Irene Epple-Waigel und Theo Waigel in ihrem Haus in Seeg im Ostallgäu.
Bild: Ralf Lienert (Archiv)
Irene Epple-Waigel und Theo Waigel in ihrem Haus in Seeg im Ostallgäu.
Bild: Ralf Lienert (Archiv)
Es ist das Haus am Ende einer Straße. Nicht sehr auffällig, keinesfalls protzig. Ein Haus, das sich harmonisch einfügt in die Ostallgäuer Gemeinde Seeg, wo die Außenfassaden der meisten Gebäude holzdominiert sind. Hier findet man den für die Region so typischen ländlichen Charme. Hier kennt noch jeder jeden, in einem Dorf, das knapp 3000 Einwohner zählt und dessen Umgebung für ihr hügeliges Gelände mit Weideflächen, Mooren und Seen bekannt ist. Wie gesagt: Hier kennt und grüßt man sich und jeder weiß, welches prominente Ehepaar am Ende der Straße wohnt.
Seit vielen Jahren leben Dr. Theo Waigel und seine Frau Dr. Irene Epple-Waigel in einem Haus, das ursprünglich ein Doppelhaus war. Die rechte Hälfte gehörte Irene Epple, die linke ihrer Schwester Maria. Zwei einstige Ski-Stars Tür an Tür in ihrem Geburtsort. Immerhin holten sich die beiden in ihrer aktiven Zeit zusammen 16 Weltcupsiege, drei Medaillen bei Weltmeisterschaften und eine Olympia-Medaille.
Dann zog Maria Epple-Beck, eine gelernte Kosmetikerin, nach Gunzesried, wo sie heute ein Kosmetikstudio betreibt. Na ja, da habe es sich eben angeboten, die Haushälfte der Schwester zu erwerben und den eigenen Wohnraum im Rahmen eines Durchbruchs entsprechend zu erweitern, erinnert sich Irene Epple-Waigel, als wir sie an diesem sonnigen Tag besuchen.
„Ihr sind die Ideen nicht ausgegangen“, erinnert sich ihr Mann Theo Waigel. Sie plante und habe quasi den Part des Innenarchitekten übernommen, damals vor zwölf Jahren. Und er? Ob auch er ein Mitspracherecht hatte, wollen wir wissen. Inhaltlich weniger, lautet seine Antwort, und der ehemalige Bundesfinanzminister fügt lächelnd hinzu: „Ich durfte immerhin bezahlen.“
"Heimat ist ist dort für mich, wo mir keiner etwas anhaben kann"
An diesem Vormittag darf er dem Besuch auch einen Cappuccino servieren. Während der Kaffee aus der Maschine läuft, ist der Begriff Heimat das Gesprächsthema. Weshalb er, der weitgereiste Politiker aus dem mittelschwäbischen Oberrohr bei Krumbach, und seine Frau, die weitgereiste Profisportlerin aus dem Ostallgäuer Seeg, ausgerechnet hier im kleinen Allgäuer Dorf am Ende der Straße wohnen? Zurückgekehrt zu den bayerisch-schwäbischen Wurzeln. Sie hätten sich ja auch in einer Großstadt niederlassen können im Ruhestand, der, wenn man auf den Terminplan der beiden blickt, auch nicht unbedingt seinem Namen gerecht wird. Theo Waigel schüttelt den Kopf. Das hätte weder zu ihm noch zu ihr gepasst. Vielmehr seien ihm Begriffe wie Heimat und Wurzeln wichtig. Sie dienen ihm auch heute als eine Art Anker.
„Heimat“, sagt der 76-Jährige, „ist dort für mich, wo mir keiner etwas anhaben kann.“ Wo man sich sicher und aufgehoben fühle. Zum Beispiel in Seeg. Das ist zwar ein paar Kilometer von seinem Heimatort Oberrohr entfernt. Aber Waigel hat festgestellt: „Wenn ich in Nesselwang mit der Sesselbahn den Berg hinauf fahre, kann ich bei gutem Wetter bis hinüber nach Gundremmingen schauen. Dort wo mein Heimatfluss, die Mindel, in die Donau mündet.“
Bei diesem Anblick fühlt er sich auch im Ostallgäu heimisch. Das Tal, die Berge, die Menschen: All das sei ihm vertraut und lieb geworden. „Wenn ich morgens zum Bäcker gehe“, erzählt er, „werde ich ganz normal gegrüßt wie jeder andere im Ort auch.“ Weshalb, stellt er dann eine rhetorische Frage, sollte es auch anders sein? „Ich habe ja keinem etwas getan.“
Dass Irene Epple-Waigel eine Seegerin geblieben ist, hat einen einfachen Grund: „Ich kann von hier nicht weggehen, denn ich brauche die Berge zum Leben.“ So war es während ihrer Kindheit, so ist es geblieben. Obwohl sich vieles verändert hat in ihrem Leben. Der Spitzensport ist längst Vergangenheit. „Ein Kapitel, das ich abgeschlossen habe“, sagt sie.
