Mehr Tierwohl und mehr Klimaschutz: Die neuen grünen Bundesminister Cem Özdemir (Landwirtschaft) und Steffi Lemke (Umwelt) wollen die Landwirtschaft umbauen. An den Zielen haben Bäuerinnen und Bauern aus dem Allgäu wenig auszusetzen – doch den geplanten Weg der Politik sehen sie teilweise kritisch.
Förderung: Belohnt werden soll künftig Klimaschutz statt Fläche. Darüber ist die Oberallgäuer Kreisbäuerin Monika Mayer verwundert – „denn das gibt es schon“. 70 Prozent der Höfe im Oberallgäu seien beispielsweise sogenannte Kulap-Betriebe. Mit dem Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) gewährt Bayern den Landwirten Ausgleichszahlungen für umweltschonende Bewirtschaftung. „Man muss jetzt sehr aufpassen, dass gut funktionierende Programme nicht durch populistischen Übereifer zerstört werden“, fordert Mayer. Auch Alfred Enderle (Wertach), schwäbischer Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbands, fände es „absurd“, effiziente Programme jetzt auszuhebeln. Mehr Flexibilität wünscht sich hingegen Stefan Schreyer, Allgäuer Regionalsprecher des Verbands Bioland. „Statt Fläche zu fördern, könnte man das auch an der Zahl der Arbeitsplätze festmachen.“ Man müsse endlich weg vom „Gießkannen-Prinzip“ und stattdessen gezielter fördern.
Anbindehaltung: Diese soll spätestens in zehn Jahren beendet werden – so steht es im Koalitionsvertrag. „Es wird aber aktuell nicht zwischen Kombinationshaltung und reiner Anbindehaltung differenziert“, moniert Mayer. Sie wünscht sich ein klares Statement zur Kombinationshaltung, bei der die Rinder auch auf die Weide dürfen – schließlich arbeite die Hälfte der Oberallgäuer Höfe so. „Meist sind das kleinere Familienbetriebe.“ Komme es zu einem Strukturbruch, werde es für diese Höfe schwer, sich anzupassen und mitzuhalten. Die Konsequenz könnten laut Mayer weniger regionale Lebensmittel sein.

Bioprodukte: Lemke und Özdemir wollen, dass der Anteil des Anbaus nach Öko-Richtlinien mittelfristig auf 30 Prozent steigt. Bisher liegt er bundesweit bei unter zehn Prozent. Manfred Gromer bezweifelt aber, dass der Markt derzeit noch mehr Bioprodukte verträgt und die Verbraucher bereit sind, mehr Geld für qualitativ gute Lebensmittel auszugeben. Der Sprecher des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM) im Unterallgäu sieht auch die Gefahr, dass bei weiteren Preissteigerungen für heimische Produkte billigere Ware aus dem Ausland nach Deutschland kommt. „Das Angebot muss entlang des Marktes aufgebaut werden“, sagt auch Mayer. Ansonsten könne es passieren, dass teuer produzierte Bio-Lebensmittel als konventionelle Produkte verkauft werden müssen, weil es keine Abnehmer gebe. Özdemir betont zwar, dass die Verbraucher laut Umfragen bereit seien, höhere Preise in Kauf zu nehmen. „Solche Lippenbekenntnisse müssen aber an der Ladentheke bezahlt werden“, sagt Mayer. Das Ziel von 30 Prozent Bioanteil hält Stefan Schreyer für machbar. Er ist überzeugt, dass die Verbraucher nicht tiefer in die Tasche greifen müssten, wenn sie gezielter einkaufen und die Lebensmittel konsequent verbrauchen würden.
Veränderung: Den Grundgedanken der Veränderung findet Gromer gut. Der 63-Jährige hat seinen Hof mit 70 Kühen im Jahr 2008 auf Bio umgestellt. Dennoch bezeichnet er die derzeit noch vagen Ideen der neuen Bundesminister als „Schnellschuss“. Das grundsätzliche Problem sieht er in der finanziellen Abhängigkeit der Landwirte von Zuschüssen. „Ziel muss es sein, dass die Produzenten ohne staatliche Unterstützung von ihren Produkten leben können.“ Sonst würden weitere Höfe sterben. „Bei der Diskussion über Veränderungen darf auch die entscheidende Rolle der EU nicht außer Acht gelassen werden“, mahnt Enderle.
Wunsch an Minister: Gromers Bitte an Özdemir: „Er soll sich in Ruhe einen Allgäuer Hof ansehen und dann entscheiden, was in der Politik Sinn ergibt.“ Auch Mayer hofft auf ein Miteinander. „Unsere Forderungen sind im ureigensten Interesse der Politik.“ Aus Schreyers Sicht wäre ein „runder Tisch“ mit den Ministern und Vertretern aller landwirtschaftlichen Verbände mit ihren teils unterschiedlichen Ansichten sinnvoll: „Da muss jeder Zugeständnisse machen.“ Er beneide Özdemir nicht, sagt Schreyer. „Aber seine Ausbildung als Sozialpädagoge könnte ihm da helfen.“
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