Es stimmt schon, streng genommen ist derzeit noch nicht mal klar, ob sich Friedrich Merz am 6. Mai überhaupt zum Kanzler wählen lassen kann. Davor gilt es noch das Ergebnis des SPD-Mitgliederbescheides abzuwarten, das am Mittwoch verkündet wird. Dennoch kann man aus der Riege der Minister und Staatssekretäre, die CDU und CSU nun vorgestellt haben, bereits Rückschlüsse darauf ziehen, ob die sogenannte Große Koalition ihre wichtigsten Wahlversprechen wird erfüllen können. Also: hat Friedrich Merz – derzeit noch ohne die SPD-Minister – das Personal, das er braucht, um zwei zentrale Themen anzugehen: einen Neustart in der Migrationspolitik sowie die von ihm versprochene „Wirtschaftswende“?
Bei der Migration muss die Union in der neuen Regierung liefern
Auch wenn die Zahlen der Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, zuletzt deutlich zurückgingen, ist die Migration das Thema, bei dem die Union in der neuen Regierung liefern muss. Gesicht einer härteren Migrationspolitik wird Alexander Dobrindt, der bisherige Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Dobrindt hat die ungelöste Migrationsfrage als „Lebenselixier von Rechtsaußen“ gekennzeichnet, entsprechend hart wird er darauf dringen, die versprochenen Zurückweisungen an der Grenze baldmöglichst durchzuführen.
Widerstand aus dem Kanzleramt muss er dabei genauso wenig fürchten wie – und das ist neu – aus dem Außenministerium. Dobrindt kann nicht nur darauf bauen, dass auch der künftige Kanzler Merz bei der Migration liefern muss. Auch, dass das Außenministerium zum ersten Mal seit beinahe 60 Jahren in der Hand der Union ist, kann helfen, die ewigen Querelen zwischen Innen- und Außenamt zu beenden. Johann Wadephul, der künftige Außenminister, dürfte beispielsweise bei Fragen der Rückführung deutlich weniger sperrig sein als seine Vorgängerin von den Grünen.
Kein Wunder, dass CDU-Schwergewichte kein Interesse am Wirtschaftsministerium zeigten
Ganz anders sieht es bei der zweiten versprochenen Wende aus, die, wenn man Umfragen glauben darf, den Deutschen derzeit noch wichtiger ist als Verschärfungen der Migrationspolitik - der von Merz markig ausgerufenen „Wirtschaftswende“. Mit seiner Entscheidung, die Schuldenbremse für Militärausgaben weitgehend auszusetzen und die Zustimmung von SPD und Grünen dazu mit einem Milliarden-Schuldenpaket für Infrastruktur und Klima einzukaufen, hat der CDU-Chef schon kurz nach der Wahl viel Vertrauen verspielt – vor allem bei den eigenen Anhängern. Ob die nun für die Wirtschaft präsentierte Mannschaft dieses Vertrauen zurückholen kann, ist mehr als fraglich.

Sicher, Katherina Reiche, die designierte Chefin der Wirtschaftsressorts, mag eine Energieexpertin sein und aufgrund ihrer Lobbyisten-Tätigkeit die Sorgen und Nöte der Kommunen kennen. Doch als jemand, die Aufbruchstimmung erzeugen kann, die die Menschen für Innovation und Anstrengungen begeistern kann (Ludwig Erhard: „Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie“), ist sie in ihrer Zeit als Staatssekretärin für Umwelt und später für Verkehr in zwei Regierungen Angela Merkels nun wirklich nicht aufgefallen. Erschwerend kommt hinzu, dass ihr Ministerium (zu) stark auf das (wichtige) Thema Energie zugeschnitten ist und in allen anderen Wirtschaftsfragen mit dem Arbeits- und Sozialministerium in den Händen der SPD einen traditionell starken Widersacher bekommt. Auch, ob der Manager von Media-Markt-Saturn, Karsten Wildberger, den notorisch analogen Beamtenapparat als Digitalminister ähnlich effizient umzubauen versteht, wie den Elektro-Handelskonzern, muss sich erst noch erweisen.
Es ist kein Wunder, dass mehrere CDU-Schwergewichte kein Interesse am Wirtschaftsministerium zeigten. Jens Spahn, der sich in den Ampel-Jahren gern als Wirtschaftsfachmann in Szene setzte und immerhin mal Staatssekretär in Wolfgang Schäubles Finanzministerium war, erhält den weit mächtigeren Posten des Fraktionschefs, ein ideales Sprungbrett, um bei der Frage mitzumischen, wer Merz in vier Jahren als Kanzler folgt. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der lange als Favorit für das Amt des Wirtschaftsministers galt, hatte schon vor Wochen abgewunken. Ein kleines Misstrauensvotum zum Start ist das schon.

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