Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Emotionen besser verstehen: 5 praktische Übungen für den Alltag

Persönlichkeitsentwicklung

Emotionen besser verstehen: 5 praktische Übungen für den Alltag

    • |
    • |
    • |
    Manchmal plagen uns widersprüchliche Gefühle, die wir nicht einordnen können.
    Manchmal plagen uns widersprüchliche Gefühle, die wir nicht einordnen können. Foto: Jonas Walzberg, dpa

    Der Tag war hektisch, der Kopf ist voll. Bei der Frage einer Bekannten, wie es uns gerade geht, antworten wir automatisch. Doch wie wir uns wirklich fühlen, wissen wir gerade nicht. Haben wir Druck in der Brust, ein Ziehen im Bauch? Ist es Anspannung? Sorge? Die richtigen Worte zu finden, ist nicht leicht. Damit kämpfen viele – doch Gefühle sind nicht nur da, sie beeinflussen unser Handeln maßgeblich. Wer sie versteht, kann sich selbst besser verstehen.

    Emotionen verstehen

    Der Zugang zu den eigenen Emotionen ist nicht immer leicht: Manche haben es nie gelernt, in sich hineinzuhören und den eigenen Emotionen Raum zu geben. Gleichzeitig können Stress, Traumata, Depressionen und andere Umstände die Wahrnehmung der eigenen Gefühle erschweren. In der Psychologie ist man sich allerdings einig, dass diese Fähigkeit erworben werden kann, mithilfe bestimmter Übungen. Hier stellen wir fünf davon vor.

    1. Wortschatz erweitern

    Menschen denken größtenteils sprachbasiert. Das bedeutet, dass Gefühle, die wir nicht benennen können, schwer einzuordnen sind. In einer Situation, in der uns gemischte Gefühle überkommen, wie bei einem Jobwechsel, kann es uns schwerfallen, besagte Gefühle zu benennen. Ist es Angst, Aufregung, Nervosität, Vorfreude, Trauer oder spielt jedes dieser Gefühle eine Rolle? Um Emotionen treffend zuordnen zu können, lohnt es sich, den eigenen Wortschatz zu erweitern.

    Das genaue Benennen von Emotionen nennt sich Emotionsdifferenzierung in der Psychologie. Es beschreibt die Fähigkeit, Emotionen adäquat und differenziert anzuwenden und erfordert einen ausgeprägten Emotions-Wortschatz. Wie die Psychologin Victoria Schüttengruber der Universität Zürich erklärt, erleben Personen, die ihre Gefühle differenziert benennen können, weniger depressive Symptome, weniger Stress und eine allgemein bessere Regulation ihrer Emotionen.

    2. Anderen zuhören

    So oft wie die Frage „Wie geht es dir?“ achtlos beantwortet wird, hören andere auch achtlos zu. Doch genau dieses hinhören kann einem helfen, feine Unterschiede zu erkennen und auch das eigene Vokabular zu erweitern. Eine niederländische Forschungsgruppe hat den Zusammenhang zwischen dem Erkennen eigener Emotionen und dem Wahrnehmen von anderen untersucht. Dabei bestätigte sich die Annahme, dass Personen, die ihre eigenen Emotionen je nach Situation differenziert wahrnehmen können, auch bei anderen Menschen verschiedene Emotionen präziser erkennen. Diese Personen zeichnen sich durch eine höhere Emotionale Intelligenz aus.

    Die Psychologin Victoria Schüttengruber betont, dass die Fähigkeit, eigene Emotionen genau zu benennen, nicht nur das eigene Wohlbefinden stärkt. Sie hilft auch dabei, die Gefühle anderer klarer zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Wer die eigenen Emotionen versteht, entwickelt ein besseres Gespür für die Emotionen seines Gegenübers.

    3. Gefühle erkennen: Self Check-in oder Bodyscan

    Doch wie schafft man es, seine Gefühle tatsächlich wahrzunehmen? Laut dem Brainbook Verlag können Achtsamkeitsübungen helfen, einen Zugang zu seinen Emotionen zu finden. Hierfür eignet sich ein Check-in, bei dem man kurz die Augen schließt und sich fragt, wie es einem geht. Wo empfindet man die Emotionen, die man gerade fühlt? Wenn man die Übung noch erweitern möchte, kann man einen Body Scan durchführen, wie die Psychologieplattform Couplecare schreibt. Dabei schließt man die Augen und lässt seine Aufmerksamkeit durch den Körper wandern: Wie fühlt sich beispielsweise der Kiefer oder die Schultern an? Was würde ein Körperteil sagen, wenn es sprechen könnte? Diese Antworten können uns Klarheit über unseren Zustand geben.

