Beschäftigte in Deutschland sollen sich ihre Arbeitszeit künftig flexibler einteilen können. Union und SPD wollen den gesetzlich geregelten Acht-Stunden-Tag durch eine maximale Wochenarbeitszeit ersetzen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten dann beispielsweise an vier Tagen länger arbeiten und dafür den fünften Tag freinehmen. Viele Unternehmen werben schon lange für eine solche Flexibilisierung, doch die Gewerkschaften sind skeptisch.
Mehr Spielraum für Unternehmen, aber auch für Beschäftigte
Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, hält die Pläne der potenziellen Koalitionspartner für überfällig. „Die bisherige Regelung der Höchstarbeitszeit von maximal zehn Stunden ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt er unserer Redaktion. Tatsächlich ist es bislang nur in Ausnahmefällen möglich, länger zu arbeiten. In einigen Branchen, etwa in der Gastronomie oder im Einzelhandel, in denen das Arbeitsaufkommen besonders ungleichmäßig verteilt ist, führt das immer wieder zu Personalengpässen. Doch nicht nur die Arbeitgeber wünschen sich mehr Spielraum, auch viele Beschäftigte sehen durchaus Vorteile einer solchen Wochenarbeitszeit.

Stephan Stracke ist Arbeitsmarkt-Experte der Unionsfraktion im Bundestag. Der CSU-Abgeordnete sagt: „Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wünschen sich stärker flexibilisierte Arbeitszeiten, um den Beruf und die Betreuung von Kindern und die Pflege von Angehörigen besser miteinander vereinbaren zu können.“ Der starre Acht-Stunden-Tag sei dabei oft ein Bremsklotz. „Diese Blockade wollen wir lösen und wöchentliche statt täglicher Höchstarbeitszeiten ermöglichen“, erklärt Stracke.
Bayerns Gewerkschaftsboss warnt: Viele Menschen sind schon am Limit
Widerstand ist von den Gewerkschaften zu erwarten. Sie fürchten eine Überlastung und wachsenden Druck auf Beschäftigte, länger zu arbeiten. „Das Arbeitszeitgesetz ist keine politische Verhandlungsmasse“, betonte Yasmin Fahimi, Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), kürzlich. Auch Bayerns DGB-Chef Bernhard Stiedl warnt auf Nachfrage unserer Redaktion: „Wer den Acht-Stunden-Tag kippen will, riskiert die Gesundheit der Beschäftigten und verschärft den Druck auf diejenigen, die heute schon am Limit arbeiten. 13-Stunden-Tage unter dem Deckmantel der Flexibilität sind der falsche Weg.“ Die Gewerkschaften wollen ihre Bedenken auch im bereits angekündigten Dialog mit der künftigen Bundesregierung vorbringen.
Wirtschaftsvertreter Brossardt hält dagegen: „Es geht nicht darum, mehr zu arbeiten, sondern flexibler. Das kommt den Betrieben bei der Planung ihrer Produktionsabläufe zugute, aber auch den Beschäftigten.“ Für den CSU-Abgeordneten Stracke ist die Neuregelung zudem eine Chance für Firmen, um Stellen attraktiver zu gestalten und damit im Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten.
Wie Union und SPD Missbrauch ausschließen wollen
In ihren Koalitionsverhandlungen waren sich Union und SPD einig, dass niemand gezwungen werden soll, länger am Stück zu arbeiten als bisher. „Missbrauch werden wir wirksam ausschließen“, versichert Stracke. Die europäischen Arbeitszeitrichtlinien und die vorgegebenen Ruhezeiten müssten weiterhin eingehalten werden, um Arbeitnehmer vor Ausbeutung zu schützen.
Wann die Flexibilisierung in Kraft treten soll, ist noch offen. Brossardt erhöht jedenfalls den Druck auf CDU, CSU und SPD. Die Neuregelung müsse nach Amtsantritt der neuen Regierung zügig umgesetzt werden. „Wir stellen uns als Maßstab eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vor, so wie die europäische Arbeitszeitrichtlinie das ermöglicht“, sagt der Chef der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.
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