Irene Epple feierte sensationellen Sieg gegen Rosi Mittermeier
Sie muss es an diesem Vormittag allerdings wieder aufschlagen. Alleine schon wegen der Bilder, die der Fotograf schießen möchte. Am besten vor der Vitrine im Flur, wo Medaillen und Pokale von ihrer Glanzzeit erzählen. Gewiss, sie stellt sich in Pose, erinnert sich an das Jahr 1973, als sie als 15-Jährige den Deutschen Meistertitel errang und dabei sensationell Rosi Mittermeier bezwang. Und sie greift auf Bitte des Fotografen zu jener Medaille, die die Krönung ihrer Karriere bedeutete: die Silberne, die ihr 1980 in Lake Placid nach dem Riesenslalom-Lauf um den Hals gehängt wurde. Obwohl sie das Kapitel Rennsport längst abgeschlossen hat – vermutlich auch deshalb, weil sie ans Karriereende mit einem unbehandelten Kreuzbandriss, der zu einer Arthrose im Knie führte, keine so guten Erinnerungen hat – sind die Gedanken an diesen Erfolg fern der Heimat mit einem Schlag wieder da.
Sie weiß noch heute, welcher Tag damals gewesen ist. „Der 21. Februar“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Der Geburtstag meines Vaters.“ Allerdings: Irene Epple hatte damals den Ehrentag des Vaters nicht wirklich im Blick, sondern alleine ihren Riesenslalomlauf. Sportler haben oft diesen Tunnelblick, der nur die Sicht auf den sportlichen Erfolg zulässt, sonst nichts. Im Ziel spürte sie sofort, dass Besonderes passiert war. Sie riss die Arme jubelnd in die Höhe, sie schrie ihre Freude heraus. Kurze Zeit später stellten die Betreuer eine Telefonverbindung ins Allgäu her, zum Vater der Silbermedaillengewinnerin. Der bedankte sich bei der Tochter mit den Worten: „Du hast mir das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht.“ Erst in diesem Moment war ihr klar geworden, wer an diesem Tag noch etwas zum Feiern hatte.
35 Jahre ist das her. Eine halbe Ewigkeit. Viel ist passiert seither im Leben von Irene Epple, die 1985 aus gesundheitlichen Gründen die Karriere beenden musste, die in München Medizin studierte und promovierte. Die danach im Füssener Krankenhaus als Ärztin arbeitete, 1994 Theo Waigel heiratete und kurz darauf Mutter wurde. Sohn Konstantin studiert inzwischen in München das Fach Jura.
Theo Waigel und Ehefrau Irene Epple wohnen in Seeg
„Die Erziehungsaufgaben sind weitgehend abgeschlossen“, sagt Irene Epple-Waigel. Wieder so ein Schlussstrich. Hat man den gezogen, kann man sich für gewöhnlich anderen Dingen widmen. Weshalb die 58-Jährige bekennt: „Ich suche nicht mehr die Öffentlichkeit, sondern den Sinn des Lebens.“ Während sie diese Worte sagt, greift sie zu einem Lyrikband im Bücherregal. Sie zieht ein Werk von Schriftsteller Reiner Kunze heraus. Er ist ein Freund der Familie. Seine Art, die Dinge des Lebens zu hinterfragen, gefällt ihr besonders gut.
Stichwort Leben. In dem der ehemaligen Weltklassesportlerin spielt die Natur eine tragende Rolle. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass sie sportlich aktiv ist: Gymnastik, Yoga, Pilates, Radfahren, Klettern – im Winter Skitouren. Alpine Abfahrten sind allerdings wegen des lädierten Knies nicht mehr möglich. Sie brauche diese ständige Bewegung, sagt Irene Epple-Waigel. Schon alleine deshalb, um den Gelenkverschleiß in ihrem Körper aufzuhalten. Ein Problem, mit dem sie sich seit einigen Jahren herumschlagen muss und das sie zudem mit der Kraft heilender Kräuter zu bekämpfen versucht.