    4. Gefühle klar benennen mit Journaling

    Wer den vorangegangenen Bodyscan noch erweitern möchte, kann die eigenen Gefühle aufschreiben. Hierbei kann wieder die Vokabelliste zum Einsatz kommen: Eine Idee kann sein, sich im Notizbuch einen ausführlichen Gefühlswortschatz zurechtzulegen und nach dem Bodyscan zu Rate zu ziehen. Alternativ können auch Selbstgespräche oder Affirmationen ein wirksames Mittel zur Reflexion sein.

    5. Gefühle regulieren durch Kommunikation

    Laut Brigitte kann es helfen, Emotionen bewusst zu kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden und die Tiefe der Beziehungen zu stärken. Eine einfache Übung dafür ist, verletzende oder verunsichernde Situationen zunächst schriftlich festzuhalten – beispielsweise in einem Tagebuch oder ganz niedrigschwellig als Handynotiz. Anschließend kann formuliert werden, wie man sich dabei gefühlt hat und was man sich von der anderen Person gewünscht hätte. Der nächste Schritt ist, diese Gedanken offen anzusprechen.

    Wenn eine Freundin zum Beispiel länger nicht auf eine Nachricht antwortet oder wiederholt ein Treffen absagt, kann eine ruhige Nachfrage helfen: „Ich habe gemerkt, dass ich mich unsicher fühle, wenn du lange nicht antwortest. Könnten wir darüber sprechen?“ Eine einfache Rückmeldung wie „Ich melde mich später“ kann bereits helfen, solche Unsicherheiten abzubauen. Wer regelmäßig übt, Gefühle klar zu benennen, kann langfristig offener kommunizieren und Missverständnisse reduzieren.

    6. Professionelle Hilfe

    Wie bereits zu Beginn erwähnt, können schwerwiegendere psychische Belastung zu einer Abkapselung der eigenen Gefühlswelt führen. Dabei sollte man sich gegebenenfalls eingestehen, dass einfache Übungen in Eigenregie nicht ausreichen. Laut Brigitte ist es schwerer, eine emotionale Unerreichbarkeit abzubauen, je länger sie schon besteht. Professionelle Hilfe kann dabei unterstützen, neue Techniken zu erlernen und sich schrittweise zu öffnen. Therapie oder Coaching bieten einen geschützten Raum, in dem Gefühle offen angesprochen und verschiedene Methoden erprobt werden können. Neutrale Personen können dabei helfen, ohne dass soziale Folgen befürchtet werden müssen.

    Alle Gefühle sind willkommen

    Wer daran arbeitet, einen besseren Zugang zu den eigenen Emotionen zu finden, sollte Gefühle willkommen heißen und annehmen. Sie bieten uns Informationen und sind weder böse noch gut. Wie der Psychologe Lukas Klaschinski im Podcast der Techniker Krankenkasse erklärt, ist es wichtig, sie nicht zu bewerten, um einen Umgang mit ihnen zu finden.

    Bei Gefühlen gibt es kein besser oder schlechter. Alle Gefühle sind wichtig, wenn ich sie nicht wahrnehme, verpasse ich ihre Information. Wenn ich meine Angst nicht spüre, dann mache ich eine bestimmte Sache nicht, und denke, ich habe keine Lust drauf, dabei habe ich Angst. Wenn ich die Angst wahrnehme, dann kann ich mich entscheiden, wie ich mich verhalten möchte.

    Psychologe und Podcaster Lukas Klaschinski , Interview im Podcast der Techniker Krankenkasse

    Gefühle kommen und gehen, keine davon ist per se gut oder schlecht. Erst die eigene Bewertung gibt ihnen eine Richtung, wie Couplecare betont. Manche Gefühle sind intensiv, andere kaum spürbar. Einige sind angenehm, andere herausfordernd. Doch alle haben eine Funktion. Wer unangenehme Empfindungen zulässt, anstatt sie zu unterdrücken, lässt sie wie eine Welle vorbeiziehen. So bleibt Raum für neue Emotionen. Das Gefühlsleben ist komplex und ständiges Glück kann es nicht geben – und muss es auch nicht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden