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Söder setzt auf Günther Felßner: Bauernverbands-Chef als Minister?

Politik

Söders Mann für die Bauern: Geht der Schachzug mit Günther Felßner auf?

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    Kandidiert für die CSU und soll nach Wunsch von Markus Söder direkt Minister werden: Bauernverbands-Präsident Günther Felßner.
    Kandidiert für die CSU und soll nach Wunsch von Markus Söder direkt Minister werden: Bauernverbands-Präsident Günther Felßner. Foto: Daniel Löb, dpa

    Markus Söder passte die Frage erkennbar nicht. „Diskreditierend“ sei es, den Mann seiner Wahl als Lobbyisten zu bezeichnen, kanzelte der CSU-Chef einen Journalisten ab. Denn der Bayerische Bauernverband, dessen Präsident Günther Felßner Söder nach der Bundestagswahl in Berlin zum Landwirtschaftsminister machen will, „ist keine Lobbytruppe“, findet Söder. Felßner selbst findet das auch. Zu „einer Denkfabrik für Lösungen für die ganze Gesellschaft“ sei die Organisation unter seiner Führung geworden. Unausgesprochene Schlussfolgerung: Wo es keine Lobby-Organisation gibt, können auch keine Interessenkonflikte drohen, falls der Chef Minister wird.

    Der Bauernverband beschreibt sich als Lobby-Organisation

    Doch so einfach ist es nicht. Denn es gibt es auch andere Lesarten über die Rolle des Bauernverbandes und eine davon stammt von diesem selbst. Der Verband beschreibt seine Rolle so: „Der Bayerische Bauernverband ist in München, Berlin und Brüssel aktiv, um auf den verschiedensten Entscheidungsebenen die Anliegen der Mitglieder anzubringen.“ Im Lobbyregister des Bayerischen Landtags findet sich die rund 135.000 Mitglieder starke Organisation, der Felßner vorsteht, ebenso. Die Drähte des Bauernverbandes in die Politik sind traditionell kurz. Landesbäuerin Christine Singer zum Beispiel sitzt aktuell für die Freien Wähler im Europaparlament. Felßner will, so er denn tatsächlich Minister wird, sein Amt als Präsident niederlegen.

    Markus Söder und seine Kurzzeit-Ministerin

    Söder lobt den Landwirt aus Franken als Praktiker und sieht in der Personalie ein „starkes Signal“ für den Mittelstand und für den gesamten ländlichen Raum. Felßner soll der CSU als Listenkandidat für den Bundestag Stimmen bringen bei einer Klientel, in der sie Boden verloren hat.

    Söder hatte schon früher Vorlieben für überraschende Personalien gezeigt. Unvergessen ist in München die Medizin-Professorin Marion Kiechle, die der Ministerpräsident 2018 als Parteilose in sein Kabinett holte. Doch die Fachfrau verhedderte sich im Gestrüpp des politischen Alltagsgeschäfts: Ein gutes halbes Jahr später war sie den Job als Wissenschaftsministerin wieder los.

    Darum lobt Söder Felßner

    Zurück in die Gegenwart und in der reagiert die Konkurrenz zum Teil angesäuert auf Söders Schachzug mit dem Überraschungskandidaten Felßner. Die bayerische Grünen-Chefin Gisela Sengl verweist auf das politische Neutralitätsgebot, das in der Satzung des Bauernverbandes verankert ist. Wenn sich ein Bauernpräsident als CSU-Minister nominieren lasse, sei das „alles andere als politisch neutral“.

    Grüne Minister verpflichten Lobbyisten

    So ungewöhnlich ist es allerdings nicht, dass ehemalige Lobbyisten in wichtige politische Ämter gelangen und dort ihr Wissen einbringen sollen. Das haben zuletzt Sengls eigene Parteifreunde vorgemacht. Im Außenministerium von Annalena Baerbock dient die frühere Greenpeace-Chefin Jennifer Lee Morgan als Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik. Gerade ist die gebürtige US-Amerikanerin als deutsche Chef-Unterhändlerin beim Klimagipfel in Baku im Einsatz. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte den früheren Direktor der Lobbyorganisation Agora Energiewende als Staatssekretär geholt. Patrick Graichen erwies sich allerdings als Fehlgriff und musste nach nicht einmal zwei Jahren seinen Hut nehmen. Filz-Vorwürfe kosteten Habecks Mann für die Energiewende den Job.

    Schon öfter für Ärger gesorgt hat es auch, wenn Politiker den umgekehrten Weg einschlugen und nach dem Ausscheiden aus ihren Ämtern hoch dotierte Jobs in der Wirtschaft annahmen. Der Vorwurf: Sie würden ihre alten Kontakte versilbern und für ihre neuen Arbeitgeber Türen öffnen. Das politisch brisanteste Extrembeispiel ist Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), der sich in die gut bezahlten Dienste russischer Energieriesen begab und bis heute immer ein gutes Wort für seinen alten Kumpel Wladimir Putin findet.

    Von Schröder bis Pofalla: Wenn Politiker die Seiten wechseln

    Doch die Liste ließe sich beinahe beliebig fortsetzen. Schlagzeilen machte etwa auch der frühere Merkel-Vertraute und Minister Ronald Pofalla, der in die Vorstandsetage der Deutschen Bahn wechselte. Nach Recherchen der Organisation „Abgeordnetenwatch“ sind mehr als 100 ehemalige Abgeordnete und Regierungsmitglieder im Lobby-Register des Bundestags aufgeführt. Sie seien mittlerweile als Vorstände in Unternehmen, Verbänden oder Vereinen tätig, arbeiten als hauptberufliche Lobbyistinnen und Lobbyisten oder betreiben Beratungsfirmen. Allein nach den letzten Bundestagswahlen sollen laut Abgeordnetenwatch mehr als 30 frühere Abgeordnete so ein neues Aufgabenfeld gefunden haben.

    Um Interessenkonflikten vorzubeugen, gelten für Minister und Staatssekretäre inzwischen sogenannte Karenzzeiten. Danach kann früheren Mitgliedern der Bundesregierung die Aufnahme einer Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes bis zu 18 Monate lang verboten werden, in Bayern sind sogar bis zu 24 Monate möglich.

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