Die Zahl der Krankschreibungen hat im ersten Quartal dieses Jahres einen historischen Höchststand erreicht. Demnach lag der Krankenstand in den Monaten Januar bis März in Deutschland bei durchschnittlich 7,11 Prozent. Das geht aus Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Damit wurde das hohe Niveau des Vorjahresquartals nochmals deutlich überschritten, teilte die Forschungseinrichtung mit.
Einen ähnlichen Trend ergeben die Zahlen der Techniker Krankenkasse (TK). Die mit knapp zwölf Millionen Versicherten größte deutsche Krankenkasse veröffentlichte kürzlich die Vorabdaten zu den bei der TK versicherten Erwerbstätigen. Mit einem Krankenstand von knapp sechs Prozent lagen die gesundheitsbedingten Abwesenheitszahlen weit höher als in den Vorjahren. Zum Vergleich: Im ersten Quartal des Corona-Jahres 2021 pendelte sich der Krankenstand bei rund 3,5 Prozent ein.
In Bayern steigen die Krankschreibungen an – außer bei Erkältungen
Zurückzuführen seien die hohen Zahlen auf "überdurchschnittlich viele und auch starke Erkältungs- und Grippewellen", sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. Diese machten rund ein Drittel aller Krankheitstage aus. Auch das ist ein Rekordhoch. Ob dies mit den nachlassenden Hygienemaßnahmen wie dem regelmäßigen Händedesinfizieren oder Abstandhalten nach der Corona-Pandemie zusammenhängt, ist aus der Statistik nicht ersichtlich.
In Bayern gestaltet sich die Situation etwas anders. Im Freistaat ist der Krankenstand bei Erkältungsdiagnosen im Vergleich zum letzten Jahr zurückgegangen. "Ansonsten beobachten auch wir einen Anstieg über alle Diagnosen hinweg. Generell gehören Erkältungskrankheiten, Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie psychische und Verhaltensstörungen zu den Diagnosen mit den meisten Fehlzeiten", sagt der bayerische TK-Chef Christian Bredl auf Anfrage unserer Redaktion. Was den Anstieg zuletzt verursacht, darüber lasse sich aber nur spekulieren.
Mehr Krankmeldungen: Gewerkschaft in Bayern verweist auf hohe Arbeitsbelastung
Eine Ursache könnte in der hohen Arbeitsbelastung liegen. So sagt Herbert Hartinger, Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Bayern, unserer Redaktion: "Je stärker die Arbeitsverdichtung ist, desto häufiger wird auch krank gearbeitet." Hartinger fügt hinzu: "Wenn sich Beschäftigte Sorgen um den Verlust ihres Arbeitsplatzes machen, arbeiten sie ebenfalls häufiger krank. Die Arbeitsbedingungen spielen bei der Entscheidung, trotz Krankheit zu arbeiten, offenbar eine wichtige Rolle." Um die Genesung und die Gesundheit der Beschäftigten besser zu schützen, brauche es eine wertschätzende Betriebskultur und eine Arbeitsorganisation, bei der krankheitsbedingte Abwesenheit nicht mit der Angst vor möglichen negativen Konsequenzen verbunden sei. Viele Menschen gingen arbeiten, obwohl sie eigentlich krank seien. "Präsentismus", heißt dieses Phänomen.
Trotzdem besteht in vielen Branchen des deutschen Arbeitsmarkts ein massiver Fachkräftemangel. Rainer Nachtigall, Vorsitzender des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), warnt vor zunehmenden Personalengpässen: "Wir haben den Fachkräftemangel in nahezu allen Bereichen. Wenn zusätzliche Beamtinnen und Beamte erkranken, müssen diejenigen, die eh schon unterbesetzt sind, zusätzliche Aufgaben übernehmen." Die Folgen seien weitere Arbeitsbelastungen für Beamte und eine Einschränkung der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger. "Sollte sich die Situation verschärfen, können bestimmte Dinge im öffentlichen Dienst nicht mehr im Zeitplan umgesetzt werden", sagt Nachtigall. "Dann müssen Menschen lange auf einen Termin am Amt warten, oder an Schulen fallen Unterrichtsstunden aus", so der BBB-Vorsitzende.