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Kommentar: Probleme im Gesundheitssystem: Den Patienten reicht es – zurecht!

Kommentar

Probleme im Gesundheitssystem: Den Patienten reicht es – zurecht!

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    Auf einen Termin beim Radiologen müssen Patienten mitunter sehr lange warten.
    Auf einen Termin beim Radiologen müssen Patienten mitunter sehr lange warten. Foto: Bernd Wüstneck, dpa

    Ein Brief errötet nicht, epistula non erubescit. Cicero, gut 2000 Jahre her. Und will sagen: Was niedergeschrieben wird, in Lettern und Wörtern und Sätzen, folgt nicht immer einer Verpflichtung, einem Versprechen, fügt sich nicht unbedingt in einen zeitlichen Rahmen. Der Satz jedenfalls hat sich aus dem Lateinischen in eine deutsche Redewendung gewandelt: Papier ist geduldig. Das stimmt, nur: Die Menschen sind es nicht, nicht mehr jedenfalls und das, man muss es so sagen, zurecht. Gerade beim Thema Gesundheit.

    Das Papier, also der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD, umfasst 144 Seiten, auf neun davon geht es um die Gesundheitsversorgung im Land. Da ist die Rede von „tiefgreifenden strukturellen Reformen“, einer „zielgerichteten Versorgung von Patienten“, man wolle „für einen schnelleren Zugang zu Terminen“ sorgen, die Beiträge stabilisieren, den Zugang zu Fachärzten „bedarfsgerecht und strukturierter“ gestalten. Das sind alles hehre, wichtige, wenn auch in hölzerne Floskeln verpackte Ziele. Nur: Deren Umsetzung bleibt vage, die Zeilen drohen zu zerfallen wie Zellen in nekrotischem Gewebe.

    Die medizinische Versorgung ist selbst der Patient. Prognose: kritisch

    Dabei drängt die Zeit. Das darf man freilich nicht allein der neuen Regierung anlasten, schon davor kränkelte die medizinische Versorgung, Prognose: kritisch. Ohne lebenserhaltende Maßnahmen – bei Krankenhäusern die kommunale Finanzierung, der Ausgleich desaströser Defizite – droht seit Langem ein Kollaps. Dabei liegen die Pro-Kopf-Ausgaben für die Gesundheitsversorgung hierzulande höher als in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union - diese finanziellen Ressourcen werden aber offenbar nicht effizient genug eingesetzt.

    Allein das Thema Wartezeiten. Selbst Menschen mit einer unklaren Diagnose, dem Verdacht auf eine lebensgefährliche Erkrankung, bekommen nicht so schnell einen Termin, wie es eigentlich geboten wäre. Deutschlandweit warten einem Bericht des Journals Onkologie zufolge Patienten monatelang auf einen Termin beim Radiologen, wegen des kaum zu kompensierenden Fachkräftemangels und der Unterfinanzierung des gesamten Systems. In manchen Regionen Bayerns müssen sich Frauen sogar bis zu 248 Tage gedulden, bis sie eine Mammografie zur Brustkrebsdiagnose bekommen – das geht nicht! Ganz abgesehen davon, dass eine möglicherweise lebensrettende Behandlung deutlich verzögert wird, ist es auch psychisch eine massive Belastung, nicht zu wissen, ob im Körper ein bösartiger Tumor wächst.

    Alles ist auf Kante genäht, es fehlt Geld, es fehlt Personal

    Das Debakel mit den Facharztterminen soll durch das Primärarztsystem entschärft werden, so steht es im Koalitionsvertrag. Soll heißen: Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt. Der entscheidet, ob ein Facharzttermin nötig ist und legt „den dafür notwendigen Zeitkorridor“ fest. Gelingt es nicht, einen Termin in einer Praxis zu vermitteln, soll die Behandlung durch einen Facharzt ambulant in einem Krankenhaus stattfinden. Diese „Termingarantie“, das verspricht der Vertrag, halten viele Experten indes für realitätsfern, etwa der Präsident der Bundesärztekammer.

    Die Realität ist aktuell: Alles ist auf Kante genäht, es fehlt Geld, es fehlt Personal. Union und SPD haben sich nun Ziele gesetzt. Die Koalition wird sich aber daran messen lassen müssen, ob den Worten Taten folgen – und zwar bald. Papier mag geduldig sein, Menschen, die um ihre Gesundheit fürchten, sind es verständlicherweise nicht.

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