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Debatte: Diskussion um Wehrpflicht: Müssen bald alle wieder zum Bund?

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Diskussion um Wehrpflicht: Müssen bald alle wieder zum Bund?

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    Junge Soldatinnen und Soldaten bei einem feierlichen Gelöbnis. Angesichts der sicherheitspolitisch angespannten Lage wird in Deutschland über die Wehrpflicht diskutiert.
    Junge Soldatinnen und Soldaten bei einem feierlichen Gelöbnis. Angesichts der sicherheitspolitisch angespannten Lage wird in Deutschland über die Wehrpflicht diskutiert. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa (Archivbild)

    Die Bundeswehr war schon zu klein, bevor US-Präsident Donald Trump den militärischen Schutz Amerikas für Europa abschwächte. Statt der angepeilten 203.000 Soldaten kommt die Truppe derzeit nur auf eine Stärke von 180.000 Kämpferinnen und Kämpfern. Nun, da sich Trump Russlands Präsidenten Wladimir Putin zuwendet und droht, die Ukraine fallen zu lassen, gelten selbst die 203.000 Soldaten als zu wenige. Verteidigungspolitiker wie Christoph Schmid von der SPD halten 250.000 Männer und Frauen in Uniform für die angemessene Größe. Weil die Truppe mit der bisherigen Rekrutierung die eigenen Ziele verfehlt, ist die Debatte um die Wehrpflicht zurück. Doch den 2011 ausgesetzten Zwangsdienst wieder einzuführen, ist so einfach nicht. Ein Überblick:      

    Wehrpflicht in Deutschland: Wie ist die Rechtslage?

    Rund 55 Jahre nach ihrer Einführung setzte der Bundestag 2011 die Wehrpflicht mit Stimmen von CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen aus. Abgeschafft ist sie deswegen nicht. Das Ende der Dienstpflicht gilt nur für Friedenszeiten. Sollte Deutschland von einem Überfall bedroht sein oder tatsächlich angegriffen werden, kann sie wieder aktiviert werden. Deshalb bleibt Artikel 12a des Grundgesetzes, wonach jeder männliche deutsche Staatsbürger „vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden“ kann, unangetastet.

    Wie ist die praktische Lage?

    Der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn forderte in der Bild-Zeitung: „Noch im Jahr 2025 müssen die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten.“ Was sich einfach einhört, würde die Bundeswehr vor erhebliche Herausforderungen stellen. Die einst für die Musterung zuständigen Kreiswehrersatzämter sind aufgelöst, zuvor arbeiteten dort tausende Beamte und zivile Angestellte. Diese Behörden wieder aufzubauen, ist nicht per Federstrich zu leisten.

    Die Bundeswehr hat etliche Kasernen geschlossen. Diese zu sanieren und wieder in Dienst zu stellen, würde Jahre dauern. Krankenhäuser, Altenheime und Sozialverbände könnten sich hingegen schneller darauf einstellen, wieder Zivildienstleistende einzusetzen.

    Der Personalbedarf im sozialen Bereich ist hoch. Völlig ungeklärt ist ein rechtliches Problem. Die Wehrpflicht des Grundgesetzes gilt ausdrücklich nur für Männer ab 18 Jahren. Um den heutigen Gleichheitsgrundsätzen zu genügen, müsste sie auf die Frauen übertragen werden. Das wiederum würde dazu führen, dass der Staat pro Jahr rund hunderttausende junge Männer und Frauen mustern und dem Arbeitsmarkt entziehen würde.

    Was heißt das für die Gespräche zwischen Union und SPD?

    Die Verhandler von CDU/CSU und SPD sprechen im Rahmen der laufenden Sondierungsgespräche auch über die Wehrpflicht. Klar scheint dabei nur: Es wird sie kaum wieder in der alten Form geben. Der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz verwies auf die Beschlusslage der Union, wonach ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle eingeführt werden soll. „Darunter kann“, so Merz, „eben eine Wehrpflicht verstanden werden, aber auch vieles andere.“

    Genaue Zahlen, um wie viele Tausend Soldaten die Streitkräfte aufwachsen sollen, nannte Merz bislang nicht. „Mit der gegenwärtigen Sollstärke kommen wir nicht hin, und mit der gegenwärtigen Iststärke schon mal gar nicht“, erklärte der CDU-Vorsitzende. Für das Pflichtjahr müsste aber die Verfassung geändert werden und es nicht klar, ob es im neuen Bundestag dafür die nötige Zweidrittel-Mehrheit gibt.

    Der SPD-Verteidigungsexperte Schmid hält die Wiedereinführung des klassischen Militärdienstes trotz des unbestrittenen Personalbedarfs derzeit nicht für sinnvoll. „Es ist aus meiner Sicht nicht der richtige Weg, dafür jedes Jahr 400.000 junge Menschen durch den Wehrdienst zu ziehen. Das ist sehr teuer und wenig effizient“, sagte Schmid unserer Redaktion. Er unterstützt die von Verteidigungsminister Boris Pistorius (auch SPD) erarbeiteten Reformvorschläge.

    Was hat Verteidigungsminister Pistorius geplant?

    Pistorius hat sich vom Modell Schwedens inspirieren lassen. Die Skandinavier mustern jeden Jahrgang und ziehen fünf bis zehn Prozent der jungen Männer und Frauen ein. Finden sich nicht genügend Freiwillige, um in die Kasernen einzurücken, zieht die Armee den Restbedarf unter den am besten geeigneten. Der deutsche Verteidigungsminister hat sich von der schwedischen Praxis abgeschaut, dass die rund 400.000 jungen Männer eines Jahrgangs von einer Musterungsbehörde angeschrieben werden und diese einen Fragebogen ausfüllen müssen. Damit sollen diejenigen herausgefunden werden, sie sich vorstellen könnten, bei der Truppe zu dienen. Davon wiederum soll ein Teil zur Musterung eingeladen werden.

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