Pragmatikerin gibt, äußert die AfD immer unverhohlener rechtspopulistische und geschichtsrevisionistische Positionen (Weidel zu Musk: Hitler sei Kommunist gewesen). Anders als ihre Gesinnungsgenossen in Frankreich oder Italien setzt die AfD mit Blick auf die kommenden Wahlen nicht auf Mäßigung. Sie baut stattdessen darauf, dass ihre Positionen mit der Zeit normal daherkommen, weniger radikal wirken. Und die Partei spielt auf Zeit. Ein Blick in die Umfragen zeigt: mit Erfolg. 

    Dabei sah das vor Kurzem noch ganz anders aus. Es ist nun ziemlich genau ein Jahr her, dass deutschlandweit mehr als 3,5 Millionen Menschen auf die Straße gingen und gegen rechts protestierten. Auslöser für die Demonstrationen war ein Bericht über ein Treffen von AfD-Politikerinnen und -Politikern mit rechtsextremen Aktivisten. Auch wenn der Artikel inzwischen selbst in der Kritik steht: In der Folge rutschte die AfD in Umfragen ab.

    Zu ihrem Kurs der Normalisierung kommt nun auch noch Hilfe aus dem Ausland

    Geblieben aber ist davon wenig. Die Demos: vorbei. Die Umfragewerte: ähnlich hoch wie vor den Protesten. Die anfängliche Distanzierung: ist einem öffentlichen Bekenntnis zum Potsdamer Treffen gewichen. Viele Mitglieder schreiben inzwischen selbstbewusst „Team Remigration“ in ihre Social-Media-Profile, Einladungen zu rechten Vernetzungstreffen findet man heute öffentlich auf X oder Telegram. Was vor einem Jahr noch einigermaßen geheim stattfand, wird inzwischen offen zelebriert.

    Zu ihrem Kurs der öffentlichen Normalisierung kommt nun auch noch Hilfe aus dem Ausland. Zum einen in Form des Unternehmers Elon Musk, der für die Partei wirbt und ihr zu wirtschaftspolitischer Glaubwürdigkeit verhelfen möchte. Und zum anderen aus Österreich. Wenn nun, wie erwartet, der FPÖ-Politiker Herbert Kickl Kanzler wird, dürfte die AfD das für sich nutzen, um auf eine Koalition mit der Union zu drängen. Nach dem Motto: „Seht her, in anderen Ländern funktioniert es ja auch!“

    Viel entscheidender als die kommende Bundestagswahl ist das Jahr 2029

    Überhaupt: Anders als Le Pen und Meloni ist Kickl wohl ein echtes Vorbild für die AfD. Auch der hatte sich im Wahlkampf weder gemäßigt noch von Extremisten distanziert. Stattdessen profitierte er von Fehlern der demokratischen Parteien und einer immer weniger abschreckenden Wirkung seiner Positionen. Normalisierung durch Provokation, nennt das der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner.

    Auch die AfD verfolgt längst diesen Plan. Bis zum Jahr 2029, so heißt es aus der Partei, strebe man eine Regierungsbeteiligung im Bund an. Das sollte man bedenken, wenn die Partei am Wochenende ihr Wahlprogramm beschließt und Weidel zur Kanzlerkandidatin kürt: Viel wichtiger als die anstehende Bundestagswahl ist für die AfD die darauffolgende. Bis dahin übt sich die Partei in Geduld und wird versuchen, ihre Forderungen schleichend zu normalisieren. Ob ihr das gelingt, hängt auch davon ab, inwieweit die demokratischen Parteien, die Medien und nicht zuletzt die Wählerinnen und Wähler ihr diesen Kurs durchgehen lassen.

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