Paukenschlag in Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwochabend Finanzminister Christian Lindner entlassen und will im Januar die Vertrauensfrage stellen. Damit könnte es in Deutschland zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Der Bundestag solle darüber am 15. Januar abstimmen, sagte der SPD-Politiker in Berlin.
Zuvor hatte Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen, nachdem dieser eine Neuwahl des Bundestags vorschlug. Scholz griff Lindner in seiner Rede scharf an. Er sprach davon, Lindner habe zu oft sein Vertrauen gebrochen. Noch in der Nacht zog die FDP alle Minister aus der Ampel-Regierung ab.
Wie geht es heute weiter?
Am heutigen Donnerstag soll Lindner am Nachmittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Entlassungsurkunde erhalten. Sofort anschließend soll Lindners Nachfolger oder Nachfolgerin die Ernennungsurkunde erhalten. Der Name soll schon feststehen, ist aber noch nicht öffentlich bekannt. Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar:
Finanzminister wehrt sich gegen Vorwürfe
"Wir haben Vorschläge für eine Wirtschaftswende vorgelegt, um unser Land wieder auf Erfolgskurs zu bringen", sagte Lindner am Mittwochabend. Diese Vorschläge seien von SPD und Grünen nicht als mal als Beratungsgrundlage akzeptiert worden. "Wir wissen seit dem genau vorbereiteten Statement des Bundeskanzlers vom heutigen Abend, warum.“
Der Noch-Finanzminister reagierte auf die Vorwürfe des Kanzlerss: „Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen." Stattdessen habe er seit heute Nachmittag "ultimativ von mir verlangt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen". Linder betonte: Dem konnte ich nicht zustimmen.“
Lindner stellte zudem klar: „Die Freien Demokraten sind unverändert bereit, Verantwortung für dieses Land zu tragen. Und wir werden dafür kämpfen, dies in einer anderen Regierung im nächsten Jahr auch zu tun.“
Lindner schlug Neuwahlen vor
Lindner schlug den Angaben zufolge vor, dass die Ampel-Parteien, wie 2005 gemeinschaftlich schnellstmöglich Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben sollten, um "geordnet und in Würde" eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Die FDP wäre bereit, noch den Nachtragshaushalt 2024 gemeinsam zu beschließen und einer geschäftsführenden Bundesregierung anzugehören.
Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden beraten, um Wege aus der Ampel-Krise zu finden. Im Kern ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Lindner hatte "Herbst der Entscheidungen" ausgerufen
Lindner hat schon vor einiger Zeit den "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Gegen solche Ideen gab es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck war Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich am Montag bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden.
Das sagt CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek zur Entlassung Lindners
"Das ist ein Hammer", sagt Klaus Holetschek, CSU-Fraktionschef im Landtag, der die Entwicklungen in Berlin ausdrücklich begrüßt: "Jeder Tag, den diese Ampel weiter regieren würde, wäre ein schlechter Tag für Deutschland." Bei einem Wirtschaftsforum habe sich erst heute wieder gezeigt, dass die Unternehmer das Vertrauen in die Bundesregierung verloren hätten: "Keine Verlässlichkeit, keine Planbarkeit." Darunter leide generell das Vertrauen in die Politik. "Das Beste wären jetzt Neuwahlen", sagte Holetschek am Mittwochabend gegenüber unserer Redaktion.
Den geplanten Termin für die Vertrauensfrage im Bundestag hält Holetschek für falsch: "Das ist zu spät. Es ist wahnsinn, so lange zu warten." Das sei eine unnötige Hängepartie, in die das Land gebracht werde.
Scholz schlägt Merz Zusammenarbeit vor
Kanzler Scholz will Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. "Ich werde nun sehr schnell auch das Gespräch mit dem Oppositionsführer, mit Friedrich Merz suchen", sagte der SPD-Politiker in Berlin. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, "die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung", sagte der Kanzler.
Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, ergänzte Scholz und fügte hinzu: "Und wir brauchen jetzt Klarheit, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen." Auch mit dem Blick auf die Wahlen in Amerika sei das "vielleicht dringender denn je". Der Kanzler sagte: "Es geht darum, jene Entscheidung zu treffen, die unser Land jetzt braucht. Darüber werde ich mit der verantwortlichen Opposition das Gespräch suchen."
Habeck: Ampel-Aus war unnötig
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat den Bruch der Ampel-Koalition bedauert. Die Koalition habe nicht den besten Ruf gehabt. Man habe sich häufig gestritten. "Dennoch will ich für uns sagen, dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt, geradezu tragisch an einem Tag wie diesem, wo Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen muss", sagte Habeck nach dem Koalitionsausschuss vor dem Kanzleramt in Berlin.
Obwohl Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch lagen, habe man die Haushaltslücke nicht schließen können. "Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu gehen", sagte Habeck. Die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) sei letztlich so folgerichtig wie unnötig gewesen. Es sei nicht nötig gewesen, dass der Abend so ende. Deutschland habe eine Rolle in Europa zu spielen.
Man werde jetzt zügig den Weg zu geordneten Neuwahlen freimachen. Im Frühjahr werde Deutschland eine neue Entscheidung zu treffen haben. "Bis dahin sind wir im Amt. Und wir sind fest entschlossen, die Pflichten des Amtes vollumfänglich zu erfüllen", sagte Habeck. "Ab morgen geht die Arbeit weiter."
Dobrindt fordert Vertrauensfrage "so schnell wie möglich"
Die CSU im Bundestag fordert angesichts des Scheiterns der Ampel-Koalition schnelle Klarheit für eine vorgezogene Bundestagswahl. "Es braucht die Vertrauensfrage so schnell wie möglich", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Deutschen Presse-Agentur. Er fügte hinzu: "Regierungsvakuum ist keine Option für Deutschland. Wir sind bereit für schnelle Neuwahlen."