Viele Veranstaltungen werden in den nächsten Monaten an den Bauernkrieg vor 500 Jahren erinnern. Den Auftakt macht nun Memmingen. Die Stadt feiert das Jubiläum wie kein anderer Ort im Allgäu, schließlich wurden dort die Freiheits-Forderungen der Bauern formuliert, jene Zwölf Artikel, die als erstes Manifest der Menschenrechte auf deutschem Boden gelten. Es überrascht allerdings, welcher Art dieser erste Akt der Rückschau ist: Im Antoniter- und Strigelmuseum wird eine Graphic Novel präsentiert. Unter dem Titel „1525 - Der Aufstand“ beschreibt der italienisch-österreichische Zeichner Giulio Camagni auf bild- und wortgewaltige Weise nichts weniger als die Geschichte des Bauernkriegs im Süden und Westen Deutschlands. Und natürlich spielen Allgäuer Orte und Personen eine wichtige Rolle in diesem 110-seitigen gezeichneten Roman.
Georg Truchsess von Waldburg rückt Camagni schon auf den ersten Seiten groß ins Bild. Jenen Adeligen vom Westrand des Allgäus also, der die Aufständischen bekämpft und die Allgäuer Bauern im Sommer 1525 bei Kempten mit brutalsten Mitteln zur Aufgabe zwingt. Bald wird Memmingen in der Graphic Novel zum Schauplatz. In der Reichsstadt schießt sich der Prediger Christoph Schappeler wortmächtig auf einen Katholizismus ein, der dringend reformiert werden müsste. Dann die Szenen in der Kramerzunft, wo 50 Bauernvertreter am Ende von intensiven Beratungen jene Zwölf Artikel verfassen, in denen sie – wohlgemerkt auf Grundlage des Evangeliums – die Abschaffung der Leibeigenschaft und vieles mehr fordern. Kurz gesagt: ein selbstbestimmtes Leben.

Fünf Gehminuten von der Kramerzunft am Memminger Weinmarkt entfernt, liegt das Antonierhaus mit seinen Museen. Dort, zwischen den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kunstwerken der Strigel-Familie, hat Museumsleiter Axel Lapp die Originalzeichnungen des Camagni-Buchs noch ohne die später digital eingefügten Textfelder und Sprechblasen platziert, die von Memmingen und dem Truchsess erzählen. Außerdem sind stark vergrößerte Seiten aus dem Buch zu sehen. Diese Gegenüberstellung erzeugt einen reizvollen Dialog.
Camagni erzählt verblüffend filmisch die Bauernkriegs-Geschichte
Giulio Camagni, der in Wien lebt, ist ein Glücksfall, um den Bauernkrieg kunstvoll und historisch stimmig nachzuerzählen. 1973 in Udine geboren, studierte er in Mailand Geschichte. Schon früh war er aber als Künstler und Comiczeichner aktiv. So kann er die Fakten, die hinsichtlich des „Aufstands des gemeinen Mannes“ vor 500 Jahren sehr komplex und facettenreich sind, reizvoll mit einer bildnerischen Darstellung kombinieren. Camagni wählte die Technik des Aquarells. Die leicht stilisierten Zeichnungen stellen die Figuren und die Schauplätze sehr plastisch und detailgetreu dar, vermeiden aber einen sterilen Fotorealismus.
Zugleich erzählt Camagni verblüffend filmisch: Munter wechseln Bilder mit Großaufnahmen und Panoramen. Er hat starke Charaktere mit markanten Gesichtern geschaffen, souverän arrangierte Gruppen, überwältigende Stadtansichten und Landschaften. Eine dramatische Familiengeschichte hat er auch noch hineingewebt.
Dass seine Graphic Novel überhaupt entstand, ist Museumsleiter Axel Lapp zu verdanken. Der bekam Camagnis 2022 erschienene Graphic Novel über Kaiser Maximilian I. in die Hände und war schnell überzeugt: „Das wäre ein toller Weg, um die Ereignisse des Jahres 1525 verständlich und zugänglich zu machen.“ Schon im Sommer 2023 kontaktierte Lapp den historisch bewanderten Zeichner. Camagni war sofort angetan von der Idee und las sich gleich beim Strandurlaub in die Materie ein – mit Peter Blickles nach wie grandioser historischer Darstellung des Bauernkriegs. Die gemeinsame Sache mit Memmingen habe ihm sehr viel Freude gemacht, versichert der 51-Jährige.
Ausstellung läuft bis 5. Oktober
Die Ausstellung mit Bildern aus Giulio Camagnis Graphic Novel „1525 - Der Aufstand“ in den Museen des Memminger Antonierhauses läuft bis 5. Oktober (geöffnet Donnerstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr). Das 110-seitige Buch, erschienen bei bahoe books, kostet 28 Euro und ist im Museum wie im Buchhandel erhältlich. Ein Künstlergespräch mit Camagni gibt es am Mittwoch, 14. Mai, um 19 Uhr.
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