Sie führt den Besuch an diesem Vormittag hinaus in den eigenen Garten. Dort bekommt er eine profunde Führung, muss seinen Blick nach links zu Spitzwegerich, Brennnessel oder Malven lenken. Dann wird ihm erklärt, dass die Pflanze Giersch seit jeher in der Volksmedizin zur Linderung der Schmerzen bei Rheumatismus und Gicht eingesetzt wird und deshalb gut für ihre oft entzündeten Gelenke sei.
Der Garten der Waigels ist ein Eldorado für alle Kräuterfans. Rosmarin, Frauenmantel, Ehrenpreis, Pimpinelle, Oregano, Zitronenmelisse, Gänsefingerkraut: Alle diese Pflanzen findet man hier, und Minuten später kommt der Gast in der Küche in den Genuss eines grünen Saftes, den Irene Epple-Waigel mixt. Darin findet sich manches Kraut wieder, das wir zuvor gesehen haben. Zudem Karottengrün, Kohlrabiblätter, Feldsalat, Moringablätter oder Minze. Täglich fünf Portionen frischer Kräuter, Gemüse, Salat und Obst, erklärt die Medizinerin, seien sehr gut für die Gesundheit. Vor einigen Jahren wurde Irene Eppel-Waigel Vegetarierin. Sie isst weder Fleisch, noch Fisch, selten Eier oder Käse.
Theo Waigels Ehefrau hatte eine 1,4 im Abiturzeugnis
Spätestens, nachdem wir den grünen, durchaus wohlschmeckenden Saft getrunken haben, ist klar: Irene Epple-Waigel ist auf der Suche nach einem neuen Lebensinhalt beim Thema „gesunde Ernährung“ angekommen. „Ja, das interessiert mich“, sagt sie, gibt aber auch zu: „Gerade was Kräuter und deren Wirkung betrifft, gibt es Leute, die sich viel besser damit auskennen. Ich bin noch eine Lernende.“
Nun ist es freilich bei ihr so, dass sie beim Lernen stets einen besonderen Ehrgeiz an den Tag legte. Das war in der Schule so, die sie als Abiturientin mit der Note 1,4 abschloss.Das ging im Studium weiter und traf auch auf die Welt im Skizirkus zu. Kollegin Rosi Mittermeier urteilte einst über die Allgäuerin: „Was Irene anfängt, will sie auch richtig machen." Die vielen Pokale und Medaillen in der Vitrine und oberhalb des Bücherregals dienen als Beweis dieser These.
Auf diese Trophäen ist ihr Mann etwas eifersüchtig. So eine Medaille, sinniert er, hätte er sich auch mal gerne umhängen lassen. Andererseits: Theo Waigel durfte als Politiker durchaus die ein oder andere Auszeichnung entgegennehmen. Und er erntete, kurz nachdem sich die beiden kennengelernt hatten, folgendes Lob vom Ski-Ass: „Für einen Unterländer hast du wirklich einen guten Stil beim Skifahren.“ Natürlich hat sie ihrem Mann zusätzliche Tipps gegeben, hier und da korrigiert und verbessert, ihm kleine Tricks beigebracht und dafür gesorgt, dass, wie Theo Waigel selbst sagt, „ich mich gehörig verbessert habe auf diesem Gebiet.“
Ein Leben ohne Wintersport kann auch er sich nicht vorstellen. Am liebsten macht er sich auf den Weg zur Langlaufloipe. Liegt ja quasi vor der Haustüre. Das Allgäu ist auch deshalb zu seiner Heimat geworden. Womit wir wieder beim Einstiegsthema wären. Hier fühle er sich geborgen und sicher, sagt er. Vor allem an jenen Tagen, wenn der Schnee dem Allgäu diesen eigenen Charakter verleiht.
Überhaupt: Die Jahreszeit Winter weckt beim füheren Bundesfinanzminister Erinnerungen. In Oberrohr wuchs er als Sohn eines Landwirts auf. Das bedeutete: Selbst als Kind musste er kräftig mit anpacken. Im Winter hingegen nahm die Plackerei ab. Dann durften die Kinder spielen oder Ski fahren. Wenn sich dann im Frühjahr die letzten Schneereste in Wasser auflösten, seien er und die anderen Kinder traurig gewesen. Dann mussten sie wieder mit anpacken im elterlichen Hof.
Der Winter und die Allgäuer Alpen: Diese Kombination fasziniert das prominente Ehepaar am Ende der Straße im Ostallgäuer Seeg noch immer.
Ausflugtipps der Waigels:
Das Promi-Paar aus Seeg verrät, wo es gemütliche Alpen gibt, tolle Skitouren oder eine grandiose Aussicht.