Auftrieb auf der Alm. Das Bierzelt fehlt, die Maßkrüge auch. Ansonsten ist es fast ein bisschen wie beim politischen Aschermittwoch, nur eben zwischen Kühen. Die Politik ist hochrangig angereist zur traditionellen Hauptalmbegehung am Mittwoch im oberbayerischen Arzmoosgebiet bei Brannenburg. Der Treff der Almbauern hat sich zunehmend zum Polit-Event entwickelt. Bei Reden auf den Almen werden Positionen abgesteckt. Thema wieder einmal: Der Wolf - auch wenn offiziell zurzeit gar keiner umgeht im Süden Bayerns.
In Seeg im Landkreis Ostallgäu gibt es allerdings einen Verdachtsfall. Hier könnte am 25. Juli ein Wolf zwei neugeborene Kälber gerissen haben. Das Bayerische Landesamt für Umwelt prüft den Fall.
Özdemir, Söder, Aiwanger: Politische Prominenz bei Hauptalmbegehung
Auch Besuch aus Berlin ist dabei. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schnürte die Wanderschuhe. Und stapfte morgens schon einmal voran zur ersten Alm - die bayerische Politik folgte. Gut zwei Monate vor der Landtagswahl kamen Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), ferner Abgeordnete sowie Vertreter von Verbänden und aus der Kommunalpolitik.
Vorsitzender Almwirtschaftlicher Verein: "Wolf kann überall leben, Weidetiere nicht"
Mehr als 600 Teilnehmer brachen - zunächst bei Nieselregen - zu der Wanderung des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern auf. Beim Wolf ist man sich grundsätzlich einig. Niemand wolle den Wolf ausrotten, sagte der Vorsitzende Josef Glatz. Aber: "Das Viech braucht ja nicht überall sein." Der Wolf könne überall leben, die Weidetiere nicht.
Söder sagte es so: "Der Wolf gehört nicht zu uns, der Wolf gehört nicht nach Bayern und der Wolf gehört auch nicht auf die Alm." Fast wortgleich hatte er bei der Hauptalmbegehung im Vorjahr eine Lösung versprochen. Seit Frühjahr nun hat Bayern eine Wolfsverordnung, die eine Entnahme - letztlich den Abschuss - einfacher macht.
Bauern fordern wolfsfreie Weideschutzgebiete
Die Bauern sind froh darüber. Sie fordern aber zudem, dass der Schutzstatus des Wolfes in Europa herabgesetzt wird und regionale - wolfsfreie - Weideschutzgebiete sowie Wolfsgebiete ausgewiesen werden, in denen der Bestand reguliert wird.
Was den einen nicht weit genug geht, ist den anderen ein Dorn im Auge. Naturschützer klagen gegen die Verordnung. "Die Wolfsverordnung war ein Schnellschuss ohne Beteiligung der Umweltverbände und ist keine Problemlösung, sondern ein billiges Wahlkampfmanöver", sagte der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern, Richard Mergner. Der BN setze auf Lösungen, die die Almen schützten. "Dafür muss der Freistaat mehr Geld in die Hand nehmen und sich konstruktiv an regionalen Lösungen beteiligen." Er schlug hier Runde Tische vor.
Wolfsjagd in Bayern? Jäger sind skeptisch
Jäger sehen die ganze Sache zurückhaltend. Wolfsjagd ist für sie Neuland. Wie soll ein Wolf im Wald aufgespürt werden, wenn er nicht gerade an einem gerissenen Tier frisst? In früheren Zeiten wurden Wölfe per Treibjagd in Fallen getrieben - das wäre heute kein Weg. Und: Das Thema sieht die Bevölkerung kontrovers. Nach dem Abschuss von Bär Bruno bekamen Jäger Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen.
Doch diese Fragen sind am Mittwoch kein Thema. Für die Bauern ist klar: Der Wolf bedroht die gesamte Almwirtschaft mit Kulturlandschaft und schützenswerten Naturflächen, nämlich wenn als Konsequenz keine Tiere mehr auf der Alm stehen. Zäune könnten sie nicht schützen.
Landwirtschaftsministerin Kaniber: "Unsere Almbäuerinnen und Almbauern stehen auf der Roten Liste"
"Der Wolf ist nicht mehr gefährdet, aber unsere Almbäuerinnen und Almbauern stehen auf der Roten Liste", rief Kaniber unter Beifall. Auch Aiwanger, nicht immer im Schulterschluss mit Kaniber, sagte, der Schutzstatus müsse in Brüssel überprüft werden.
Ein Stück Aufmerksamkeit bekommen dann auch die Hauptbewohner der Alm, die Kühe, die den Rummel gelassen wiederkäuend zur Kenntnis nehmen. Im Sommer auf der Weide, im Winter angebunden im Stall - für diese Kombihaltung will Özdemir verschärfte Auflagen einführen.
Özdemir will für Kuh-Almhaltung schärfere Auflagen einführen
Die Almbauern kritisieren, die Auflagen gingen in Details sogar über Öko-Standards hinaus. In bestimmten Fristen sollen sie zugunsten des Tierwohls einen Winter-Auslauf schaffen. Gerade kleine Betriebe könnten die Vorgaben nicht erfüllen und müssten aufgeben. Auch hier drohe auf Dauer ein Verlust der Almlandschaft, warnt Glatz.
"Wenn die Viecher ein Viertel bis halbes Jahr auf der Alm sind und die Freiheit genießen, ist das natürlich wie es natürlicher nicht geht", sagte Glatz mit Blick aufs Tierwohl. Es würden hohe Standards eingehalten, auch wenn die Tiere im Winter im Stall angebunden seien. "Jeder Bauer schaut, dass er ein gesundes Vieh hat."
Kaniber zu Özdemir: "Wir erwarten von Ihnen den Kampf für die Kombihaltung"
Die Staatsregierung stellte sich hier hinter die Bauern. Kaniber rief Özdemir zu: "Wir erwarten von Ihnen den Kampf für die Kombihaltung." Es gehe um Tausende Betriebe in Bayern, bei denen die Lichter ausgehen könnten. "Und glauben Sie mir: Wenn einmal eine Stalltür zu ist, geht sie nicht mehr auf." Aiwanger sagte: "Seit Jahrhunderten hat diese Haltung funktioniert." Özdemir verteidigte die Pläne. "Ich finde, wir haben da einen fairen Vorschlag gemacht." Wenn es im Detail noch Schwierigkeiten gebe, "schauen wir uns das gerne an".
Dann geht es weiter. Aiwanger macht noch Pause auf der Alm, während Söder und Kaniber zu anderen Terminen eilen. Özdemir aber bricht mit dem Tross auf zur nächsten Alm. Er hat zugesagt, die mehrstündige Tour ganz mitzumachen - und sich den Sorgen der Bauern zu stellen.
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