Das Spalier, durch das die Stadträtinnen und Stadträte ins Alte Rathaus laufen, will nicht enden. Vor dem Rathaus stehen 200 Frauen und Männer - Eishockeyspieler genauso wie Eiskunstläufer oder Hobbyläufer. Die Rathaustreppe gehört den Jungen und Mädchen in Trikots, manche haben ihre Schlittschuhe mitgebracht. „Bist Du für uns?“, fragt ein Junge CSU-Stadtrat Marc Hübler. Alle erwarten, dass die Stadträte Farbe bekennen, wie es mit dem Eissport in Lindau weitergeht. Angesichts des emotionalen Themas und der Sportler, die sich in den Saal drängen, stellt Oberbürgermeisterin Claudia Alfons klar: „Hier tagt ein Ausschuss und kein Gericht.“
Bernd Wucher hat seinen Urlaub verkürzt, um bei der Sondersitzung des Finanzausschusses und Bauausschusses dabei zu sein. Alarmiert habe ihn die „unglückliche Sitzungsvorlage“, sagt der Vorsitzende des EVL. Auch wenn die inzwischen abgeändert worden sei: Die Eisfreunde haben Klärungsbedarf.
Was sie umtreibt: Der Vorschlag, in Lindau eine synthetische Eisbahn zu errichten. „Das wäre der Tod des Eissports“, sagt Wucher. Es gibt in Lindau drei Vereine rund ums Eis: den EV Lindau, den Eiskunstlaufverein und den Förderverein Eissportarena. Die semiprofessionelle Eishockeymannschaft spielt in der dritten Liga, der EVL hat Trainer und Eismeister fest angestellt.
Aber auch Schulen, Kindergärten und Freizeitsportler nutzen die Anlage. Die Bahn sei von morgens bis abends durchgehend „sehr gut ausgelastet“, sagt Kay Koschka, Leiter des städtischen Bauamtes.
Eissport kostet Stadt 400.000 Euro im Jahr
Eine Erfolgsgeschichte - wären da nicht die hohen Kosten. Die städtischen Zuschüsse für den EVL aus Sportfördermitteln beliefen sich 2023 auf 33.600 Euro. Dieses Jahr betrugen sie bis einschließlich Oktober 30.200 Euro. Sie bewegten sich damit in dem Maß, das auch anderen Vereinen entsprechender Größe zur Verfügung gestellt werde, heißt es. Sorgen bereiten die hohen Gesamtkosten des Eissports: Etwa 400.000 Euro pro Jahr hat die Stadt zu tragen. Es fallen Energiekosten (etwa 210.000 Euro), Betreiberentgelt (knapp 110.000 Euro), Miete für die Kälteanlage (rund 40.000 Euro) und die Instandhaltungspauschale (mehr als 36.000 Euro) an.
In Zeiten klammer Kassen sei es erklärtes Ziel, die Zuschüsse zu senken, erklärt Koschka. Die Gretchenfrage laute daher: Welchen Beitrag will und kann die Stadt weiter für den Unterhalt der Eissporthalle aufwenden?
Letztlich ging es um drei Alternativen: Im Zuge der Entwicklung des Eichwaldquartiers könnte die Stadt die Flächen der alten Eissporthalle in Erbpacht beispielsweise für die Erweiterung der Therme vergeben. Im Gegenzug ermöglicht der Bäderbetreiber den Neubau der Eissporthalle im Eichwaldquartier. Die Stadt wäre dann nicht mehr an Finanzierung, Bau - und Unterhaltung direkt beteiligt. Sie würde nur einen Zuschuss zahlen, der allerdings geringer als bisher ausfallen würde.
„Hier tagt ein Ausschuss und kein Gericht.“
Claudia Alfons, Oberbürgermeisterin Lindau
Für den Verein hätte das den Vorteil, dass er eine moderne, energieeffiziente Halle bekommt. Deren Realisierung müsste aber vom Verein und Grundstücksbesitzer Andreas Schauer selbst gestemmt werden. Die zweite Option ist die energetische und bauliche Sanierung der bestehenden Halle. Die Kosten müsste die Stadt tragen. Dazu gebe es aktuell ein Studienprojekt der Hochschule Biberach, erklärt Koschka. Der Verein möchte parallel dazu ein Sanierungskonzept erarbeiten, die Ergebnisse sollen bis Mitte nächsten Jahres vorliegen.
Eine dritte Möglichkeit wäre, das Angebot zu reduzieren und eine Kunststoffbahn zu errichten. So könnte man die Energiekosten reduzieren. Der größte Nachteil: Der Profisport wäre dann raus. Sein Telefon habe nicht mehr stillgestanden, sagt Wucher, der als Vorstandsmitglied des Fördervereins in der Sitzung Rederecht bekommt. „Es hängen Existenzen dran“, gibt er zu bedenken. Doch die Eisbahn werde nicht nur von Sportlern genutzt. Bei der Disco seien samstags 400 Kinder auf dem Eis.
Keiner der Stadträte bezweifelt, dass es in Lindau Eissport geben muss. Und alle sprechen sich dafür aus, den Förderverein mit ins Boot holen. Diskussionen gibt es lediglich darüber, ob bereits konkrete Ziele, wie der Ausschluss einer synthetischen Eislaufbahn, in den Beschlussvorschlag eingehen sollten.
Stadt erarbeitet Konzept für Eissport in Lindau
Auf Vorschlag von Jasmin Sommerweiß (CSU) einigten sich die Stadträte aller Fraktionen darauf, dass die Verwaltung gemeinsam mit dem Förderverein Eissportarena ein Konzept zum Weiterbetrieb der Eissportarena erarbeiten soll.
Das Konzept, bei dem es vor allem um Einsparungen für die nächsten Jahre geht, soll so ausgestaltet werden, dass ein Weiterbetrieb möglich ist, bis ein Bau- und Finanzierungskonzept für ein neues Eisstadion vorliegt.
Für den einstimmigen Beschluss gibt es Applaus vom Publikum. Bernd Wucher zeigte sich nach der Sitzung „sehr erleichtert“ über das klare Bekenntnis aller Stadtratsfraktionen. Die eigentliche Herausforderung aber bleibt bestehen. Denn jetzt müssen die Beteiligten, wie Claudia Alfons sagt, „ausloten, wie es tatsächlich gehen kann“.
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