Fünf Olympia-Teilnahmen, drei olympische Medaillen, sieben WM-Titel, viermal Europameisterin und drei Gesamtweltcupsiege – das ist eine atemberaubende Bilanz. Nicht umsonst ist Susi Erdmann eine der erfolgreichsten deutschen Wintersportlerinnen überhaupt. Vor 30 Jahren holte sie als Rennrodlerin bei der WM in Winterberg Doppelgold und vor 20 Jahren setzte sie nach dem Wechsel in den Zweierbob ihre Erfolgsserie beinahe nahtlos fort, bevor sie 2007, im Alter von 39 Jahren, ihre Karriere beendete.
Gute zehn Jahre später fand Erdmann – mehr oder weniger durch Zufall – ihre neue Heimat inmitten des Türkheimer Golfplatzes Gut Ludwigsberg im Allgäu, das sie zuerst über ihren Golffreund Franz „Bulle“ Roth kennenlernte, der dort ebenfalls Mitglied ist.
Letztes Rennen auf Naturbahn in St. Moritz
Inmitten des idyllischen Grüns blickt die aus dem Harz stammende 53-Jährige auf ihr letztes Rennen zurück. Sie erinnert sich noch gut. Zum einen weil es eine Weltmeisterschaft war, in erster Linie jedoch, weil diese in St. Moritz, auf der „absoluten Lieblingsbahn“ von Susi Erdmann stattfand. „Das ist die letzte Naturbahn, die wir noch haben, und ich habe sie mir deshalb bewusst zum Karriereende ausgesucht“, sagt sie.
Ebenso gut erinnert sie sich an die starken Schmerzen, mit denen sie damals als Nachwirkungen einer falsch behandelten Verletzung zu kämpfen hatte. Daher war sie mit ihrem vierten Rang umso zufriedener. Danach liebäugelte sie zunächst noch damit, weiterzumachen, entschied sich dann im Sommer jedoch dagegen, weil sie sich keine Chancen mehr ausrechnete, ihren sportlichen Ansprüchen gerecht zu werden.
Erdmann leitet Sportausbildung von Soldaten
Die erste Zeit nach der Karriere war für die erfolgreiche Wintersportlerin „nicht einfach“. „Ich habe über ein Jahr gebraucht, mir klar zu werden, was ich will“, erinnert sich Erdmann. Eine Trainertätigkeit war für sie keine Option. „Ich habe so lange Leistungssport betrieben und dabei acht Monate im Jahr aus dem Koffer gelebt, das wollte ich nicht mehr. Ich wollte ein normales Leben mit langfristigen sozialen Kontakten“, erzählt Erdmann. So ist die einst erste Sportsoldatin der Bundeswehr treu geblieben. Seit 2015 leitet sie als Sportfeldwebel bei der Sanitätsakademie in München die Sportausbildung der Soldaten in Theorie und Praxis.
Ganz ohne Bobfahren geht es für Susi Erdmann aber doch nicht. „Ich hatte immer die Absicht, nach meiner Karriere Gästefahrten anzubieten, weil ich solchen Spaß am Fahren habe.“ Als ihr 2005 ein Viererbob zum Kauf angeboten wurde, schlug sie sofort zu. Für die Umsetzung ihrer Idee wollte sie nämlich „einen Rennbob und kein altes Taxi“, betont sie. Seitdem ist sie abgesehen vom letzten Winter, in dem es wegen Corona nicht möglich war, jede Saison im Kurvenlabyrinth des olympischen Eiskanals in Innsbruck-Igls unterwegs. Ihre Bob-Events sind „kleine, persönliche Geschichten“, bei denen sie sich viel Zeit für ihre Gäste nimmt. Unter Wettkampfatmosphäre geht es dann mit bis zu 120 km/h nach unten bevor auf die Teilnehmer eine richtige Siegerehrung mit Urkunde wartet.
Bobbahn Königssee: Flutkatastrohpe zerstörte ihre Heimatstrecke
Auf ihrer Heimatbahn, auf der sie früher für den WSV Königssee startet, werden dagegen so schnell keine Rennen mehr stattfinden. Die legendäre Bob- und Rodelbahn bei Berchtesgaden ist durch die Unwetterkatastrophe der vergangenen Woche vollkommen zerstört. Der Schaden liegt im zweistelligen Millionenbereich. „Ich bin auch Jahrgang 1968, die Kunsteisbahn ist so alt wie ich – jetzt gibt es sie nicht mehr. Ich bin dort unzählige Male gefahren, ich kannte jede Welle. 1985 bin ich dort mein erstes Rennen bei einer Junioren-EM gefahren, 2004 habe ich am Königssee meinen letzten großen Titel bei der Bob-WM geholt“, sagte Erdmann der Abendzeitung über die Bahn.
Erdmann will auf Golfplatz alt werden
Nicht nur als Freiluftsportlerin, auch privat war Susi Erdmann schon immer sehr naturverbunden. Auch während ihrer Arbeit bei der Bundeswehr in München sehnte sie sich immer wieder nach Ruhe und Natur. So war es wohl ein Wink des Schicksals, dass die leidenschaftliche Golferin zu ihrem 50. Geburtstag die Ehrenmitgliedschaft des Golfclubs Ludwigsberg in Türkheim verliehen wurde, wo sie schon geraume Zeit – auch mit Ex-Fußballstar aus den 70ern "Bulle" Franz Roth aus Bertoldshofen – ihrer neuen Leidenschaft frönte.
Bei dieser Gelegenheit entdeckte sie nämlich, dass das sie schon länger faszinierende Hexenhäuschen auf dem Gelände renoviert wurde. Als sie erfuhr, dass es zu mieten war, fackelte sie nicht lange und schlug zu. „Wir sind Golfer, und ich habe sofort gewusst, dass ich hier alt werden möchte“, sagt die 53-Jährige.
Allgäu ins Herz geschlossen
Das Allgäu hatte sie schon zuvor während Kuraufenthalten und Abstechern auf diverse Golfplätze ins Herz geschlossen. Die berufsbedingte Pendelei nach München nimmt sie für ihr idyllisches Zuhause, in dem sie mit ihrem Lebenspartner und „drei wunderbaren Katern“ lebt, gerne in Kauf. Für die nächste Zeit hat sie sich vorgenommen, „das Allgäu noch genauer zu erkunden“. Sobald es ihre Zeit zulässt, plant sie zudem einen Abstecher ins Oberallgäu, um die frühere Eistänzerin Kati Schneider (geb. Winkler) zu besuchen. Die beiden Wintersportlerinnen kennen sich von den Olympischen Spielen und sind seitdem freundschaftlich verbunden.
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