Welche Pläne hatte wohl Johann Baptist Abt aus Herrenstetten bei Illertissen, als er am 1. April vor 125 Jahren nach Kempten zog und dort das Huf- und Wagenschmiedegeschäft von Ambros Dumler an der Burgstraße übernahm? Damals warb er bei Pferde- und Fuhrwerksbesitzern für seine Dienste. Vier Generationen später ist Abt das Synonym für den weltgrößten Veredler für Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern, ein erfolgreiches Motorsportteam und einen Pionier der Elektromobilität.
„Wir sehen Veränderungen seit jeher als Chance und nicht als Risiko“, sagt der heutige Firmen-Chef Hans Jürgen Abt (58). Sportliche Autos waren 1896 noch kein Thema, doch sein Urgroßvater war schon ein Tüftler, entwickelte eine Kufenkonstruktion, mit der man Pferdefuhrwerke optimal auf „Winterbetrieb“ umrüsten konnte.

Hans-Jürgen Abt übernahm 1991 das elterliche Geschäft und führte es mit seinem Bruder Christian (53) bis 2011 gemeinsam. Er betrachtet die Zukunft des Autos differenziert: „In urbanen Räumen schwindet der Wunsch, ein eigenes Auto zu besitzen.“ Dagegen werde es in weniger dicht besiedelten Räumen weiterhin eine große Rolle spielen: „Mobil zu sein, ist ein Grundbedürfnis des Menschen.
Das Auto als "wichtiger Schlüssel"
Das Auto ist ein wichtiger Schlüssel dafür.“ Offen ist für den 58-Jährigen die Antriebsart, denn er sieht neben den klassischen Verbrennern durch Hybrid- und Elektrofahrzeuge mehr Möglichkeiten: „Mit der Brennstoffzelle und synthetischen Kraftstoffen stehen sogar zwei weitere Technologien in den Startlöchern.“
Abt selbst ist seit zehn Jahren im Feld der Elektromobilität unterwegs, bei Straßenfahrzeugen sowie seit 2014 in der Elektro-Rennserie Formel E. Aus den ersten Pilotprojekten mit der Deutschen Post und der Hochschule Kempten entstand die Abt e-Line GmbH, zunächst mit einem e-Caddy und jetzt einem e-Transporter, der auf Basis des VW T 6.1 im offiziellen VW-Auftrag entsteht. Derzeit verlassen jährlich 2500 Elektroautos und 8500 veredelte Autos die Hallen an der Johann-Abt-Straße in Kempten. Der Jahresumsatz bleibt Unternehmens-Geheimnis.

Vieles hat sich in 125 Jahren verändert. „Die Welt, die Menschen, das Automobil, unsere Sicht auf die Dinge“, sagt Hans-Jürgen Abt und blättert in der Familienchronik. Eine Woche nach der Geschäftseröffnung im Jahr 1896 erfüllte sich auch das private Glück. Johann Baptist Abt heiratete die Ostallgäuer Schmiedemeisterstochter Katharina Altheimer.
Hand Jürgen und Christian Abt - ein Geschäftsführer und ein Rennfahrer
Mit ihr hatte er sieben Kinder, darunter Firmennachfolger Johann Josef Abt. Der hatte zusammen mit seiner Frau Rosina zwei Kinder, Johann und Hildegard. Dieser Johann avancierte zum berühmten Rennfahrer und hatte zusammen mit seiner Frau Thea zwei Söhne: Hans-Jürgen und Christian. Der eine übernahm die Firma, der andere wurde Rennfahrer. Die fünfte Generation markierten Hans-Jürgens Kinder, der Rennfahrer Daniel Abt (28), seine Schwester Marina (25) und die knapp zwei Jahre alte Rosalie. Lesen Sie auch: Sophia Flörsch fährt DTM-Saison 2021 im Audi für Abt.
„Eines haben wir immer bewahrt: Unsere Leidenschaft für spannende, neue Technologien, Abenteuer und manchmal ungewöhnliche Wege.“ Für Abt mit seinen 200 Mitarbeitern ist es nicht einfach, den richtigen Weg zu erkennen: „Der Markt muss die E-Automobilität in einer gewissen Breite annehmen. Erst dann macht es für uns unternehmerischen Sinn, dort noch tiefer einzusteigen.“ Zusammen mit der Hochschule in Kempten loten die Spezialisten von Abt gerade die Möglichkeiten der Brennstoffzelle aus.

