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Polizeigewerkschaft warnt: Grenzkontrollen führen zu massiven Staus im Ferienverkehr

Interview

Polizeigewerkschafter über Grenzkontrollen: „Zahl der Zurückweisungen gering, Aufwand dagegen riesig“

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    An der deutsch-österreichischen Grenze drohen die verschärften Kontrollen, zu langen Staus bei Ferienrückreiseverkehr zu führen.
    An der deutsch-österreichischen Grenze drohen die verschärften Kontrollen, zu langen Staus bei Ferienrückreiseverkehr zu führen. Foto: Matthias Balk, dpa

    Herr Roßkopf, seit zwei Monaten gibt es verschärfte Grenzkontrollen, seitdem wurden 300 Asylbewerber von der Bundespolizei zurückgewiesen. Wie bewertet die Gewerkschaft der Polizei diese Bilanz gemessen am Aufwand?
    ANDREAS ROSSKOPF: Die Zahl der Zurückweisungen von Asyl- und Schutzsuchenden ist tatsächlich sehr gering, der Aufwand für die Bundespolizei dagegen riesig. Wir sprechen hier von stark erhöhten Kräfte-Einsätzen der Bereitschaftspolizei, mobilen Einheiten an den Grenzinspektionen; dazu kommen Dienstzeiten von zwölf Stunden auf den Dienststellen. Die Überstunden steigen dramatisch an. Wir reden aktuell über einen Gesamtstand von 2,8 Millionen Überstunden bei der Bundespolizei. Nicht alles wegen der Grenzkontrollen, aber dieser Bereich hat den Anstieg massiv beschleunigt.

    Die Zahl der Asylbewerber ist gesunken. Gibt es einen Abschreckungseffekt?
    ROSSKOPF: Der Rückgang der Asylbewerberzahlen an den Grenzen kann mehrere Gründe haben: Schleuserorganisationen weichen möglicherweise auf andere Routen aus oder halten sich zurück, um abzuwarten, wie lange Deutschland und die Bundespolizei diese Intensität durchhalten. Oder potenzielle Migranten sehen Deutschland gerade als schwieriger erreichbar an. Wir gehen aber vor allem davon aus, dass die Kontrollen umgangen werden und die Schleuser neue Wege nutzen.

    Stellen Sie mehr illegale Einwanderer an der sogenannte grünen Grenzen fest?
    ROSSKOPF: Man muss festhalten: Wir haben aktuell etwa 50 feste Kontrollstellen an den Binnengrenzen Deutschlands. Bei insgesamt rund 3800 Kilometern Binnengrenze ist das verschwindend wenig. Früher hatten wir feste Grenzanlagen, heute existieren solche Strukturen nicht mehr. Jeder Feldweg, jede kleine Nebenstraße kann genutzt werden, um ins Land zu kommen. Die Grenzkontrollstellen selbst werden stark umfahren. Gleichzeitig binden sie eine enorme Zahl an Einsatzkräften, die dort rund um die Uhr arbeiten müssen. Schleierfahndung gibt es zwar zusätzlich, aber die kann man nicht flächendeckend fahren, weil das Personal fehlt. Wir schaffen es schlicht nicht, jede Ecke der Grenze zu überwachen. Das lässt unzählige Möglichkeiten offen, unbemerkt nach Deutschland einzureisen.

    Bräuchte es hier mehr technische Überwachung?
    ROSSKOPF: Ganz eindeutig ja. Seit 2019 wurden mobile Kontrollstellen, Beleuchtungs- und Kontrolltechnik erprobt, etwa moderne Kamerasysteme, Drohnen, schnelle mobile Fahrzeuge, sowohl zivil als auch uniformiert. All diese Ansätze wurden als sinnvoll bewertet. Trotzdem ist bis heute kaum etwas davon beschafft worden. Hätte man damals die positiven Ergebnisse konsequent umgesetzt, wären wir heute viel besser aufgestellt. Dann könnten wir deutlich effizienter kontrollieren, mit weniger Personalaufwand und mehr Wirkung. Das ist ein massiver Kritikpunkt unsererseits.

    Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert die hohe Arbeitsbelastung der Beamten durch die intensiveren Grenzkontrollen.
    Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert die hohe Arbeitsbelastung der Beamten durch die intensiveren Grenzkontrollen. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Wie lange können Ihre Kollegen den Aufwand beibehalten?
    ROSSKOPF: Bei Großereignissen wie dem G7-Gipfel in Elmau oder der Europameisterschaft war allen Beteiligten klar, dass die Belastung zeitlich begrenzt ist – nach ein paar Wochen war wieder Normalbetrieb. Jetzt aber wissen wir nicht, wann Schluss ist. Wir sind seit dem Regierungswechsel im Mai in dieser Intensität unterwegs, seit Wochen und Monaten, ohne ein Ende in Sicht. Die Bundespolizei kann das leisten, aber nur für einen gewissen Zeitraum. Wir laufen gerade Gefahr, an die Belastungsgrenze zu kommen. Die Jahresurlaube sind größtenteils schon Ende letzten Jahres beantragt und genehmigt worden, die stehen. Schwieriger wird es mit kurzfristigen Urlauben oder dem Abbau von Überstunden – da werden Anträge momentan nur sehr restriktiv bewilligt. Viele Kolleginnen und Kollegen müssen also Überstunden weiter ansammeln, anstatt sie abbauen zu können. Das belastet Motivation und Gesundheit der Beschäftigten enorm.

    Der Ferienreiseverkehr steht bevor. Welche Auswirkungen erwarten Sie?
    ROSSKOPF: Unser Ziel ist es immer, den Warenverkehr, den Pendlerverkehr und auch den Urlaubsreiseverkehr so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Aber das steht im Widerspruch zu den intensiven Grenzkontrollen. Es handelt sich ja nicht um Vollkontrollen im klassischen Sinn, sondern in der Regel um Sichtkontrollen, bei denen gezielt Fahrzeuge überprüft werden. Trotzdem führen schon diese kurzen Verzögerungen zu erheblichen Staus. Jeder weiß: Wenn man eine Kontrollstelle auch nur mit verlangsamter Geschwindigkeit passiert, zieht sich der Rückstau sofort nach hinten. Die verschärften Grenzkontrollen werden den Urlaubsverkehr insbesondere bei der Rückreise massiv belasten. In Süddeutschland reden wir von Rückreiseverkehr aus Italien, Kroatien, Österreich – da staut es sich schon ohne Kontrollen. Beim Ferienrückreiseverkehr müssen sich die Urlauber wegen der zusätzlichen Grenzkontrollmaßnahmen zwangsläufig auf teils massive Staus einstellen.

    Welche Forderungen haben Sie an die Politik?
    ROSSKOPF: Es gibt zwei zentrale Forderungen. Erstens: Die aktuelle Intensität der Grenzkontrollen muss so schnell wie möglich reduziert werden. Die Bundespolizei kommt sonst an einen Punkt, an dem sie die Belastung personell nicht mehr kompensieren kann. Unsere Kolleginnen und Kollegen brauchen Erholungsphasen, Fortbildungen und die Möglichkeit, Überstunden abzubauen. Zweitens: Es muss endlich massiv in moderne Grenzkontroll- und Fahndungstechnik investiert werden. Hier muss die Bundesregierung nicht morgen, sondern sofort anfangen. Nur so können wir mittelfristig effizienter werden und Personal entlasten. Drohnen, mobile technische Überwachungsmodule, moderne Kameras – all das gehört zwingend zu einem zeitgemäßen Grenzschutz.

    Zur Person: Andreas Roßkopf ist Bundesvorsitzender des Bereichs Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, GdP.

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