„Die Herausforderungen an unsere Ingenieure und Designer haben sich im Laufe der Jahre verändert“, sagt Abt. Als er vor 38 Jahren in die Firma einstieg, war der Golf GTI mit einer Steigerung von 110 auf 130 PS der Kassenschlager. Auffällige Karosserieumbauten und grelle Farben markierten die 1980er Jahre. „Es folgten edles Understatement, souveräne Performance und hochwertige Individualisierung.“ Aktuell ist Abt in mit Partnern in mehr als 60 Ländern am Markt.
Die DTM als wichtiger Werbeträger
Wichtige Werbeträger für Abt sind die Rennautos im Deutschen Tourenwagen Masters (DTM), in der Formel E und der neuen Elektro-Rennserie Extrem E. Hier ist Sport-Marketingdirektor Harry Unflath ein Bindeglied zwischen Team und Sponsoren. Seit 35 Jahren steht er an der Seite von Hans-Jürgen Abt und hat einen wesentlichen Anteil am Wachsen der Firma.
„Win on Sunday, sell on Monday“, war der Wahlspruch von Rennfahrer Johann Abt: Gewinne am Sonntag und verkaufe erfolgreich am Montag. „Der tatsächliche Absatz durch Rennerfolg ist schwer zu beurteilen“, sagt Abt-Geschäftsführer Thomas Biermaier. Besser messbar ist der Absatz von höherwertigen Straßenflitzern. Im Jubiläumsjahr gibt es gleich drei Modelle mit je 740 PS: 125 Stück des Abt-Audi RSQ8-R (für etwa 211 500 Euro zu kaufen), einen Abt-Audi RS7-R sowie einen Abt-Audi RS6-R. „Doch der ist schon ausverkauft“, sagt Biermaier stolz.
125 Jahre Abt Sportsline
- 1896 Johann Baptist Abt kauft eine Huf- und Wagenschmiede
- 1920 Erweiterung der Schmiede um Autowerkstatt und Autohandel
- 1930 Umzug in der Burgstraße
- 1932 Partnerschaft mit Audi
- 1942 Nach dem Tod von Josef Abt übernimmt seine Ehefrau Rosina das Geschäft
- 1950 Johann Abt führt sein erstes Autorennen, mit 19 Jahren wird er Motorrad-Weltmeister.
- 1962 Johann Abt übernimmt die Geschäftsführung
- 1965 Umzug nach Oberwang
- 1967 Gründung von Abt Tuning
- 1970 Johann Abt wird Tourenwagen-Europameister, insgesamt feiert er über 300 Siege
- 1976 der Abt Golf GTI mit 130 PS wird zum Verkaufsschlager
- 1991 Aus Abt Tuning wird Abt Sportsline an der Autobahn A7
- 1996 Händler in 50 Ländern bieten Abt-Produkte an
- 1999 Christian Abt gewinnt den Titel der Supertourenwagenserie
- 2002 Ausbau Firmenzentrale
- 2002 Abt gewinnt das Deutsche Tourenwagen Masters, der erste von zehn DTM-Titeln
- 2009 Abt entwickelt E-Mobilität
- 2014 Abt steigt in die Elektrorennserie Formel E ein, drei Jahre später wird Lucas di Grassi Weltmeister
- 2018 Abt baut für den VW-Konzern E-Transporter und E-Caddy
- 2021 Abt startet in die Extreme E